Disruption managen
Digitalisierung braucht eine lernende Organisation
Die Disruption ist gar nicht so disruptiv, wie es manche Marktteilnehmer glauben machen wollen. Mit dieser Botschaft stimmte Carlo Velten, Gründer und CEO von Crisp Research, die rund 200 Besucher auf die Konferenz Crisp Perspective Mitte November in Frankfurt ein. Die Gegenwart sei zwar von Veränderung und Beschleunigung geprägt, doch der technische Wandel komme nicht über Nacht, so der Analyst.
Als Beleg führte Velten die Elektroautos von Tesla, die Cloud-Plattform AmazonAmazon Web Services und auch die Kryptowährung Bitcoin an - Technologien, die von ihren ersten Entwicklungsphasen bis hin zu einer gewissen Sichtbarkeit am Markt ein knappes Jahrzehnt benötigt hätten. Alles zu Amazon auf CIO.de
Hype-Cycle dient als fatale Wohlfühlkurve
Neue Technologien entwickeln sich erst einmal langsam, sagte Velten. Erst wenn sie sich als gut und tauglich erwiesen, klettere die weitere Entwicklungskurve exponentiell nach oben. Die Hype-Cycle-Kurve, mit deren Hilfe die Analystenkollegen von Gartner verschiedene auf- und abschwingende Entwicklungsphasen von Technologien beschreiben, charakterisierte er als "Wohlfühlkurve für Enterprise-IT-Entscheider". Sie verleite dazu, sich zurückzulehnen und erst einmal abzuwarten, ob sich neue Techniken behaupteten oder ob sie sich möglicherweise irgendwann ganz in Wohlgefallen auflösten.
Diese Haltung sei aber gefährlich, mahnte Velten. IT-Entscheider liefen Gefahr, technische Entwicklungen zu verpassen. Wichtig sei daher, eine Art Innovation-Management beziehungsweise Technology-Lifecycle- Management innerhalb der eigenen Organisation zu verankern. Damit dies gelingt, plädiert der CEO von Crisp Research für eine "lernende Organisation" als Startpunkt. Dafür brauche es jedoch auch ein Umdenken unter den Verantwortlichen in den Unternehmen. Velten spricht in diesem Zusammenhang von Offenheit, CollaborationCollaboration und Kreativität. Es gelte Freiräume zu schaffen, um sich mit neuer Technik beschäftigen zu können. Mitarbeiter müssten lernen und ausprobieren dürfen. Alles zu Collaboration auf CIO.de
Die Cloud-Komplexität wächst
Crisp erwartet in den kommenden Jahren massive Veränderungen in den Unternehmen durch IT. Allerdings sei es nicht trivial, diesen Wandel zu kontrollieren und in die richtigen Bahnen zu lenken. Velten führt als Beispiel das Thema Cloud ComputingCloud Computingan. Das Bezugsmodell etabliere sich mehr und mehr im Gravitationszentrum der Unternehmens-IT. Gleichzeitig wachse aber auch die Komplexität. Auf den verschiedenen Plattformen gebe es immer mehr neue Dienste und Updates. Alles zu Cloud Computing auf CIO.de
Allein auf der Cloud-Plattform von AWS zählt Velten im laufenden Jahr rund 1500 Updates. Für Kunden erfordere das eine kontinuierliche Beobachtung sowie ein Cloud-Innovation-Management, um den Durchblick zu behalten. "Anwender müssen verstehen, was auf den Cloud-Plattformen passiert."
Während sich die Cloud etabliert hat, zeichnen sich am Horizont weitere Techniken ab, die so manche Spielregel verändern könnten. Velten nennt beispielsweise das Thema Machine LearningMachine Learning (ML). Der Analyst geht davon aus, dass sich ML zu einem integralen Bestandteil digitaler Produkte entwickeln wird. Bis 2020 könnte sich die Technik zum Mainstream mausern. Der Analyst prognostiziert, dass Algorithmen und künstliche Intelligenz (KI) in Zukunft 50 Prozent der digitalen Wertschöpfung ausmachen werden. Alles zu Machine Learning auf CIO.de
Quantencomputing und Neuromorphic Computing
Auch im Umfeld der Compute-Architekturen sieht Velten grundlegende Veränderungen aufziehen. "Die heutigen Computer funktionieren nicht wirklich gut und effizient", meint der Crisp-Chef. Mit neuen Konzepten wie Quantencomputern und dem Neuromorphic Computing ständen bereits neue Ideen vor der Umsetzung - mit teilweise weitreichenden Auswirkungen auf andere IT-Bereiche. Beispielsweise ließen sich mit einem Quantencomputer sämtliche derzeit existierenden Security-Werkzeuge aushebeln.
Die Herausforderung für die IT-Verantwortlichen in den Unternehmen werde in Zukunft vor allem darin liegen, sich aus all diesen Techniken die passenden Bausteine für die eigene Infrastruktur herauszusuchen. "Stackology heißt das Zauberwort", sagte Velten, es gehe um die richtige Orchestrierung beim Digital Platform Design. Dabei spielten Application Programming Interfaces (APIs) eine wichtige Rolle. Deren Zahl wachse immer schneller, beobachtet der Analyst und verweist auf die rund 18.000 derzeit öffentlich verfügbaren APIs. Das mache die Sache allerdings auch immer komplexer und unübersichtlicher.
"Developer werden zum Erfolgsfaktor"
Um den Überblick zu behalten, brauchen die Unternehmen aus Sicht von Crisp Research eigenes Know-how und ausreichende Ressourcen. "Developer werden zum Erfolgsfaktor", glaubt Velten. Es gehe darum, die eigene Plattform mit einer eigenen Mannschaft weiterzuentwickeln, während die grundlegenden Infrastrukturdienste automatisiert betrieben würden.
Im Aufbau der internen Ressourcen liegt aus Veltens Sicht auch der Schlüssel, neue Techniken gewinnbringend einzusetzen. Hier schließt sich für den Analysten zudem der Kreis zum Startpunkt der lernenden Organisation. Wer eigene Fähigkeiten aufbaue, schaffe Vertrauen, das wiederum die Basis für Kreativität bilde, so die Rechnung des Crisp-Chefs. Und die könnte aufgehen, auch wenn es Investitionen brauche, um so eine Organisation aufzubauen. "Die Zeit war noch nie so gut, beim Management nach mehr Geld zu fragen."