Italiens Stolz am Himmel

EU drängt Italien zu Kürzungen bei Alitalia

15.04.2021
Italiens nationale Airline lebt von ihrer 70-jährigen Tradition. Regierungschef Mario Draghi sieht in Alitalia eine Art teures Familienmitglied. Doch reicht das, um die EU von neuen Konzepten zu überzeugen?
Alitalia fliegt in eine ungewisse Zukunft.
Alitalia fliegt in eine ungewisse Zukunft.
Foto: GB-Photographie - shutterstock.com

Die Flieger von Alitalia heben weiter ab, aber ihr Unternehmen steuert in eine ungewisse Zukunft. Die Warnrufe in Italien werden lauter, dass die staatlich verwaltete Traditionsflugline früher oder später am Boden bleiben könnte - trotz aller Rettungsbemühungen mit neuer Struktur und Milliardenzusagen Roms. Die Corona-Flaute im Luftverkehr verschärft den jahrelangen Überlebenskampf der Airline, deren Flugzeuge auch die Nationalfarben des Mittelmeerlandes tragen: Grün, Weiß und Rot.

Anlässlich einer Anhörung in der Abgeordnetenkammer sprachen die vier Transportgewerkschaften am Dienstag von der Gefahr, dass dem Unternehmen "in den nächsten Wochen" das Geld ausgehe. Bereits vorher seien Gehälter gekürzt oder verspätet gezahlt worden. Wütende Alitalia-Mitarbeiter demonstrierten am Mittwoch am Industrieministerium.

Neues Konzept sieht Aufspaltung vor

Vor und hinter den Kulissen laufen Verhandlungen zwischen Rom und der EU-Kommission in Brüssel. Die EU hatte zuletzt mehrfach Millionenhilfen des Staates für Alitalia freigegeben. Jetzt geht um die im Oktober 2020 von Rom angeschobene Neugründung des Unternehmens Italia Trasporto Aereo - abgekürzt ITA. Die EU-Wettbewerbshüter gucken auf das Industriekonzept. Kernidee Roms war nach Medienberichten die Spaltung in eine neue, wettbewerbsfähige Firma und eine Altgesellschaft, in der Schulden und andere Teile bleiben. Mit rund drei Milliarden Euro will der Staat dem Projekt auf die Beine helfen.

Zu den Details kursieren immer neue Zahlen. Es geht um die Flottengröße: Sollen es 45 Maschinen werden oder 52 - wie ITA mal angekündigt hatte - oder rund 95 Flieger wie bisher? Und wie viele der über 10.000 Beschäftigten können bleiben, womöglich nur rund 3.000?

Gestritten wird, wer das Vielfliegerprogramm mit den Kundendaten bekommt, wohin Technik und Wartung wandern sowie um Landerechte am Knotenpunkt in Mailand. Und um die Rechte am alten Namen und am Logo.

EU erhöht den Druck

Die EU will nach italienischen Angaben einen klaren Schnitt, "Diskontinuität" ist das Stichwort. Dazu würde der Erhalt des Namens kaum passen.

Ministerpräsident Mario Draghi, der seit Februar im Amt ist, sagte am 8. April, auch ihm gefalle "die Idee gar nicht, dass sie nicht mehr Alitalia heißen soll". Er sei "fast immer" mit dieser Linie geflogen, berichtete der 73-jährige frühere Chef der Europäischen Zentralbank vor der Presse. "Ich betrachte sie als eine Art Familie, eine etwas teure Familie, aber eben doch Familie."

Für deutsche Branchenexperten zeigt sich an Alitalia ein Jahrzehnte altes Problem: "Politik und Gewerkschaften haben seit jeher viel Einfluss. Der Wandel der Märkte dagegen findet zu wenig Beachtung", sagt Gerd Pontius von der Beratungsgesellschaft Prologis. Damit ist auch der Höhenflug von Billiganbietern wie Easyjet und Ryanair gemeint. "Wenn es nur auf eine abgespeckte Version von Alitalia hinausläuft, dann ist das eine vertane Chance."

Italienische Insolvenzverschleppung

"Die Pandemie hat Auswirkungen auf die Lage der Airline, aber sie ist nicht der Auslöser der Krise bei Alitalia", erläutert der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg. Das sei ein Unterschied zu anderen, vor Corona "gesunden" Gesellschaften, etwa British Airways und Lufthansa. Seit 2002 erwirtschaftete Alitalia keinen Gewinn mehr. Seit 2017 ist die Airline mit ihrer über 70-jährigen Geschichte insolvent.

"In dieser Branche müsste Alitalia so planen, dass man auch im Winter profitabel fliegt, wenn es nicht so viele Reisen gibt. Da könnten sogar 45 Flugzeuge noch zu viel sein", so Schellenberg.

Für die Gewerkschaften dagegen ist eine Halbierung der Flotte ein rotes Tuch. Sie warnen vor einer "Bonsai-Airline". Wenn das neue Unternehmen zu klein starte, habe es im internationalen Markt keine Chance, mahnte Fabrizio Cuscito von der Filt-Cgil in Rom. Es wäre Verschwendung von Steuergeldern, und man stünde in einem Jahr wohl wieder am gleichen Punkt wie heute. (dpa/rs)

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