Familie und Beruf

Wenn die Arbeit die Liebe frisst

04.12.2024
Von Ferdinand Knauß

Die Falle der Anerkennung

Liebe und Familie werden im Leben vieler Menschen durch das Selbstverwirklichungsversprechen der modernen Arbeitswelt zur Nebensache degradiert oder zu einer professionellen Team-Beziehung umgewandelt. Wimbauer nennt das die Anerkennungsfalle: Die "Liebe" der Arbeit, also durch Leistung erworbene Anerkennung, soll die Liebe eines Partners ersetzen. Das erscheint sehr viel unkomplizierter und risikoärmer. Der Versuch ist zum Scheitern verurteilt. Denn Liebe wird eben gerade nicht durch Leistung erworben, sondern bedingungslos. Im Berufsleben ist jeder ersetzlich. Aber wer wirklich geliebt wird, ist für den Liebenden nicht zu ersetzen. Und genau darum ist Liebe so unendlich kostbar und erstrebenswert.

Arbeit ist ein Segen. Sie schafft nicht nur die materiellen und immateriellen Grundlagen des Lebens, sondern auch die Anerkennung, nach der Menschen als soziale Wesen streben. Aber Arbeit kann auch ein Fluch werden, wenn ihrem Selbstverwirklichungsversprechen das Liebesglück geopfert wird.

Den Fluch kann man aber bannen. Niemand zwingt uns, in die Anerkennungsfalle zu tappen. Das Mittel der Wahl ist alt und seit Jahrtausenden bewährt: Es ist die Kardinaltugend der Mäßigung. Im bürgerlichen Zeitalter mussten Männer und Frauen das richtige Maß zwischen Arbeit und Liebesleben nicht suchen, es war vorgegeben: Er war für die Arbeit zuständig, sie für die Pflege der Liebe. Heute müssen beide gemeinsam das Gleichgewicht auspendeln. Und das wird sich nicht einstellen, wenn beide ihr ganzes Gewicht in die Waagschale der Arbeit legen. Das heißt nicht unbedingt, dass Beruf und familiäre Aufgaben exakt aufgeteilt sein müssen. Vielleicht ist schon viel erreicht, wenn die Anerkennung für familiäre, nicht berufliche Arbeit des anderen wächst.

Tom und Violet machen es am Schluss des Films vor. Sie haben gelernt. Für ihre Liebe bringen sie berufliche Opfer. Beide. Sie hat ihre Psychologie-Professur in Michigan aufgegeben, er ist bereit, sein mobiles Tacco-Schnellrestaurant mitzunehmen - wohin auch immer. Und dann heiraten sie mit fünf Jahren Verspätung doch noch. (Quelle: Wirtschaftswoche)

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