Public IT


Projekt Viva - Pro

Wie Bayern sein HR-Projekt stemmt

Jürgen Mauerer ist Journalist und betreibt ein Redaktionsbüro in München.

1. Standardisierung ist besser als eine Individuallösung

Parallel zu den Vorschlägen des Rechnungshofs beschloss die Bayerische Staatsregierung im Rahmen der E-Government-Initiative die Einführung und Weiterentwicklung von ressortübergreifenden Anwendungen (Basiskomponenten). Gleichartige Verwaltungsabläufe in den Ressorts sollten durch einheitliche, zentral verantwortete Verfahren unterstützt werden.

Für die Personal- und Stellenverwaltung fiel die Wahl auf eine Standardlösung von SAP, damals in der Version R/3 4.7 (für das Projekt "Viva"). Mit diesem System hatte das Finanzministerium in den Jahren 2003 bis 2005 schon die Bezügeabrechnung für alle Beschäftigten des Freistaats modernisiert. "Eine Standardlösung mit zentraler Verwaltung ist langfristig wirtschaftlicher und effizienter als eine selbst entwickelte Individuallösung", begründet Finanzstaatssekretär Pschierer die Entscheidung.

2. Ausführliche Konzeption hilft, den Kostenrahmen einzuhalten

Nach dem Auftrag für die bayernweite Einführung des SAP-Personalwirtschaftssystems entwickelte Hofmeister mit seinem Team innerhalb von zwei Jahren ein ausführliches Vorgehenskonzept - eine Mammutaufgabe. Schließlich waren unterschiedlichste Bereiche abzudecken:

  • Fachkonzepte mit Prozessen und Lösungen für Personalverwaltung, Stellenhaushalt und Organisations-Management,

  • Pläne für die Datenmigration,

  • Auswertungskonzepte für die einzelnen Ressorts,

  • ein Schnittstellenkonzept (für Zugangsberechtigungssysteme, Zeitwirtschaftssys-teme etc.),

  • ein technisches Konzept (Server-Landschaft, Vernetzung) sowie

  • ein Berechtigungskonzept oder Testkonzept zur Qualitätssicherung.

Am Ende der Konzeptionsphase stand ein Einführungs- und Aufwandsplan mit der Einschätzung der benötigten personellen und finanziellen Ressourcen. "Wir lagen am Ende bei den Kosten komplett im Plan", beteuert Hofmeister, "das lag daran, dass wir uns bei der Konzeption genügend Zeit gelassen haben." Der detaillierte Einführungs- und Aufwandsplan bildete die Grundlage für den zweiten Beschluss des Ministerrats und den Projektauftrag an das Finanzministerium im Mai 2007.

3. Strenge Qualitätssicherung zahlt sich am Ende aus

Bei jedem Teilkonzept folgte zum Abschluss ein formales Review der Ergebnisse durch Mitarbeiter aus den jeweiligen Ressorts, die nicht an der Ausarbeitung des Konzepts beteiligt waren. Fragen waren unter anderen: Ist das Konzept in sich schlüssig? Fehlen Funktionen, die für konkrete Anwendungen in den Ressorts notwendig sind? Sind die Prozesse richtig dargestellt? Gab es Kritikpunkte, so musste das Projekt das Konzept überarbeiten. Die Qualitätssicherung dauerte auf diese Weise vier Monate.

4. Die Ängste der Betroffenen sind ernst zu nehmen

Das Kern-Projektteam setzte sich aus Mitarbeitern des Finanzministeriums zusammen. "Maßgebend für den Erfolg war aber, dass wir in permanenter Abstimmung mit den Kollegen aus den einzelnen Ressorts standen und die Veränderungsängste der Betroffenen ernst nahmen", geht Hofmeister ins Detail. Zu diesem Zweck erstellte das Team ein Akzeptanz-Management-Konzept mit detailliertem Kommunikationsplan und Betroffenheitsanalysen. Dazu zählte auch eine Übersicht, welches Ressort mit welchem Mitarbeiter in welcher Projektphase beteiligt sein würde.

5. Rücksichtnahme verringert das Einführungsrisiko

Auch bei der Einführung des neuen Systems und dem Abschalten des bestehenden proprietären Systems nahm das Projektteam Rücksicht auf die Anforderungen und Wünsche der Ressorts. Durch enge Abstimmung der Termine mit den Nutzern beziehungsweise Endanwendern ließ sich das Einführungsrisiko verringern.

6. Feste Termine empfehlen sich schon in der Konzeptphase

Hofmeister und sein Projektteam gingen bereits in der Konzeptionsphase projektmäßig vor: Sie bauten Ansprechpartner in den Ressorts auf, dokumentierten die Ergebnisse der Workshops und setzen die Konzepte anschließend in Einzelprojekten um. Darüber hinaus wurden die Termine knallhart festgesetzt.

"Die Termintreue für die Projektarbeit war anfangs in den Ressorts nicht vorhanden; wir mussten hier teilweise Verständnis wecken", so Hofmeister. Die Projektsitzungen waren eng getaktet: Alle zwei Wochen gab es Jour fixes mit den Projektleitern und Teil-Projektleitern; monatlich fanden Treffen mit den Ressorts statt. Hinzu kamen etliche Sitzungen mit dem Lenkungsausschuss unter Vorsitz von Ministerialdirigent Rainer Bauer, der die grundlegenden Entscheidungen für den operativen Prozess traf.

7. Kein Big Bang, sondern ein gestaffeltes Vorgehen

Im ersten Schritt wurde das SAP-System zur Bezügeabrechnung (Projekt "Viva") und zur Personalverwaltung ("Viva-Pro") im federführenden Finanzministerium eingeführt. Anschließend folgten kleinere, weniger personalstarke Ressorts, die mit der Personalwirtschaft in das Viva-Verfahren integriert wurden.

Ressorts mit vielen Anforderungen und großen Personalbereichen wurden eher nach hinten geschoben, damit sie von den Erfahrungen bei der Einführung in kleineren Ressorts profitieren konnten. Zudem gab es Beschränkungen bei der technischen Datenübertragung (pro Wochenende maximal 45.000 bis 50.000 Personaldatensätze) und dem Umfang der Schulungen. Das alles legte eine schrittweise Einführung nahe.

8. Schulungen sind keineswegs Nebensache

Bei den Schulungen setzte das Projektteam ausschließlich auf eigenes Personal. Die festen Dozenten des Landesamts für Finanzen erhielten jeweils einen Co-Dozenten aus dem Ressort zur Seite, in dem das neue SAP-System gerade eingeführt wurde. Letztere waren Power-User, die oft bereits beim alten System eine Mentorenrolle übernommen hatten und so die Brücke zwischen den beiden Systemen schlagen konnten. Entsprechend hoch fiel die Akzeptanz bei den Endanwendern aus.

9. Wichtig: ein aktives Risiko-Management und zeitliche Puffer

Bei der Zeitplanung achtete das Projektteam auf genügend große Puffer, um auf unvorhersehbare Ereignisse (Personalveränderungen, SAP-Release-Wechsel, gesetzliche Änderungen) reagieren zu können. Zudem gab es ein eigenes Risiko-Management-Konzept mit frühzeitiger Auswirkungsanalyse. "Damit konnten wir Projekttermine rechtzeitig anpassen und an alle betroffenen Stellen kommunizieren; Veränderungen trafen uns dadurch nicht so hart", sagt Hofmeister.

Im Lauf der Jahre gab es zwei einschneidende externe Ereignisse, die das Projekt in seinem Ablauf verzögerten. Zum einen vollzog SAP 2008 den Release-Wechsel von R/3 4.7 auf das damals aktuelle Release ERPERP 6.0. Derzeit ist wieder ein Upgrade in der Umsetzung: auf die Version ERP HCM 6 EHP 6. Alles zu ERP auf CIO.de

Zum anderen wurde zum 1. Januar 2011 das Neue Dienstrecht in Bayern eingeführt. Es brachte Gesetzesänderungen auf allen beamtenrechtlichen Gebieten (Laufbahnrecht, Besoldungsrecht, Versorgungsrecht) mit sich.

10. Erfolgreiche Datenmigration erfordert viel Vorbereitung

Eine besondere Herausforderung bei der Umstellung auf das neue SAP-System war die extrem große Datenmenge. Das Projektteam musste mehr als 300.000 Personalstammdatensätze mit rund 11,5 Millionen Einzeldatensätzen (zum Beispiel Schulbildung, Geburtsort, beruflicher Werdegang und Qualifikation) in das System migrieren, ohne dabei die monatliche Bezügeabrechnung zu gefährden.

"Wir haben sehr viel Aufwand in die Vorbereitung der Datensätze gesteckt, um die Fehlerquote gering zu halten", blickt Hofmeister zurück: "Die funktionierende Datenmigration war wohl einer der wichtigsten Bausteine für den Projekterfolg." Das ist durchaus plausibel. So scheiterte das eingangs erwähnte SAP-Projekt in Kalifornien offenbar auch oder sogar vor allem an der fehlerhaften Übertragung der Daten in das System.

In Bayern wurde dem vorgebeugt: Hier löschten die Mitarbeiter des Teams beispielsweise Daten-Doubletten aus den Vorgängersystemen, ergänzten bei Bedarf Daten, um sie sauber übernehmen zu können, oder vereinheitlichten Wertelisten. Zudem ließen sich in Massentests ermittelte Fehlerquellen später bei der produktiven Migration weitgehend ausschalten.

11. Das Berechtigungskonzept liegt besser in einer Hand

Die Vielzahl der eingebundenen Dienststellen mit insgesamt mehr als 5000 Nutzern des SAP-Systems erfordert ein ausgeklügeltes, rollenbasierendes Berechtigungskonzept. Je nach Rolle haben die Mitarbeiter nun Zugriff auf die Daten aus ihren Ressorts oder aber ihrer Organisation. Für die technische Einrichtung und Zuordnung der Rollen ist zentral das Landesamt für Finanzen zuständig. Von daher dürfte auch der DatenschutzDatenschutz durchgängig gewährleistet sein. (Computerwoche) Alles zu Datenschutz auf CIO.de

Zur Startseite