Interview mit Andreas Nolte, CIO Allianz Deutschland
Was die Allianz Deutschland im Silicon Valley gelernt hat
Wie gehen Sie bei solch selbständigen Teams mit Governance-Themen um? Jemand muss entscheiden, welche Daten in die Cloud gehen, welche APIs offengelegt werden, mit welchen Partnern man zusammenarbeiten darf und vieles mehr.
Andreas Nolte: Wir öffnen uns an der Stelle ganz bewusst. Wir sind in Kontakt mit vielen Startups aus der Fintech- und Insurtech-Szene, mit denen wir manchmal eng zusammenarbeiten. Allianz Deutschland ist mit seiner über 125-jährigen Firmengeschichte historisch eher ein Unternehmen, das nach innen gerichtet war. Doch jetzt sind wir im Zeitalter der Digitalisierung angekommen, es geht ums Lernen und um Partnerschaften. Deshalb müssen wir uns öffnen und unser Wissen durch Partnerschaften komplettieren.
Zur Backend-IT: Ein Unternehmen wie die Allianz hat jede Menge Legacy-Altlasten mitzuschleppen, Mainframe-Anwendungen, vielleicht schlecht dokumentiert - wie werden Sie damit umgehen? Planen Sie einen Befreiungsschlag?
Andreas Nolte: Wir sind schon seit 2007 dabei, unsere Legacy-Systeme zu erneuern. Das Zielsystem ist eine Eigenentwicklung, das Allianz Business System (ABS). Wir implementieren es in mehreren Wellen. Als erstes haben wir mal eine einheitliche Kundensicht geschaffen. Einen Kunden finden Sie in diesem System nur noch genau einmal, eindeutig identifiziert.
"Es geht um die Migration von 42 Millionen Verträgen"
Vorher hatten wir Spartensysteme für die Silos Lebens-, Sach- und KrankenversicherungenKrankenversicherungen im Einsatz. Wir sind jetzt in mehreren Wellen dabei, die Verträge, die wir noch in den Legacy-Systemen haben, nach ABS zu migrieren. Dann werden wir die Legacy-Systeme abschalten. Wir sind jetzt bei rund 19 Millionen Verträgen, die wir im Zielsystem haben. In Summe geht es um die Migration von 42 Millionen Verträgen. Top-Firmen der Branche Versicherungen
Hätte für diese Anforderungen keine Standardsoftware zur Verfügung gestanden?
Andreas Nolte: Wir haben uns ganz bewusst für eine eigene Lösung entschieden. Etwas Vergleichbares gibt es auf dem Markt nicht. Damit sind wir bisher auch sehr gut gefahren. Wir können die Funktionen, die wir brauchen, selber beisteuern und sind technisch in der Lage, alle 14 Tage Updates zu machen. Wir haben Tarifierungs-Services, die wir extern dazukaufen und dann damit verbinden, so dass wir sehr flexibel sind, was Änderungen angeht.
Als ich 2007 auf Veranstaltungen vorgestellt habe, was wir mit ABS vorhaben, ist das oft mit einem Stirnrunzeln aufgenommen worden. Inzwischen beschäftigen sich auch andere mit dem Aufräumen ihrer Backend-Systeme aus den 70er, 80er und vielleicht Anfang der 90er Jahre. Die Kollegen, die sich damit noch auskennen, gehen langsam in Rente. Es wird immer schwieriger, solche Altsysteme am Laufen zu halten oder gesetzlich notwendige Anpassungen vorzunehmen.