Unternehmenskultur macht den Unterschied
"Wer für Geld kommt, geht auch für Geld"
Das unterscheide die heutige Situation vom vergangenen Nachfrageboom nach Bewerbern in 2001 und 2002. Der Vorstand des Münchener IT-Beratungs- und -Servicehauses Syngenio Michael May bestätigt dies: "Wir haben im Jahr 2001 die gleichen Kandidaten gesucht wie im Jahr 2008." Der Verantwortliche für Personalentwicklung, der voriges Jahr aus 800 Bewerbungen 15 Kandidaten auswählte, betont, dass kleinere Unternehmen vor allen Dingen den exakt "Richtigen" suchen. "Wir können nicht so viel Unterschiedlichkeit brauchen wie große Unternehmen."
Generalisten schwer zu finden
Sebastian Amtage, Geschäftsführer von b.telligent, einer Unternehmensberatung für das Daten- und Informations-Management aus Garching bei München, konkretisiert: "Die Hauptschwierigkeit ist, Generalisten zu finden." Die Bewerber benötigen technisches Wissen, Kommunikationsstärke und schnelle Auffassungsgabe, aber nicht unbedingt spezifische Modul- oder Programmkenntnisse: "Die Entwicklung von einer Technik in die andere ist immer möglich", erklärt der Manager. Syngenio-Vorstand May ergänzt: "Wenn ein Bewerber eine Jugendgruppe geleitet hat, dann lässt sich daraus schließen, dass er mehr Erfahrung für Projekt- und Kundenarbeit mitbringt als jemand, der weder links noch rechts geschaut hat."
Umgekehrt können schlecht strukturierte oder schlampige Bewerbungsunterlagen einen Bewerber aus dem engeren Auswahlkreis ausschließen, selbst wenn der Inhalt stimmt: "Wie will einer ein Projekt effizient leiten, wenn er es nicht einmal schafft, eine ordentliche Bewerbung abzugeben?", fragt Berater Amtage. Trotzdem sind viele Personalverantwortlichen auch zu Kompromissen bereit. So wird etwa auf den Auswahlfilter Einser- oder Zweier-Abschluss, auf die Rechtschreibprüfung oder den Auslandsaufenthalt verzichtet. Eine wichtige Rolle spielt hingegen, was im Lebenslauf steht. May: "Das wichtigste Merkmal für uns ist die Authentizität; es ist eine Frage der gesamten Story eines Bewerbers." Das heißt, "auch Umwege sind okay, sie müssen sich nur erschließen", betont Carsten Ackermann von Accenture.
Branchenwissen immer wichtiger
Was sich im Vergleich zu früher verändert hat, ist das Thema Domänen- beziehungsweise Branchenexpertise. Theobald von BTC: "Vor fünf oder sechs Jahren hat es ausgereicht, Spezialisten zu finden, heute sind das Prozesswissen und das Branchen-Know-how bei der Mitarbeiterauswahl von großer Bedeutung." Besonders in größeren Unternehmen wie der BTC AG, die sich in der Automotive-, in der Versorgerbranche oder im Public-Sektor bewegt, werden Bewerber mit Branchenexpertise gesucht. Dabei gibt es immer wieder Überraschungen: Als BTC eine neue Stelle mit Kenntnissen über Geo-Informationssysteme ausschrieb, bewarb sich eine Geologin, die "über sehr gute SAP-Kenntnisse verfügt". Das zeigt, dass eine gezielte Suche nach Talenten in Studienrichtungen, die sich nicht auf Anhieb mit IT verbinden lassen, ebenfalls auszahlen kann.
Virtueller Headhunter sucht Personal
Allerdings greifen Bewerber heute nicht mehr beim erstbesten Angebot zu. Unternehmen sind "gezwungen", mit interessanten Randbedingungen ambitionierte Bewerber zu ködern. "Wer attraktive Bewerber will, muss selbst attraktive Bedingungen bieten", drückt sich BTC-Mann Theobald aus und ergänzt: "Allerdings darf der Fokus hier nicht auf rein monetären Anreizen liegen, denn wer für Geld kommt, der geht auch für Geld." Tatsächlich geben sich IT-Unternehmen immer mehr Mühe, den Bewerbern ins Auge zu fallen. Auf ihren Websites bemühen sich die Dienstleister deshalb, mit potenziellen neuen Mitarbeitern auf neuen Wegen Kontakt aufzunehmen.