Interview mit Nikolas Gebhard
Vorstände sind keine Monster
Comeback als Vorstandschef
Woher beziehen die Manager dann ihr Verständnis von Verantwortung?
Aus ihrer Kindheit. Was Vater und Mutter beigebracht und vorgelebt haben, das ist für viele der letzte Bezugspunkt zu einer Diskussion über die eigene Verantwortung und deren Grenzen.
Aber alle Großunternehmen setzen doch auf "Corporate Social Responsibility" (CSR), also die Stärkung der Firma als verantwortungsvoller Teil der Gesellschaft.
Was ich jetzt sage, wird viele CSR-Manager gegen mich aufbringen, denn es ist ernüchternd. Die dicken Wälzer zu CSR haben nichts mit dem Verantwortungsverständnis der deutschen Spitzenmanager zu tun. CSR-Themen widmen sich die Vorstände in der Regel, weil es zum guten Ton gehört, dafür stellt man ein Budget zur Verfügung. Aber die persönliche Verantwortungsrolle koppeln die Spitzenmanager meist vollständig davon ab.
Weil die Vorstände ihre eigene Verantwortung anders definieren?
Die meisten sagen, dass es ihre Verantwortung ist, die Balance zwischen den Zielen und Ansprüchen zu schaffen, die an das Unternehmen herangetragen werden. Das wird dann je nach Lage der Firma anders definiert. Aber wirkliche Verantwortungsziele setzten sie sich nicht. Eben auch deswegen, weil es keine offene Diskussion darüber gibt.
Auch nicht im Vorstand?
Gerade nicht im Vorstand.
- Klar positionieren
"Es darf nicht das Motto gelten: Das machen wir heute mal so, und dann morgen mal anders; nur um dann überall Ruhe zu haben. Nein, auch da ist es wichtig, dass man sich klar positioniert." - Verantwortung mit Glaubwürdigkeit
"Verantwortung ohne Glaubwürdigkeit geht nicht. Auf jeder Ebene." - Authentisch und konform
"Ich glaube, ein Großteil der internen Zufriedenheit, das Betriebsklima und so weiter, wird dadurch erzeugt, dass man sich möglichst authentisch und konform verhält." - Lernen vom Vorgesetzten
"Ein Vorgesetzter, zu dem man aufblickt, den man akzeptiert, von dem lernt man eine ganze Menge." - Menschlich statt sachlich
"Die wahren Schwierigkeiten sind immer menschlicher Natur, nie sachlicher Natur." - Werthaltungen gefragt
"Das sind letzten Endes auch die Kardinalstugenden, die man da vor Augen haben muss, Fleiß, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, also Werthaltungen. Und ich glaube, dass man diese Werthaltungen, gerade als Führungskraft, vorleben muss, weil Mitarbeiter ja auch darauf achten, und insofern verbindet sich das schon." - Keine verantwortungsvolle Führungskraft
"Was ich mich immer wieder frage: wie kann es dazu kommen, dass Manager in den Medien, in den Märkten und in den Unternehmen auftauchen, von denen ich persönlich sagen würde, dass die genau das nicht sind, was ich mir unter einer verantwortungsvollen Führungskraft vorstelle." (Quelle: Anonymisierte Interviews mit 30 Spitzenmanager deutscher Großkonzerne. Zitiert in: "Das Verantwortungsverständnis deutscher Spitzenmanager", UVK 2013)
Weil dort jeder auf eine Schwäche des Anderen wartet?
Das ist wohl leider so. Ein Manager hat mir gesagt, dass es sein größter Fehler ist, sich persönlich keinen Bereich geschaffen zu haben, der kein Haifischbecken ist. Um einen solchen Raum zu schaffen muss man sich aber bewusst auf den Weg machen. Möglichkeiten dafür gibt es. Für manche ist das institutionalisierte Gespräch mit Freunden aus Studientagen ein solcher Schutzbereich. Das können aber auch wirklich Vertraute im Unternehmen oder Mitglieder des Aufsichtsrats sein.
Warum ist ein solcher Diskussionsraum nötig?
Die eigene Entscheidung mit Distanz zu betrachten, das muss für jeden Manager im Arbeitsalltag zur Überforderung werden - bei dem StressStress. Aber wenn der Abbau von 20.000 Stellen ansteht und sie niemanden haben, der offen mit ihnen spricht, ob sie alles Mögliche getan haben, um so einen Schritt zu verhindern oder so stark zu begrenzen wie möglich - dann stumpfen sie entweder ab oder werden verrückt. Der Vorstand als Organ nimmt diese drückende Last der Verantwortung nicht ab. Alles zu Stress auf CIO.de