Strategien


ServiceNow-CDIO Chris Bedi

"Egal, was – einfach automatisieren!"



Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.

Vor einem Jahr war das Metaverse im Trend, heute spricht niemand mehr darüber. Wird es mit Gen AI ähnlich laufen?

Ich habe mir auch die Frage gestellt, ob Gen AI ein Metaverse-Moment oder ein iPhone-Moment ist. Ich glaube, es ist eher ein iPhone-Moment, nach dem die Dinge nie wieder so sein werden, wie sie waren. Bestes Beispiel ist das für Herbst angekündigte Release von Text to Code: Man schreibt etwas in einfachem Englisch oder Deutsch und es wird eine Workflow-Automatisierung erstellt. Damit experimentieren wir im Moment noch.

Wir nutzen Generative KI auch zur Dokumentation. Da Entwickler und Ingenieure ihren Code nicht gerne dokumentieren, liest die generative KI den Code und erstellt das Dokument - das haben wir bereits im produktiven Einsatz. Außerdem verwenden wir Gen AI, um für Entwickler die Testfälle für ihren Code zu schreiben. Das alles steckt noch in den Kinderschuhen, aber ich glaube, dass Generative AI die Produktivität in punkto Geschwindigkeit deutlich vorantreiben wird.

Und vermutlich auch die Qualität …

Chris Bedi: Ja, ich glaube, der Qualitätsaspekt dauert etwas länger, weil Menschen immer noch den abschließenden Teil erledigen müssen. Als einfaches Beispiel: Wir nutzen Gen AI in der ServiceNow-Plattform, um einen Artikel für die Wissensdatenbank zu erstellen. Dabei denke ich, dass Gen AI dazu 70 oder 80 Prozent beitragen kann, die verbleibenden 20 bis 30 Prozent müssen aber noch Menschen machen. Ich glaube auch nicht, dass Gen AI Ihre Artikel schreiben kann.

Wie reagiert die Belegschaft darauf?

Chris Bedi: Es ist interessant, die Technologie-Leute sind davon begeistert. Die generative KI hat die Vorstellungskraft der Menschen für KI geweckt. KI gibt es schon seit langem. Die Menschen nutzen Modelle des maschinellen Lernens, aber sie konnten sie nicht fühlen und anfassen wie bei der generativen KI. Deshalb ist es jetzt sehr aufregend. Aber viele von uns, die schon länger mit KI arbeiten, sagen: OK, wir arbeiten schon eine Weile mit KI …

… was soll der Hype?

Chris Bedi: Ja, es ist nur eine weitere Sache, aber ich denke, es ist eine sehr gute. Denn eine der Einschränkungen bei der intelligenten Automatisierung bestand in der fehlenden Möglichkeit, die Menschen mit KI vertraut zu machen, ihnen zu zeigen, dass KI ihnen bei einem Problem die beste Entscheidung vorschlagen wird. Ich betrachte künstliche Intelligenzkünstliche Intelligenz als Beschleuniger und die Mitarbeiter in unserem Unternehmens sind sehr begeistert davon. Wir haben sogar ein Portal eingerichtet mit dem Hinweis: "Wenn Sie eine Idee haben, wie Sie KI, generative KI oder eine andere künstliche Intelligenz in Ihrem Team einsetzen können, lassen Sie es uns bitte wissen." Alles zu Künstliche Intelligenz auf CIO.de

Innerhalb der ersten drei Tage haben wir Hunderte von Ideen bekommen. Das zeigt, wie sehr sich die Menschen darauf freuen, dies zu nutzen, und dass sich niemand wirklich davon bedroht fühlt. Die Mitarbeiter verstehen, dass sie in Zukunft nur mehr werthaltigere Arbeit für das Unternehmen leisten - nicht mehr die Routinearbeit.

"Wir müssen die Arbeitslast eliminieren"

Anderes Thema: Mit weniger Mitteln mehr zu erreichen ist momentan eine Vorgabe, die das Management in vielen Unternehmen ausgibt. Ist das die richtige Strategie und wie können CIOs diese umsetzen?

Chris Bedi: CIOs müssen hier vorsichtig sein und Unternehmen insgesamt auch. Es gibt bestimmte Teile der CIO-Organisation, Kernoperationen, Routine-Arbeiten, wo wir mit weniger mehr erreichen sollten und der Weg dorthin ist die intelligente Automatisierung - da stimme ich zu 100 Prozent zu. Wenn man jedoch herauszoomt und sich ein Unternehmen ansieht, das versucht, die Gesamtproduktivität und Effizienz zu steigern, dann müssen Sie tatsächlich mehr Geld in digitale Technologien stecken, nicht weniger Geld, denn in der Regel bringt das mindestens eine zehnfache Rendite auf Produktivität und Effizienz.

Generell müssen wir sehr aufpassen, wenn wir Investitionen in Bereiche kürzen, die wie digitale Technologien die Effizienz steigern können - etwa im Procurement, in der Personalabteilung, in der Lieferkette und bei Dingen, die das Kunden- und Mitarbeitererlebnis verbessern können. Denn wenn man dort nicht investiert, gibt es das Unternehmen vielleicht in zehn oder 20 Jahren nicht mehr, weil der Rückstand immer größer wird. Man muss bei den operativen Routinearbeiten mit weniger Mitteln auskommen, aber mehr in die Dinge investieren, die Skaleneffekte, Effizienz und Umsatzwachstum für das gesamte Unternehmen bewirken können.

Ist es manchmal schwierig, diesen Standpunkt dem Finanzchef oder CEO verständlich zu machen?

Chris Bedi: Nein, bei all der digitalen Transformation in den letzten fünf oder zehn Jahren glaube ich, dass der Rest der C-Suite jetzt wirklich verstanden hat, wie wichtig diese digitalen Technologien für ihre Geschäftstätigkeiten sind. Wir führen auch immer öfter Gespräche mit Managern außerhalb der IT-Abteilung, mit CEOs und CFOs. Dabei geht es um die Notwendigkeit, mehr Geld in die Technologie zu stecken, damit sie die damit mögliche maximale Rendite erzielen können.

Viele Unternehmen, einige von ihnen sind börsennotiert, müssen Hunderte von Millionen, wenn nicht gar Milliarden Dollar an Kosten aus dem operativen Betrieb herausnehmen. Die einzige Möglichkeit, das zu erreichen, und jeder CEO, CFO und Head of Global Business Services (GBO) versteht das, besteht darin, die Arbeitslast zu eliminieren. Das wurde mit OffshoreOffshore gemacht, mit der Verlagerung an einen Niedrigkostenstandort, aber es gibt keinen Spielraum mehr. Wir müssen die Arbeitslast eliminieren, und das bedeutet Intelligent Automation. Ich glaube nicht, dass wir das als Herausforderung sehen. Die C-Suite beschäftigt sich eher mit der Frage, wie sich das Tempo von InnovationInnovation und Automatisierung beschleunigen lässt. Alles zu Innovation auf CIO.de Alles zu Offshore auf CIO.de

Sie haben in den letzten Tagen in Europa, auch in Deutschland sicher viel mit CIOs gesprochen. Was ist das heißeste Thema auf deren Agenda?

Chris Bedi: Das Thema ist sicherlich KI. Und ich denke, wenn sich Menschen mit KI befassen, gibt es drei interessante Charakteristika, wenn KI Intelligent Automation möglich macht. Eine ist: Sie können die Prozesse skalieren, weil die Arbeit nicht mehr von Menschen verrichtet wird - und das fast ohne Marginalkosten. Das ist ein sehr mächtiges Konzept und Menschen erkennen das immer mehr.

Der zweite Punkt: Egal, welches etablierte Unternehmen man nimmt: wenn es wächst und skaliert, neue Abteilungen und Prozesse entstehen, nimmt die Komplexität zu und das Wachstum verlangsamt sich. Aber mit Intelligent Automation ist es das komplette Gegenteil: Es wird immer besser mit der Größe. Der Grund: Es gibt mehr Daten, daher lernt das System schneller und es performt besser.

Die Maschine wird herausfinden, wie man den Prozess verbessern kann - und das deutlich schneller als jeder Mensch.

Ich denke, die Menschen erkennen auch das. Wir haben den Spruch zumindest in der IT - ich komme ja ursprünglich von KPMG Consulting - "Never automate a bad process". Diesbezüglich habe ich meine Meinung geändert: Egal, was für ein Mist es ist - automatisieren Sie es! Die Maschine wird herausfinden, wie man den Prozess verbessern kann - und das deutlich schneller als jeder Mensch. Das ist der zweite Punkt: KI wird mit zunehmender Größe immer besser - was kontraintuitiv mit der Art und Weise ist, wie die meisten Unternehmen normalerweise arbeiten.

Der dritte Punkt: Wird ein Prozess von Intelligent Automation unterstützt, kann er sich mit anderen Ökosystemen verbinden. Wir sehen das in einer Vielzahl von Industrien: Die Menschen müssen sich digital mit andere Ökosystemen verbinden - und ohne AI ist das nahezu unmöglich.

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