Exklusive CIO-Umfrage

Ukraine-Krieg fordert CIOs heraus

Wolfgang Herrmann ist IT-Fachjournalist und Editorial Lead des Wettbewerbs "CIO des Jahres". Der langjährige Editorial Manager des CIO-Magazins war unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO sowie Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Karen Funk ist freie IT-Fachjournalistin und Autorin. Bis Mai 2024 war sie Redakteurin beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Zudem leitete sie 17 Jahre lang den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT und für digitale Bildung ein. 2024 erschien ihr Buch "Hack the world a better place: So gestalten Unternehmen die Zukunft", das sie mit Julia Freudenberg, Geschäftsführerin der Hacker School, zum Thema Corporate Volunteering geschrieben hat.
Jens Dose ist Editor in Chief von CIO. Seine Kernthemen drehen sich rund um CIOs, ihre IT-Strategien und Digitalisierungsprojekte.
Jürgen Sturm, CIO von ZF Friedrichshafen: "Gemeinsam mit der Materialwirtschaft arbeiten wir in der IT daran, einen digitalen Zwilling unserer Lieferketten in Echtzeit bereitstellen zu können."
Jürgen Sturm, CIO von ZF Friedrichshafen: "Gemeinsam mit der Materialwirtschaft arbeiten wir in der IT daran, einen digitalen Zwilling unserer Lieferketten in Echtzeit bereitstellen zu können."
Foto: ZF Friedrichshafen

In die gleiche Kerbe schlägt Ingo Elfering, Group CIO bei FreseniusFresenius: "IT kann durch Supply Chain Data Analytics helfen, Insights zu generieren und Planungen und Anpassungen besser zu managen." Lutz SeidenfadenLutz Seidenfaden, CIO von MTUMTU Aero Engines, meldet diesbezüglich erste Erfolge: "Durch verbesserte Prognose-Tools konnten wir die Supply Chain optimieren." Top-500-Firmenprofil für Fresenius Top-500-Firmenprofil für MTU Profil von Lutz Seidenfaden im CIO-Netzwerk

Muss die IT zurück ins Unternehmen?

Verlassen sich deutsche Unternehmen angesichts der aktuellen Bedrohungen weniger auf externe Sourcing-Partner aus dem Ausland? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. "Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs fallen je nach Branche und Geschäftsmodell sehr unterschiedlich aus", sagt Management-Berater Martin StephanyMartin Stephany von der 4C GROUP. Zum Teil seien die Folgen für das Geschäft gravierend, was wiederum den Kostendruck auf die IT erhöhe. Für einige Branchen und Firmen sehe er aber auch positive Effekte, beispielsweise wenn Unternehmen in den Pipelinebau oder den Bau von LNG-Terminals für die Versorgung mit Flüssiggas involviert seien. Profil von Martin Stephany im CIO-Netzwerk

Marcus Loskant, CIO der LVM-Versicherung: "Die IT der LVM ist strategisch auf eine hohe Fertigungstiefe ausgerichtet. Auslagerungen wurden bewusst in sehr geringem Umfang getätigt."
Marcus Loskant, CIO der LVM-Versicherung: "Die IT der LVM ist strategisch auf eine hohe Fertigungstiefe ausgerichtet. Auslagerungen wurden bewusst in sehr geringem Umfang getätigt."
Foto: LVM Versicherung

Grundsätzliche Änderungen in den IT- und Sourcing-Strategien der Anwender beobachtet Stephany nicht. Probleme gebe es aktuell eher auf der operativen Ebene: "Es gibt jetzt einfach eine operative Herausforderung mehr für den CIO." Schwierig könne es für IT-Organisationen beispielsweise werden, wenn ein IT-Dienstleister in Osteuropa ausfalle, "oder die Angestellten wie in der Ukraine von einem Tag auf den anderen nicht mehr greifbar sind. Dann muss schnell ein neuer Outsourcing-Partner her."

Sana-CIO Meisheit will jedenfalls am eingeschlagenen Kurs festhalten: "Durch die aktuelle politische Lage gibt es keine Veränderung bezüglich unserer IT-Strategie und deren Umsetzung", berichtet er. "Dort, wo es uns als integrierter Gesundheitsdienstleister möglich ist, werden wir den Weg der Cloudifizierung weiter verfolgen. Über ein Insourcing bereits outgesourcter Services denken wir nicht nach." Marcus Loskant von der LVM-Versicherung sieht ebenfalls keine Notwendigkeit für einen strategischen Schwenk: "Die IT der LVM ist strategisch auf eine hohe Fertigungstiefe ausgerichtet. Auslagerungen wurden bewusst in sehr geringem Umfang getätigt."

Kein gezieltes Insourcing

Ein gezieltes Insourcing steht auch bei ZF Friedrichshafen nicht auf der Agenda. "Wir haben schon immer darauf gesetzt, ausreichend IT-Kompetenz auch inhouse zu halten", betont CIO Sturm. "Konkret verfolgen wir also unverändert eine differenzierte Make-and-Buy-Strategie, indem wir IT als Kernkompetenz ansehen und diese mit strategischen Partnern gezielt ergänzen." Auch Thüga-CIO Annette Suckert plant aktuell nicht, ausgelagerte IT-Prozesse zurück ins Haus zu holen.

Ingo Elfering, CIO von Fresenius, verweist auf die internationale Aufstellung des Gesundheitskonzerns: "Wir beziehen die geopolitische Lage selbstverständlich bei unseren Sourcing-Entscheidungen mit ein, aber als global tätiges Unternehmen brauchen wir Präsenz in unterschiedlichen Ländern." Wie der richtige Mix aus globalen und lokalen Systemen aussehe, bewerte man immer wieder neu.

Der Triebwerkshersteller MTU Aero Engines hat es mit speziellen Anforderungen zu tun. "Aufgrund unserer militärischen Programme sind wir an NATO-Gebiet und entsprechende Nationalitäten gebunden", erläutert CIO Seidenfaden. "Daher sind aktuell keine ausgelagerten Ressourcen in kritischen Ländern allokiert." Allerdings stelle man derzeit den Auf- und Ausbau eines weiteren Nearshoring Centers in Serbien auf den Prüfstand.

Eigene Softwarecenter sind ein Topthema für CIOs

Wie intensiv sich Unternehmen mit dem Thema Insourcing beschäftigen, hänge auch vom Geschäftsmodell ab, kommentiert Berater Matschi. "Ein starker Treiber ist hierbei der Digitalisierungsgrad des Geschäftsmodells und damit die Relevanz der Produkt-IT." Ungeachtet der aktuellen Situation gebe es schon seit einiger Zeit den Trend, dass Unternehmen vermehrt eigene Softwareentwicklungszentren aufbauen.

Ein prominentes Beispiel ist der Volkswagen-Konzern, der nach ersten Anläufen mit seiner Car.Software-Organisation die Softwaretochter Cariad SE gegründet hat. Die Wolfsburger wollen damit den Software-Eigenanteil in den Fahrzeugen von derzeit zehn auf mindestens 60 Prozent erhöhen. Der zum Konzern gehörende spanische Autobauer Seat schickte mit SEAT:CODE ebenfalls eine Digitaltochter an den Start. "Eigene Software-Center sind ein Topthema auf der Agenda vieler CIOs geworden", beobachtet Stephany.

"In Offshore-Ländern wie Indien explodieren gerade die Gehälter für IT-Experten", beobachtet Markus Matschi von der Management-Beratung 4C GROUP.
"In Offshore-Ländern wie Indien explodieren gerade die Gehälter für IT-Experten", beobachtet Markus Matschi von der Management-Beratung 4C GROUP.
Foto: 4C GROUP

Am Beispiel Volkswagen wird zugleich deutlich, wo die größten Hürden beim Auf- und Ausbau eigener IT-Kompetenzen liegen. "Viele Unternehmen, darunter auch große und attraktive Konzerne, haben Schwierigkeiten, genügend Fachkräfte zu finden", so der Berater. Das betreffe nicht nur Nearshore-Standorte in Osteuropa. "In Offshore-Ländern wie Indien explodieren gerade die Gehälter für IT-Experten." Deshalb werde es auch für deutsche Unternehmen weniger attraktiv, auf solche Ressourcen zurückzugreifen. Matschi: "Wenn jetzt noch Russland und eventuell auch die Ukraine als IT-Sourcing-Partner wegbrechen, wird das den FachkräftemangelFachkräftemangel weiter verschärfen." Alles zu Fachkräftemangel auf CIO.de

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