Aufrüstung beim BND
Der Kleine Bruder will aufholen
Deutsche Geheimdienstler können nur staunen, wenn sie auf ihre Kollegen in den USA blicken. Der amerikanische Geheimdienst NSA verfügt über einen riesigen Apparat und modernste Technik. Etwa 38 000 Mitarbeiter und ein Jahresbudget von rund zehn Milliarden US-Dollar soll die National SecuritySecurity Agency (NSA) haben. Und sie ist nur einer von mehr als einem Dutzend US-Geheimdienste. Alles zu Security auf CIO.de
Die Deutschen sind von solchen Dimensionen weit entfernt. Der Bundesnachrichtendienst (BND) etwa hat gut 6000 Mitarbeiter und ein Jahresbudget von etwas mehr als 500 Millionen Euro. Unzweifelhaft also, wer hier der Kleine und wer der Große Bruder ist.
Auch auf andere Länder schauen die deutschen Geheimdienstler mitunter neidisch, etwa auf Großbritannien. Seit den Enthüllungen des Ex-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden vor einem Jahr ist klar, was die NSA und und der britische Dienst GCHQ technisch alles können.
Der BND will sich in dem Wettbewerb nicht komplett abhängen lassen. Schon länger ist ein Programm zur technischen Aufrüstung im Gespräch. Nun sind Details durchgesickert - ausgerechnet kurz vor dem ersten Jahrestag der Enthüllungen über den unbändigen Datenhunger der NSA.
Wie "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR berichten, will der BND an verschiedenen Stellen digital aufrüsten. Unter anderem möchte der deutsche Auslandsgeheimdienst künftig in Echtzeit soziale NetzwerkeNetzwerke wie FacebookFacebook und TwitterTwitter überwachen, also während die Nutzer dort online sind. Stimmungen in der Bevölkerung anderer Länder sollen so schneller erfasst werden und direkt in BND-Lagebilder einfließen. Alles zu Facebook auf CIO.de Alles zu Netzwerke auf CIO.de Alles zu Twitter auf CIO.de
Der BND selbst äußert sich zu all dem nicht. Sicherheitskreise bestätigen die Pläne aber. Das Vorhaben ist Teil eines größeren Programms, mit dem der BND technisch aufholen will. Es soll bis 2020 laufen und insgesamt rund 300 Millionen Euro kosten.
Oppositionspolitiker können nicht fassen, dass der BND nach dem Auffliegen der NSA-Überwachungspraxis nun an Aufrüstung denkt. "Irrsinn" sei das, sagt Linksfraktionsvize Jan Korte. Seine Partei werde alles dafür tun, das Vorhaben zu stoppen.
Linke und Grüne kritisieren, der BND wolle offenbar eine "deutsche NSA" werden. Und das wollen sie nicht hinnehmen. "Bevor neue technische Möglichkeiten geschaffen werden, muss die Arbeit des BND im Ausland grundsätzlich auf den Prüfstand", sagt der Grünen-Politiker und Geheimdienstexperte Hans-Christian Ströbele.
Der BND ist dafür zuständig, aus aller Welt Informationen zusammenzutragen, die für Deutschland politisch, wirtschaftlich oder militärisch wichtig sind - und er schaut nach möglichen Bedrohungen für die Sicherheit der Bundesrepublik. Der Geheimdienst durchkämmt dazu unter anderem riesige Mengen an Telekommunikation im Ausland: Anrufe, SMS, E-Mails, Chats. Aber nach welchen Regeln eigentlich? Und geschieht das im gebotenen Maß? Diese Fragen stellen sich einige Politiker und Juristen in Deutschland. Die NSA-Affäre hat den Blick für die eigenen Nachrichtendienste geschärft.
Deutsche genießen besonderen Schutz vor Ausspähung durch deutsche Geheimdienste - egal, ob sie im In- oder Ausland sind. Die Hürden für eine Überwachung sind in diesen Fällen hoch. Auch Ausländer dürfen auf deutschem Boden nicht einfach so ausgeforscht werden. Für Ausländer im Ausland gilt das aber nicht.
Einige Staatsrechtler halten das für ungerechtfertigt. Vor einigen Tagen traten im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages mehrere Verfassungsrechtler auf, darunter der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier. Sie mahnten, der BND müsse auch außerhalb Deutschlands Grundrechte achten.
Die Juristen beklagten, der BND arbeite im Ausland weitgehend im rechtsfreien Raum. Eine ausreichende gesetzliche Grundlage fehle - und auch gesetzliche Grenzen. Der Geheimdienst könne nahezu nach Belieben Daten sammeln, speichern und auswerten - ähnlich wie die NSA. Vom BND heißt es dazu, man teile diese Rechtsauffassung ausdrücklich nicht.
Die Grünen verlangen nun, dass die Bundesregierung handelt. Nötig sei eine neue gesetzliche Grundlage mit klaren Grenzen für die BND-Arbeit im Ausland, fordert Ströbele. Wenn die Regierung nichts unternehme, werde seine Fraktion notfalls vor das Verfassungsgericht ziehen.
Die Karlsruher Richter haben demnächst wohl ohnehin mit dem BND zu tun. Ein Berliner Anwalt hatte vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen die BND-Praxis geklagt: Er hält dessen Überwachung von internationalem E-Mail-Verkehr für völlig überzogen und unrechtmäßig und bezieht sich auf das Jahr 2010, in dem sich von 37 Millionen herausgefilterten Mails am Ende nur zwölf als wirklich relevant erwiesen. In Leipzig scheiterte der Anwalt aus formalen Gründen. Er kündigte aber Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe an. (dpa/rs)