Vertrauensurlaub
Unbegrenzt Urlaub - eine Utopie?
New Work beschreibt diverse moderne und innovative Arten des Arbeitens. Mehr und mehr Unternehmen wollen oder müssen im aktuellen Arbeitsmarkt alles rund um den Job flexibler und persönlicher gestalten, um auf dem Arbeitnehmermarkt attraktiv sein.
Ein Aspekt von New Work ist auch die Organisation des Urlaubs. Blickt man auf Stellenanzeigen in den letzten Monaten und Jahren spielt das aus den USA stammende Modell des Vertrauensurlaubs in deutschen Unternehmen zunehmend eine Rolle. Nachfolgend finden Sie einen Überblick, was beim "Vertrauensurlaub" zu beachten ist.
Vertrauensurlaub - Definition
Der Begriff des "Vertrauensurlaubs" ist gesetzlich nicht definiert. Beim arbeitsvertraglichen Konzept des Vertrauensurlaubs können Mitarbeitende jedes Jahr selbst bestimmen, wie viele Tage Urlaub sie nehmen möchten und in der Regel auch die Lage des Urlaubs flexibel und eigenverantwortlich planen beziehungsweise festlegen. Dabei muss "nur" sichergestellt sein, dass die Arbeit erledigt wird und vereinbarte Ziele letztlich erreicht werden.
Das Unternehmen ist verpflichtet, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern während ihres Urlaubs das Entgelt fortzuzahlen - unabhängig davon, ob diese 20 Tage oder 40 Tage im Jahr Urlaub nehmen. Ähnlich wie bei der Vertrauensarbeitszeit wird damit auch beim Vertrauensurlaub die Arbeitszeit von der Leistung entkoppelt.
Ist Vertrauensurlaub ein Modell für die Zukunft?
Das Modell "Vertrauensurlaub" eröffnet für Unternehmen neue Chancen, denn sie können es nutzen, um als moderne und attraktive Arbeitgeber an gutes Personal zu kommen. Doch mit Vertrauensurlaub sind gewisse Risiken verbunden, die Unternehmen und Mitarbeitende in ihren Überlegungen zum Vertrauensurlaub bedenken sollten.
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Was ist arbeitsrechtlich zu beachten?
Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) umfasst keine Normen zum Vertrauensurlaub. Jedoch ist in § 3 BUrlG geregelt, dass Mitarbeitenden bei einer 5-Tage-Woche ein Mindesturlaubsanspruch von 20 Tagen zusteht. Mit dieser Urlaubsregelung will der Gesetzgeber erreichen, dass jeder Mitarbeitende in einem einigermaßen regelmäßigen Rhythmus eine gewisse Zeit der Erholung auch tatsächlich erhält.
Darüber hinaus regelt § 13 BUrlG die Unabdingbarkeit des Urlaubs. Das heißt: Beschäftigte können damit nicht auf ihren Mindesturlaub verzichten. Jedoch ist es den Arbeitsvertragsparteien, also den Unternehmen und deren Mitarbeitenden freigestellt, einen über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Zusatzurlaub - wie dies bei Vertrauensurlaub der Fall ist - zu vereinbaren.
Wichtige Aspekte bei der arbeitsvertraglichen Gestaltung?
Bei der Einführung von Vertrauensurlaub sollten die wichtigsten Punkte in einer Vereinbarung zum Vertrauensurlaub klar im Arbeitsvertrag geregelt werden. Die Unternehmen müssen aus arbeitsrechtlicher Sicht bedenken, dass für den über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Vertrauensurlaub nur dann von den Vorgaben des BurlG abgewichen werden kann, wenn zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und einem Zusatzurlaub ausdrücklich differenziert wird.
Mindestzahl der Urlaubstage
Die Vereinbarung zum Vertrauensurlaub sollte die Mindestzahl der zu nehmenden Urlaubstage regeln und festlegen, dass genommener Urlaub zunächst auf den gesetzlichen Mindesturlaub angerechnet wird.
Verfall und Abgeltung
Es besteht das Risiko einer Ansammlung von Urlaubstagen, die am Ende eines Arbeitsverhältnisses dann finanziell abgegolten werden müssten. Umd dies zu vermeiden, sollte eine Regelung angedacht werden, mit der der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende Vertrauensurlaub am Ende eines Kalenderjahres verfällt und am Ende des Arbeitsverhältnisses auch abzugelten ist.
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Probezeit und Kündigung
Um eine tatsächliche Erprobung in der Anfangsphase des Arbeitsverhältnisses sicherzustellen, könnte Vertrauensurlaub erst nach der Probezeit ermöglicht werden. Auch kann es zweckmäßig sein, Vertrauensurlaub nach Ausspruch einer Kündigung zu begrenzen. Sonst könnte es dazu kommen, dass Urlaub genommen wird, obwohl die Arbeitsleistung vor dem Ausscheiden - zum Beispiel für eine ordnungsgemäße Übergabe - noch dringend gebraucht wird.
Krankheit, Mutterschutz und Elternzeit
Schließlich ist eine Regelung zu überlegen, die Vertrauensurlaub im Anschluss an eine sechs Wochen dauernde Arbeitsunfähigkeit, an eine Elternzeit oder an den gesetzlichen Mutterschutz verhindert. Andersfalls kann es zu einer dauerhaften vom Unternehmen zu zahlenden Freistellung kommen, obwohl das Gesetz in den genannten Konstellationen keinen oder nur einen zeitlich begrenzten Entgeltfortzahlungsanspruch der Mitarbeitenden vorsieht.
Mindestpersonaldecke
Durch die Inanspruchnahme von Vertrauensurlaub sollten die ordnungsgemäßen Betriebsabläufe nicht gestört werden. Dazu können Unternehmen arbeitsvertraglich eine maximale Anzahl von am Stück oder insgesamt zu nehmenden Urlaubstagen oder eine Mindestanzahl von anwesenden Mitarbeitenden im Unternehmen beziehungsweise in verschiedenen Teams festlegen.
Ist der Betriebsrat zu beteiligen?
Der Arbeitgeber kann frei über das "Ob" der Einführung von Vertrauensurlaub entscheiden. Wenn dieses Urlaubsmodell im Unternehmen jedoch praktiziert werden soll, ist der Betriebsrat hinsichtlich des "Wie" nach § 87 BetrVG zu beteiligen. Unternehmen und Betriebsrat müssen dann gemeinsam erörtern und festlegen, wann und unter welchen Voraussetzungen Mitarbeitende ihren Urlaub nehmen können - dies ist auch zeitlich zu berücksichtigen.
Urlaubsflatrate: Freiheit, Flexibilität und Eigenverantwortung
Vertrauensurlaub ermöglicht den Mitarbeitenden eine größere Flexibilität bei der Planung ihres Urlaubs. Sie können ihre freien Tage entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen und Verpflichtungen eigenverantwortlich planen und entscheiden, wann und wie sie ihre Urlaubstage nutzen möchten, ohne mit dem Arbeitgeber Rücksprache halten zu müssen.
Einige Unternehmen, die dieses Urlaubsmodell bereits praktizieren, sehen eine Verbesserung der Work Life Balance ihrer Mitarbeitenden, da diese mehr Kontrolle über ihre Freizeit haben und Urlaubstage nutzen können, um sich um persönliche Angelegenheiten zu kümmern oder ihre Erholung zu maximieren. Bestenfalls kehren die Mitarbeitenden dann ausgeruht und motiviert zurück, was sich auch positiv auf ihre Produktivität und das Arbeitsklima auswirken kann.
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Nicht alles Gold, was am Urlaubshorizont glitzert
Nicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können sich jedoch selbst so organisieren, um ihre Urlaubstage frei einzuteilen, sich mit ihrem Team abzustimmen und die zu erledigenden Aufgaben beziehungsweise vereinbarten Ziele im Blick zu haben. Um die eigenen Karrierechancen nicht zu verschlechtern, könnten Mitarbeitende möglicherweise auch zurückhaltend sein, den Vertrauensurlaub in Anspruch zu nehmen.
Im Gegensatz dazu ist es nicht auszuschließen, dass Mitarbeitende den Vertrauensurlaub ausnutzen könnten, indem sie ihre Urlaubstage unangemessen oder zu häufig nutzen. Dies könnte dann zu einer Belastung für das Unternehmen führen, insbesondere wenn es zu Engpässen bei der Arbeitskraft kommt. Erste Erfahrungen zeigen jedoch, dass ein sprunghafter Anstieg der genommenen Urlaubstage ausbleibt - Mitarbeitende nehmen nicht plötzlich 50 Urlaubstage, nur weil sie es dürften.
Allerdings kann es schwieriger sein, die Abwesenheiten im Team zu koordinieren, wenn jeder Mitarbeiter seinen Urlaub individuell plant. Dies kann die Planung von Arbeitsabläufen und Projekten erschweren. Ohne eine ausreichende Kommunikation unter den Mitarbeitenden kann es darüber hinaus zu Konflikten kommen, die sich dann häufig negativ auf das Klima und das Miteinander im Team auswirken.
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Zusammenfassung
Der Vertrauensurlaub bietet eine Möglichkeit, den Mitarbeitenden Flexibilität und Autonomie entgegenzubringen. Letzteres hat eine zunehmende Bedeutung in der Arbeitswelt. Dennoch sollte vor der Einführung von Vertrauensurlaub ernsthaft abgewogen werden, ob dieser zur betrieblichen Organisation sowie zur individuellen Unternehmenskultur passt. Einige Organisationen sehen möglicherweise Vorteile in der Flexibilität, während andere die Vorhersehbarkeit und Koordination höher einschätzen.
Für die Umsetzung des Vertrauensurlaubs ist eine sorgfältige vertragliche Gestaltung unerlässlich, darüber hinaus setzt ein solches Urlaubsmodell eine hohe soziale Kompetenz des Teams voraus. Zwar verlangt Vertrauensurlaub, dass sich Beschäftigte stärker selbst organisieren. Die Führungskräfte müssen dennoch vorleben, wie man mit einem solchen flexiblen Urlaubsmodell umgeht und die konkrete Umsetzung aktiv begleiten. Hierfür sollten klare Richtlinien und Kommunikationswege im Team festgelegt werden:
Wie wird Transparenz über Urlaubszeiten gewährleistet?
Wie organisieren die Mitarbeitenden die Urlaubszeiten untereinander?
Welche Mindestvorgaben gibt es?
Wie wird sichergestellt, dass nicht zu wenig Urlaub genommen wird und die anstehenden Aufgaben ordentlich abgewickelt werden?
Für alle Vertrauensarbeitsmodelle, so auch für den Vertrauensurlaub, muss ein echtes Vertrauen in die Organisation, in die Mitarbeitenden und Vorgesetzten vorhanden sein. Jeder Einzelne muss gut für sich entscheiden können und dabei die Anderen sowie die aktuellen Aufgaben im Blick hat. Es braucht für eine erfolgreiche Umsetzung also mehr als nur die bloße Einführung eines Vertrauensurlaubsmodells. Vor allem ist FührungFührung und Kommunikation gefragt. Dann ist Vertrauensurlaub möglicherweise keine Utopie. (bw) Alles zu Führung auf CIO.de