Digitalisierung
Die neue Chance für Frauen in IT-Berufen
- Frauen müssen selbstbewusst auftreten
- Die Vereinbarung von Familie und Beruf ist nach wie vor schwierig
Die Zahlen ändern sich seit Jahren kaum. So sind die Geschäftsführungen von IT-Unternehmen zu 94 Prozent männlich besetzt, in anderen Branchen mischen doppelt so viele Frauen ganz oben mit. Zudem bewegt sich der Anteil der weiblichen Informatikstudentinnen bei rund 20 Prozent - und das seit nunmehr 20 Jahren. Auffallend ist auch, dass es Frauen in der IT-Welt nicht lange aushalten. Knapp ein Drittel der unter 30-Jährigen in der IT sind weiblich, unter den über 45-Jährigen sind es aber nur noch neun Prozent.
Auffällig: Die Zahl der weiblichen Führungskräfte im mittleren Management beträgt 30 Prozent. Das sind Ergebnisse einer Studie der MINT-Initiative (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) der Bundesregierung, die Ende vergangenen Jahres auf dem nationalen IT-Gipfel in Berlin vorgestellt wurden. Ziel dieser Initiative ist es, mehr Frauen für naturwissenschaftliche Berufe zu interessieren. Wie nun der Alltag weiblicher Führungskräfte in der IT-Industrie aussieht, darüber diskutierten engagierte Vertreterinnen ihrer Zunft Ende Januar im Münchner Verlagshaus der COMPUTERWOCHE.
Zielvereinbarung sorgt für Transparenz
Sandra Babylon konnte zum Beginn der Diskussion gleich einmal eine gute Nachricht verkünden. Die Geschäftsführerin von Accenture berichtete, dass sich ihr Arbeitgeber in großen Schritten dem selbst gesteckten Ziel nähert, den Frauenanteil in der Belegschaft weltweit auf 40 Prozent zu erhöhen. Derzeit liege man bei etwa 30 Prozent. Die Zahl der Top-Führungskräfte soll auf Dauer 20 Prozent ausmachen, heute sei man schon bei 17 Prozent angekommen. Das mit rund 370.000 Beschäftigten weltweit größte IT-Beratungshaus hat dazu eine Menge ausprobiert und wohl auch einiges richtig gemacht, wie das Ergebnis zeigt.
- Die neue Chance für Frauen in IT-Berufen
Mit CW-Redakteurin und Moderatorin Alexandra Mesmer (von links) diskutierten Nicole Cumia (Fraunhofer-Gesellschaft), Miriam Mertens (T-Systems), Lutz Emmelmann und Barbara Kohlhoff (BWI Informationstechnik), Silvia Hänig (Ikom) sowie Sandra Babylon von Accenture. Es ging um die Frage, was Frauen tun können, um in der von Männern dominierten IT-Welt Karriere zu machen. - Lutz Emmelmann, BWI:
"Frauen werden auf jeden Fall vom demografischen Wandel profitieren." - Miriam Mertens, T-Systems:
"Nicht IT ist das Problem, sondern die Strukturen in den Unternehmen." - Sandra Babylon, Accenture:
"Frauenförderung gehört in die Zielvereinbarung von Führungskräften." - Silvia Hänig, Ikom:
"Frauen dürfen sich nicht verbiegen, um der bessere Mann zu sein." - Barbara Kohlhoff, BWI:
"Frauen sollten selbstbewusst und zielorientiert auftreten."
Accenture schreibt die Förderung von Frauen in die Zielvereinbarungen der Vorgesetzten hinein, so Babylon. Sie kann sich an Sitzungen erinnern, in denen Manager vor ihren Kollegen stolz erzählten, wie sie dieses Ziel erreicht hatten und damit beim Topmanagement guten Eindruck hinterließen. "Das motiviert ungemein", meinte Babylon. Zudem könne eine klar formulierte Zielvereinbarung für mehr Transparenz sorgen. Mitarbeiter, in diesem Fall Mitarbeiterinnen, würden nicht nach Bauchgefühl ge- und befördert, sondern nach klar definierten Regeln.
Auch eine verhältnismäßig kleine Maßnahme zeigte bei Accenture große Wirkung. Die Personalabteilung erhielt den Auftrag, alle Stellenanzeigen so zu formulieren, dass sich Frauen besser angesprochen fühlen konnten. Zuvor hatten Mitarbeiterinnen Kritik an den ursprünglichen Stellenangeboten geäußert. Sie sprächen in erster Linie Männer an, da viele typisch männliche Eigenschaften verlangt würden, beispielsweise "Durchsetzungsfähigkeit". Auch wurde viel mit technischen Begriffen hantiert, die Bewerberinnen eher abschreckten.
Daraufhin wurden die Angebote "gegendert" - das heißt es wurden Begriffe berücksichtigt, auf die Frauen positiv reagieren, beispielsweise Team- und Kommunikationsfähigkeit. Sollten in Stellenanzeigen Testimonials zu Wort kommen, wurden dafür nun verstärkt Frauen ausgewählt. Damit ließ sich die Zahl der Bewerberinnen kontinuierlich steigern.
Ganz zufrieden ist Managerin Babylon noch immer nicht, was aber weniger mit ihren Kolleginnen im Unternehmen zusammenhängt als mit der grundsätzlichen Haltung mancher Bewerberin. So sei es in Vorstellungsgesprächen vorgekommen, dass junge Absolventinnen ihre fehlende Bereitschaft zu Geschäftsreisen mit ihrem tradierten Rollenverständnis begründeten. Babylon zitiert aus zwei Vorstellungsgesprächen: "Ich koche abends gerne für meinen Freund", erzählte eine Absolventin, oder "Ich muss meinem Freund die Hemden bügeln, er kann das nicht", die andere.
Selbstbewusstsein ist Trumpf
Eines der Probleme, weshalb Frauen oft nicht so durchstarten wie ihre männlichen Kollegen, ist ihre oft ausgeprägte Zurückhaltung. So berichtete Barbara Kohlhoff, Personal-Managerin beim IT-Dienstleister BWI Informationstechnik, von einem männlichen Bewerber, der die Standardfrage, wo er in fünf Jahren sein wolle, ganz forsch mit Ambitionen auf den Chefsessel beantwortet habe. Männliche Führungskräfte reagierten auf solche Auftritte tendenziell positiv. Deshalb empfiehlt Kohlhoff den Frauen, selbstbewusst aufzutreten und ihre Ziele klar zu formulieren.
Die in München lebende Kommunikationsberaterin und Inhaberin der Firma Ikom, Silvia Hänig, glaubt, das Frauen vor allem authentisch bleiben müssen, um in einem von Männern dominierten Arbeitsumfeld zu bestehen. Viele Frauen verstellen sich, weil sie fürchten, als "zu kompliziert", "zu sensibel" oder als "graues Mäuschen" abgestempelt zu werden. "Frauen müssen begreifen, wie sie ihre natürlichen Stärken in der jeweiligen Situation einsetzen. Und das heißt nicht, sich zu verbiegen, um der bessere Mann zu sein", ist Hänig überzeugt.