Digitale Transformation der BMW Group
"Wir lösen uns von starren Hierarchien"
Wie BMW den kulturellen Wandel schaffen will
Geht es um digitale Transformation, prallen nicht nur bei BMW unterschiedliche Kulturen aufeinander: Hier die jungen, agilen Digitalisierer, dort die klassischen IT-Verantwortlichen, die naturgemäß einen Großteil ihrer Ressourcen in einen stabilen IT-Betrieb investieren. Wie gehen Sie damit um?
Jens Monsees: Zunächst einmal hat sich unser Vorstandsvorsitzender Harald Krüger im Rahmen unserer Strategie "NUMBER ONE > NEXT" persönlich des Themas kulturelle Veränderung angenommen. Gemeinsam mit dem Vorstandsteam hat er fünf Kernwerte benannt, die den Rahmen unserer Zusammenarbeit definieren. In Maisach vor den Toren Münchens veranstalten wir über einen Zeitraum von drei Monaten Workshops für 14.000 Mitarbeiter und führen sie durch die verschiedenen Aspekte unserer Strategie. Dabei erklärt der Elektroingenieur unsere neuen E-Antriebe und der Softwareentwickler unsere neuen Dienstleistungen. Viele Manager nehmen wir mit in Diskussionen mit Startups, beispielsweise in Shanghai oder New York und natürlich im Silicon Valley. Wir öffnen uns sehr stark gegenüber den neuen digitalen Arbeitsweisen und integrieren diese Stück für Stück in unsere Organisation.
Welche neuen Werte hat Herr Krüger denn ausgerufen?
Jens Monsees: Es geht um die Werte Verantwortung, Transparenz, Offenheit, Wertschätzung und Vertrauen.
Das sind sehr allgemein formulierte Werte, die nicht unmittelbar auf das Thema Digitalisierung hindeuten.
Jens Monsees: Diese Werte sind mit konkreten Handlungsmaximen hinterlegt und werden entsprechend im Unternehmen transportiert. Sie unterstützen auch die digitale Transformation. Wichtig dabei ist: die Kultur und die Organisation müssen zu den veränderten digitalen Arbeitsweisen passen - Stichwort Agilität, Liquidität und Cross-Funktionalität. Deshalb freue ich mich, dass diese Initiative vom Vorstand getrieben, aber eben auch durch individuelle Trainings vermittelt wird. Es gibt beispielsweise inzwischen einen BMW Group Culture Club, der sehr fruchtbar arbeitet und auch Feedbacks bottom-up an das Topmanagement zurückspielt. Im Unternehmen gibt es eine Aufbruchstimmung und wir wollen dieses Momentum nutzen, um die Digitalisierung auf allen Ebenen voranzutreiben.
- 1. Mobility Service Provider
Die Anbieter von Mobilitätsdienstleistungen werden künftig diejenigen sein, die mit den Kunden in Kontakt treten und auch diejenigen, die den Löwenanteil der Profite einstreichen. Sie werden alles daran setzen, schnell zu wachsen und könnten neue Regeln am Markt etablieren, weil sie ihre Kundenbasis durch Netzwerkeffekte vervielfachen können. Der Wettbewerbsvorteil der Mobility Service Provider wird sich – so die Prognose von Roland Berger – aber vor allem in Algorithmen und intelligenten Plattformen niederschlagen, die den Kunden maßgeschneiderte Mobilitätsangebote „servieren“. - 2. Device Manufacturers
Viele Autobauer könnten künftig zu reinen Device-Herstellern werden. Ihr Geschäftsmodell besteht dann ausschließlich darin, Fahrzeuge zu konzipieren und zu bauen. In diesem Szenario wären die Mobility Service Provider die größten Kunden der OEMs, die ganze Fahrzeug-Flotten leasen oder kaufen. Zwar könnten auch OEMs von Mobilitäts-Dienstleistungen profitieren, allerdings nimmt Roland Berger an, dass nur wirklich starke Marken eine gute Position im Service-Business einnehmen werden können. - 3. Infrastructure Players
Die Anbieter und Betreiber von Verkehrskontrollsystemen, Ladesäulen, Zoll-Systemen und sonstigen konnektiven Infrastrukturen sehen die Berater künftig ebenfalls als relevante Geschäftspartner der Mobility Service Provider. Ganz ähnlich wie die Betreiber von Telekommunikationsnetzen könnte sich ein Markt mit oligopolistischen Strukturen ausbilden. Die Anbieter in diesem Markt werden dafür sorgen, dass die Nachfrage vorhersehbar wird und Routen zu Umweltzwecken automatisch optimiert werden. Die Infrastruktur-Player werden also künftig das Framework definieren, in dem sich die anderen Player bewegen. - 4. Device Component Manufacturers
Unternehmen, die die Hard- und Software für die Devices – also Fahrzeuge – herstellen, bezeichnet Roland Berger als Device Component Manufacturers. Konfrontiert mit dem steigenden Kostendruck bei der Herstellung von mechanischen und elektronischen Komponenten, werden sich diese Unternehmen auf die Felder Software, Halbleiter und Batterie-Technologie spezialisieren, um die Wertschöpfung in diesem Segment zu gewährleisten. - 5. Infrastructure Component Manufacturers
Der fünfte Archetyp der künftigen Autoindustrie könnte – so Roland Berger – künftig zum „Spielplatz“ von Start-Ups werden. Diese neuen Player könnten sich vor allem mit der Zulieferung neuer Technologien – etwa zum Streamen von Daten – etablieren.
Innovation Management bei BMW
Innovationen sind der Schlüssel zu einer erfolgreichen Transformation. Wie treiben Sie das Thema Innovation Management voran?
Jens Monsees: Wir haben zum Beispiel ein neues Format etabliert, das ich "Netzwerk digital" nennen würde. Es verbindet die verschiedenen Unternehmensbereiche der BMW Group, sprich: hier kommen die Themen Kunde, Fahrzeug und Prozesse wieder zusammen. Ich treffe mich dazu jede Woche für zwei Stunden mit Führungskräften aus unterschiedlichsten Bereichen. Dieses Netzwerk arbeitet sehr agil; es bilden sich immer wieder neue Verbindungen, andere werden gekappt, wenn ein Thema abgeschlossen ist. Eine Datenstrategie beispielsweise zieht sich quer durch alle Bereiche.
Müssen Sie dabei nicht auch tief in die Kernprozesse eingreifen?
Jens Monsees: Das tun wir. Wir haben ja unsere großen Prozesse wie zum Beispiel Idea to Offer, den Weg von der Produktidee zum konkreten Angebot an den Kunden. Hier greifen natürlich auch viele Digitalisierungsthemen. Wir arbeiten unter anderem mit Augmented Reality, um ein 3D-Muster eines Fahrzeugs mithilfe einer Brille betrachten zu können, ohne gleich ein physisches Modell aus Ton zu fertigen. Hier hilft uns die Digitalisierung, schneller zu werden und mehr auszuprobieren.
Ein wichtiges Thema dabei ist die Trennung von Software und Hardware. In der Vergangenheit haben wir eine Komponente wie zum Beispiel eine Ölpumpe eingekauft und anschließend mit einem Softwarecode ausgestattet. Heutzutage trennen wir das physische Produkt, sprich die Hardware, von der Software und aktualisieren diese regelmäßig. Remote-Fahrzeug-Updates wird es künftig in allen neuen Fahrzeugen geben - ob nun MINI, BMW oder Rolls-Royce.
Sie sind jetzt seit einem Jahr für die Digitalisierungsstrategie der BMW Group zuständig. Was waren die größten Herausforderungen?
Jens Monsees: Die erste große Aufgabe war im Grunde, die Vision zu schärfen und mit der Ist-Situation abzugleichen. Digitalisierung zieht sich durch sämtliche Bereiche und alle im Unternehmen sind erst einmal hochmotiviert gestartet. Wir haben bei bestimmten Themen wie etwa Analytics gesehen, wo wir noch besser werden können und die Kräfte gebündelt. Heute verfügen wir beispielsweise über einen Spezialisten-Pool, der den Fachabteilungen hilft, kundenrelevante Datenschätze zu heben.
Ein anderer entscheidender Punkt war die Frage, wieviel wir eigentlich in Zukunft selbst machen wollen. Welche Kooperationen müssen wir eingehen? Die BMW Group ist als Unternehmen deutlich offener geworden. Es gibt mehr Schnittstellen nach außen, weil wir die digitalen Welten unserer Kunden im Auto spiegeln. Ich würde behaupten, dass wir in Sachen Connected Car weiter sind als alle anderen klassischen Automobilhersteller. Darauf sind wir stolz und bauen diesen Bereich weiter aus. In Zukunft werden wir immer stärker auf Kooperationen setzen.