Interview mit Nikolas Gebhard
Vorstände sind keine Monster
Herr Gebhard, Sie haben für Ihre Dissertation mit 30 hochrangigen deutschen Managern über deren Verantwortungsverständnis gesprochen. War es einfach, Zugang zu bekommen?
Es war zunächst extrem schwierig. Hilfreich war aber mit Sicherheit, dass über verschiedene persönliche und universitäre Kontakte erste Referenzen vorhanden waren. Empfehlungsschreiben von Gesprächspartnern haben mir dann zu immer weiteren Interviews verholfen.
Mit wem haben Sie gesprochen?
Ich habe mit 30 Vorständen aus Dax- und MDax-Konzernen beziehungsweise Firmen dieser Größenordnung gesprochen. Dabei habe ich Wert auf ein möglichst breites Spektrum gelegt was etwa Alter der Interviewten oder ihre Branche angeht. Absolute Anonymität war den Beteiligten höchst wichtig ...
... weil sie sich Ihnen gegenüber geöffnet haben?
Ich denke schon. Einige Vorstände kamen zunächst mit ihrem Manager für Compliance-Fragen in das Gespräch, also einem Mitarbeiter, der für die Regeleinhaltung im Unternehmen zuständig ist. Doch im weiteren Verlauf haben wir uns unter vier Augen unterhalten.
- In Gedanken in der Zeitung
"Ich führe für mich bildhaft (den Gedanken) mit, wie ich morgen (mit meiner Handlung) in der Zeitung dastünde." - Government-Kodex oder Bibel
"Wenn ich einen Kodex habe ist es letztendlich egal, ob der jetzt Government-Kodex oder Bibel heißt." - Das gleiche Moral-Kostüm wie zuhause
"Ein anderes moralisches Kostüm in der Firma anzuziehen als ich es zuhause bei meiner Frau, meinen Kindern, habe, ist einfach nicht denkbar für mich. Die Grundkoordinaten müssen die gleichen sein." - Es gibt einen klaren Chef
"Wir kokettieren wirklich mit der Organverantwortung des Vorstandes einer deutschen AG und sagen, die einzige Stelle, wo wir die Kollektivverantwortung nicht loswerden konnten, ist der Organvorstand der AG. Und trotzdem gibt es einen klaren Chef." - Koordinatenkreuz nicht delegierbar
"Das Thema einer persönlichen Verantwortung, eines persönlichen Koordinatenkreuzes für Moral und Ethik, Disziplin, Tugenden: das ist nicht delegierbar. Das bin ich und sonst niemand." - Akzeptables Verhalten finden
"Man muss mit der Ehrbarkeit, eine Verhaltensweise finden, die die unternehmerische Gewinnerzielungsabsicht gesellschaftlich, moralisch und sozial akzeptabel macht." - Mainstream im Unternehmensinteresse
"Das bringt auch die Schnelligkeit der heutigen Zeit mit sich, dass diese Dinge leider leider auf der Strecke bleiben und man auch auf Mainstream gehen muss, im Unternehmensinteresse. Dass man auch mal den Weg des Ehrbaren Kaufmanns verlässt, weil im Unternehmensinteresse andere Ansätze schlagender sind." (Quelle: Anonymisierte Interviews mit 30 Spitzenmanager deutscher Großkonzerne. Zitiert in: "Das Verantwortungsverständnis deutscher Spitzenmanager", UVK 2013)
Warum?
Über das eigene Verständnis von Verantwortung zu reden, war für die Manager interessant. Aber das ist eine persönliche Sache für sie. Denn im Arbeitsalltag ist dafür kein Platz. Das Gespräch kam vielen als Möglichkeit zur Selbstreflexion gelegen. Über Verantwortung nachzudenken - dafür gibt es in Konzernen meiner Meinung nach zu wenig Raum. Die Manager an der Spitze machen das Thema nur mit sich selbst aus.
Das ist ein wenig erschreckend.
Es gibt nur äußerst selten einen Gegenpart, der dabei hilft, die eigene Verantwortung zu hinterfragen. Das wird maximal mit der Ehefrau offen besprochen. Manche Manager haben zwar einen Mentor. Ein Gesprächspartner hat aber offen gesagt, dass er mit dem nur die nächsten Karriereschritte bespreche.