Digitale Transformation der BMW Group
"Wir lösen uns von starren Hierarchien"
Die Digitalisierungsstrategie der BMW Group
Wie sieht die Digitalisierungsstrategie der BMW Group aus?
Jens Monsees: Wir verfolgen grundsätzlich zwei Handlungsstränge: Zum einen die Digitalisierung des bestehenden Ownership-Geschäftsmodells, zum anderen die Entwicklung und den Ausbau neuer Geschäftsmodelle. Letzteren Bereich haben wir mit unserer "Now"-Familie schon erfolgreich in Angriff genommen. Dazu gehören beispielsweise DriveNow, ParkNow, ChargeNow oder ReachNow in den USA. Es gibt eine klare strategische Trennung zwischen dem jetzigen und dem sich entwickelnden zukünftigen Geschäftsmodell.
Welche Handlungsfelder sehen Sie im bestehenden Geschäftsmodell?
Jens Monsees: Wir unterscheiden hier einerseits die Bereiche Kunde und Services, die wir digitalisieren müssen. Dabei geht es um einen ganzheitlichen Ansatz über alle Kundenschnittstellen hinweg. Wir wollen dem Kunden zum passenden Zeitpunkt immer das relevante Produkt über den richtigen Kanal mit dem für ihn passenden Service anbieten.
Die andere Seite betrifft die Digitalisierung des Fahrzeugs. Wir sprechen hier vom Connected Car. Das bedeutet, dass wir zunehmend digitale Services im Fahrzeug anbieten. Beispiele sind Echtzeit-Verkehrsinformationen, Sicherheitswarnungen oder auch die permanente Update-Fähigkeit sämtlicher Devices, die im Auto verbaut sind.
Apple, Spotify, Google - wer kontrolliert die Kundenschnittstelle?
Mächtige Konzerne wie Apple oder Google setzen alles daran, eben diese Schnittstelle zum Kunden zu kontrollieren und am Ende selbst das Geschäft mit digitalen Services zu machen. Wie reagiert BMW darauf?
Jens Monsees: Ich sehe hier ein großes Differenzierungspotenzial für die BMW Group. Unser Ziel ist es gerade nicht, ein originäres Datengeschäft zu betreiben. Die Daten gehören zunächst einmal dem Kunden und sind entsprechend zu schützen. Natürlich wollen wir ihm relevante Angebote aufgrund seines Verhaltens anbieten. Beispiel: Sie fahren im Herbst auf einer Landstraße und die erste Schneeflocke fällt vom Himmel. Die sofortige Meldung aus dem Fahrzeug wäre etwa eine Warnung vor Glätte. Dahinter liegt aber viel mehr. Zum Beispiel könnte man dem Fahrer dazu gleich einen komfortablen Service für einen Wechsel auf Winterreifen anbieten, mit einer Online-Terminvereinbarung und in einer Werkstatt, die auf seinem Weg zur Arbeit liegt. An solchen Themen arbeiten wir, wenn es um fahrzeugnahe Services geht.
Wie gehen Sie mit den vielfältigen digitalen Angeboten etwa von Apple oder Spotify um?
Jens Monsees: Neben den fahrzeugnahen gibt es natürlich erweiterte Dienste. Die Kunden möchten heutzutage ihre digitale Lebenswelt mit ins Fahrzeug nehmen, also beispielsweise Musik hören. Um das anzubieten, muss die BMW Group nun aber nicht so ein Unternehmen kaufen. Es genügt eine standardisierte Schnittstelle für Drittanbieter, um solche Dienste ins Fahrzeug zu bringen. Mir ist wichtig, dass wir dabei agnostisch agieren. Die einen nutzen Spotify, die anderen vielleicht Apple Music. Wir dürfen uns nicht auf einen einzigen Anbieter beschränken. Dort wo die Kundenschnittstelle für uns relevant ist, sprich bei den fahrzeugnahen Services, machen wir die Dinge selbst.
Was bedeutet die Digitalisierungsstrategie für die internen Prozesse der BMW Group?
Jens Monsees: Das ist ein weiteres Handlungsfeld. Wir wollen unsere Prozesse mithilfe von Digitalisierung noch effizienter machen. Da geht es etwa um unsere Produktionsprozesse, Smart Logistics, Industrie 4.0 oder auch um Additive Manufacturing, das auch unter dem Begriff Rapid Prototyping - also 3D Druck bekannt ist.
Multiprojekt-Management statt klassischer Hierarchie
Haben Sie ein dediziertes Budget für Digitalisierungsthemen?
Jens Monsees: Wir haben für das gesamte Thema Digitalisierung finanzielle Mittel vorgehalten. Mit diesen Mitteln arbeiten wir bereichs- und abteilungsübergreifend, also cross-funktional. Wenn wir für ein Thema bestimmte Kompetenzen aus verschiedenen Bereichen brauchen, dann wird dieses Projekt übergreifend mit Experten aus der IT, einem Fachbereich und eventuell einem Support-Bereich ausgestattet.
Wir lösen uns zunehmend von starren Hierarchien und entwickeln ein sehr liquides Multiprojekt-Management. Dabei legen wir zunächst fest, welche Kompetenzen ein Projekt benötigt, sei es Data Analytics oder Cloud Computing, und welche Fachbereiche davon betroffen sind. Viele Digitalisierungsthemen ziehen sich durch mehrere Fachbereiche. Das war übrigens auch eine Überlegung bei der organisatorischen Verankerung der Digitalisierung. Macht nur eine Funktion Digitalisierung? Ich glaube, das wäre der falsche Ansatz. Wir brauchen Digitalisierung in jeder Faser des Unternehmens, also einen ressortübergreifenden Ansatz.
Viele Unternehmen, auch in der deutschen Automobilbranche, sehen in Digital Labs den Königsweg zur digitalen Transformation. Was halten Sie davon?
Jens Monsees: Ich habe solche Labs schon erlebt. Da steht dann ein Kicker im Raum und es herrscht eine ganz coole Loft-Atmosphäre. Aber die entscheidende Frage ist doch: Inwieweit wirkt eine solche Organisation irgendwo da draußen auf das Gesamtunternehmen? Ich plädiere dafür, dass man die digitale Transformation im täglichen "Doing" zusammen mit den Fachbereichen in Angriff nimmt. Natürlich erfordert das auch viele organisatorische Veränderungen. Das cross-funktionale, schnelle, agile und integrierte Arbeiten ist ja eine neue Form, die wir weiter ausbauen wollen.