Strategien


Digitale Transformation

Wie VW, Daimler und BMW zu digitalen Champions werden wollen

Wolfgang Herrmann ist IT-Fachjournalist und Editorial Lead des Wettbewerbs „CIO des Jahres“. Der langjährige Editorial Manager des CIO-Magazins war unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO sowie Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Deutschen Automobilkonzernen fällt es schwer, den Umbau zur Digital Car Company voranzutreiben. Dennoch ziehen die Verantwortlichen für die digitale Transformation alle Register.

Der Abgasskandal ist für VolkswagenVolkswagen noch längst nicht ausgestanden. Doch hinter den Kulissen arbeitet der Konzern noch an ganz anderen Baustellen. in den vergangenen zwölf Monaten stellten die Wolfsburger viele Weichen Richtung DigitalisierungDigitalisierung. An drei Standorten sollen sogenannte Future Center an Digitalisierungsthemen arbeiten; eine Kooperation mit dem amerikanisch-israelischen Uber-Konkurrenten Gett soll dabei helfen, aus VW einen Mobilitätskonzern zu machen. Top-500-Firmenprofil für Volkswagen Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Erste Veränderungen gibt es auch bei den IT-Budgets. Etwa 200 Millionen Euro schichtet das Management aus den Etats für die klassischen IT-Abteilungen in die Entwicklung neuer digitaler Technologien um. Seit November 2015 hat Volkswagen mit Johann Jungwirth auch einen Chief Digital Officer an Bord.

Volkswagen-CDO Johann Jungwirth: „Das Self Driving System wird das nächste große Ding.“
Volkswagen-CDO Johann Jungwirth: „Das Self Driving System wird das nächste große Ding.“
Foto: clausdick.com

Auf dem carIT-Kongress im Rahmen der Messe IAA Nutzfahrzeuge in Hannover erklärte Jungwirth, ein ehemaliger Apple-Manager, wie er sich die digitale Zukunft der Branche vorstellt. Wenig überraschend sprach er von der "Disruption" in der Automobilindustrie, die Volkswagen "sehr ernst nehme." Ganz im Stile eines CDO spannte er den großen Bogen und nannte zunächst die drei "Megatrends" Nachhaltigkeit, Urbanisierung und Digitalisierung, die zu den massiven Veränderungen führten. Das Thema Nachhaltigkeit etwa gewinne durch die zunehmende Elektrifizierung der Fahrzeuge an Bedeutung, die Urbanisierung werde gestützt durch Konzepte wie Shared Mobility oder Transportation on Demand.

Die wichtigsten Treiber der Digitalisierung in der Automotive-Branche sind für Jungwirth Connectivity und Autonomie. Hinter letzterem Begriff verbirgt sich das große Thema autonomes Fahren. Der CDO ist sich sicher: Das "Self Driving System" (SDS), das autonome Fahrzeuge künftig nutzten, werde "das nächste große Ding, die nächste große Kernerfindung". 90 Prozent der Verkehrsunfälle ließen sich damit künftig verhindern. Jeder Mensch verbringe zudem durchschnittlich 38.000 Stunden seines Lebens im Stau. Diese Zeit wolle man ihm zurückgeben.

Pioniere wie Google oder Uber arbeiteten längst am SDS, so der Manager, natürlich auch Volkswagen. Dennoch müssten gerade europäische Player beim Thema autonomes Fahren "mehr Gas geben". Wie das SDS aussehen wird, ist erst in Umrissen erkennbar. Zu den technischen Ausstattungsmerkmalen gehören laut Jungwirth etwa 360-Grad-Laser-Systeme, Sensoren, eine zentrale Recheneinheit, künstliche Intelligenz und lernende HD-Straßenkarten.

Im Rennen um das Self-Driving-System und neue digitale Services sieht der Manager die Volkswagen-Gruppe gut aufgestellt. Die breite Produktpalette, die alle wichtigen Automobilsegmente abdecke, sei für den Konzern ein Wettbewerbsvorteil. Er sehe Volkswagen künftig nicht mehr als Autobauer, sondern als ein "integriertes Hardware-, Software- und Services-Unternehmen".

Wie genau die Konzernführung den digitalen Transformationsprozess gestalten will, ließ der CDO in seinem Vortrag allerdings weitgehend offen. Von einem kulturellen Wandel, internen Widerständen oder gar einer Roadmap hörten die rund 600 Konferenzteilnehmer nichts. Kritiker wie der Wirtschaftsjournalist und Automobilexperte Mark C. Schneider sind denn auch skeptisch.

In seinem gerade erschienenen Buch "Volkswagen - Eine deutsche Geschichte", schreibt er über Jungwirth: "Mit seinen Visionen einer schönen neuen Mobilitätswelt, in der alle Menschen unfallfrei autonom unterwegs sind und so auch Behinderte beweglicher werden, überfordert er die Beweglichkeit des Unternehmens, dessen Kernmannschaft eben noch in Spaltmaßen dachte."

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