Familie und Beruf
Wenn die Arbeit die Liebe frisst
Verlierer dieser Entwicklung ist die Stabilität von Beziehungen und Familien. Das allein muss man nicht generell bedauern. Den vielen unglücklichen Ehen des bürgerlichen Zeitalters, die nur durch ökonomischen Zwang zusammengezwungen blieben und Millionen gescheiterter Schicksale erzeugten, sollte niemand nachtrauern. Und auf den Gewinn der Frauen an persönlicher Freiheit und finanzieller Unabhängigkeit will sicher niemand mehr verzichten, auch die Männer nicht.
Was man sehr wohl bedauern kann, ist der generelle Bedeutungsverlust von Liebe und Familie in einer Gesellschaft, die für beide Geschlechter keinen anderen Lebensentwurf mehr akzeptiert als lebenslange Erwerbsarbeit und kein anderes Lebensziel als beruflichen Erfolg.
Berufliche Opfer für die Liebe
Anerkennung anderer Menschen gewinnt man in der heutigen Gesellschaft in erster Linie für berufliche Leistungen. Die Achtung vor familiären "Leistungen", vor allem die für Mütter, ist entwertet. In wenigen Jahrzehnten hat hier ein radikaler und fataler Wertewandel stattgefunden. Keine Kinder zu haben, war noch vor wenigen Generationen ein Makel, vor allem für Frauen, für die es keine andere Anerkennungsquelle gab.
Heute ist es umgekehrt: Bekommt eine Frau Kinder und gibt dafür zeitweilig das Arbeitsleben auf, gewinnt sie nicht Anerkennung, sondern droht sie zu verlieren. Der Arbeitgeber und zunehmend auch die öffentliche Meinung üben Druck aus, so bald wie möglich wieder zu arbeiten. Sie vermitteln der Frau dadurch das Gefühl, dass ihre Mutterschaft eine leidige Unterbrechung von etwas wichtigerem ist. Viele Mütter, das zeigt die Studie von Wimbauer, fühlen sich "abgeschnitten" von Anerkennung. Mütter von vielen Kindern werden allenfalls bemitleidet. Das fehlende Sozialprestige von Elternschaft ist eine verhängnisvolle Krankheit unserer Gesellschaft.