Riesenprojekt
BASF baut komplett neue IT-Architektur
- "Wir wollen ein richtig dickes Brett bohren"
- Mit dem Projekt "Next Generation Business Architecture" will der Chemiekonzern näher an die Kunden rücken
- Damit startet das komplexeste Projekt in der Konzerngeschichte
- Der neue Data Integration Layer soll allen Daten im Konzern miteinander verbinden
- Die IT entwickelt sich immer stärker zu einer DevOps-Organisation
Ein Fass Ameisensäure lässt sich nicht so einfach digitalisieren. Und darin besteht ein grundlegendes Problem der gesamten chemischen Industrie: Sie produziert und handelt mit Stoffen, die anders als Maschinen, Autos oder Konsumgüter, nur eine begrenzte Digitalisierungsphantasie wecken. Doch auch wenn es schwierig ist: Der Ludwigshafener Chemiekonzern kommt nicht umhin, seine Produkte in digitalen Kanälen zu handeln und zu vermarkten. Dazu aber muss BASFBASF näher an die Kunden und ihre Bedürfnisse heranrücken. Top-500-Firmenprofil für BASF
Das sagt sich leichter als es sich umsetzen lässt, denn als Hersteller von Chemikalien ist BASF üblicherweise drei bis vier Stufen vom Endkunden entfernt. "Wir wollen neue Business-Modelle aufbauen, bei den wir mehr als nur ChemieChemie verkaufen", sagt der bisherige CIO Wiebe van der Horst. "Wir wollen mit Chemie und Informationen neue Geschäfte entwickeln." Top-Firmen der Branche Chemie
Näher ran an den Kunden: Beispiel Smart Supply Chain
Um sich Endkunden anzunähern, setzt der Konzern beispielsweise auf "Smart Supply Chain", Teil des Projekts "BASF 4.0", wobei sich BASF mit den Lieferketten von Kunden und Lieferanten verbindet. So kann der Chemiekonzern nahezu in Echtzeit auf Daten zugreifen und schneller auf Wünsche und Anforderungen reagieren. So entwickelt sich die bisherige Forecast-basierte Planung hin zu einer bedarfsorientierten Planung für Echtzeitkundenbedarfe.
Dadurch verbessert sich die Zusammenarbeit, wodurch die Bestände optimiert werden und die Lieferzuverlässigkeit steigt. Was für BASF aber noch interessanter ist: Das Unternehmen verschafft sich einen wesentlich besseren Zugang zu den Endkunden. "Als wir die Bereiche Supply Chain und IT zusammengelegt haben, stand dahinter auch die Absicht, dass wir mit neuen digitalen Lösungen die Prozesse besser unterstützen und damit dichter an die Endkunden heranrücken", erklärt der neue CIO Stefan Beck.
Organisatorische Vorarbeiten
Um sich nicht nur mit einzelnen Projekten, sondern im ganzen Konzern besser an den Kundenwünschen auszurichten und zugleich neue digitale Geschäftsmodelle zu kreieren, will die IT jetzt den ganzen großen Wurf wagen: eine durch und durch agileagile IT-Architektur ist geplant. Alles zu Agile auf CIO.de
Organisatorisch hat sich das bereits in dem CIO-Wechsel von Wiebe van der Horst zu Stefan Beck niedergeschlagen. Während Beck die CIO-Aufgaben im November 2017 übernahm, leitet seit Oktober 2017 der bisherige CIO van der Horst das Riesenprojekt "Next Generation Business Architecture". Beide Manager sitzen auch weiterhin in der Geschäftsführung der IT-Tochter BASF Business Services.
Zu Becks zentralen Themen gehörten bisher das Demand-, Innovations- und Portfoliomanagement. Große Teile davon leitet er jetzt auch als CIO weiter. Mit seinen neuen Aufgaben IT-Strategie und Architektur sowie der neuen Rolle von Wiebe van der Horst geht es laut Beck jetzt um einen weiteren Schritt in Richtung Kundenorientierung. Die CIO-Rolle bekomme eine deutlich stärkere Kundenausprägung, weil große Teile der bisherigen Einheit von Beck mit der strategischen IT-Einheit zusammengelegt worden sei.
Neue IT-Architektur mit SAP S/4Hana
Für den intensiven Kundenfokus steht das von van der Horst geleitete Vorhaben "Next Generation Business Architecture", das als sogenanntes Senior Project bis zur höchsten Führungsebene im Vorstand Sichtbarkeit hat. Es verfolgt zwei Kernziele: Zum einen will die IT zusammen mit BASF-Geschäftsbereichen eine deutlich agilere Architektur schaffen, damit sich die Geschäftsbereiche mit neuen Services besser vom Wettbewerb absetzen können. Zum anderen soll dafür die heutige zentrale SAP R/3-Instanz, auf der 98 Prozent des Konzerngeschäfts läuft, auf SAP S/4Hana migriert werden.
"Das wird das größte Projekt, dass wir bisher gemacht haben und vermutlich auch das komplexeste. Es geht um die gesamte Systemlandschaft, die über Jahrzehnte gewachsen ist und die wir jetzt ins digitale Alter überführen wollen", sagt van der Horst, der 2014 vom CIO-Magazin und der Computerwoche zum "CIO des Jahres" gekürt wurde.
In dem bis dahin größten IT-Konzernprojekt "One" hatte die IT-Organisation alle Systeme auf eine SAP-Instanz vereint. Am Schluss seien rund 4000 Mitarbeiter an diesem Vorhaben beteiligt gewesen, so van der Horst, beim jetzt anstehenden S/4Hana-Projekt könnten es sogar noch mehr werden. "Wir wollen ein richtig dickes Brett bohren, um die DigitalisierungDigitalisierung mit Applikationen und Architektur zu unterstützen", sagt der Verantwortliche. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de
Nach heutiger Planung dürfte die neue Architektur nicht vor dem Jahr 2025 fertiggestellt sein. Das klingt lange und ist es auch. Aber angesichts der Komplexität von über 350 Standorten in mehr als 80 Ländern, 15 Unternehmensbereichen, 114.000 Mitarbeitern und 130.000 Kunden relativiert sich der Zeitraum wieder. Natürlich muss das Tagesgeschäft unbeeinträchtigt weiterlaufen. Auch hier gibt es jede Menge Herausforderungen: So kündigte BASF erst kürzlich an, einen Teil des Saatgut-Geschäfts von der Bayer AGBayer AG für 5,9 Milliarden Euro zu übernehmen und die weltweite Polyamid-Sparte des belgischen Konkurrenten Solvay für 1,6 Milliarden Euro kaufen zu wollen. Top-500-Firmenprofil für Bayer AG
Das Herzstück: der Data Integration Layer
Die zukünftige IT-Architektur soll aus drei Elementen bestehen: SaaS-Lösungen sollen für Commodity-Prozesse eingesetzt werden. Dann wird es einen Kern für Services wie Finance oder Human Resources geben, die BASF als Gesamtkonzern unterstützen. Und schließlich ist ein Data Integration Layer geplant, auf dem alle Informationen aus Bereichen wie Produktion, Forschung und Customer Management zusammenlaufen.
Auf diesem Layer setzen diverse Applikationen auf. "Der Data Integration Layer wird die entscheidende Veränderung im Vergleich zur bisherigen Architektur sein", sagt van der Horst. "Wir verschaffen uns damit die Möglichkeit, alle Daten im Konzern zu verknüpfen und Kunden neue Services zu Verfügung zu stellen."