Nur wenige machen ernst
Flexibler arbeiten
Jeden Montag steigt Roland van Stigt in den Flieger. Vom Flughafen der katalanischen Küstenstadt Barcelona hebt der IT-Manager ab und begibt sich an seinen Arbeitsplatz in der niederländischen Hauptstadt Den Haag - beim Telekommunikationskonzern KPN. Seit vier Jahren ist er im Konzern, seit zwei Jahren die operative rechte Hand des CIO-Programm-Leiters Cees Spaamer. Straff organisierte drei Tage folgen: "Laufend Reviews von den Projektleuten, alle zwei Wochen Meetings in der Steering-Group", beschreibt van Stigt seinen Arbeitsalltag.
Donnerstagabend ist er bereits wieder in der Luft - zurück zu seinen fünf Kindern und seiner Frau in die Wahlheimat Spanien. Hier folgt ein Tag im Arbeitszimmer der ruhigen oberen Etage seines Hauses mit Blick aufs Mittelmeer - und bei guter Sicht bis nach Mallorca. "Dort erledige ich Sachen, für die ich mehr Zeit brauche - die Kontrolle von Buchhaltungs-Excel-Sheets oder den Forecast für das kommende Jahr", sagt der IT-Manager. Van Stigt praktiziert eine Vier-Tage-Woche, auch wenn er sagt: "Im Kopf bin ich immer dabei, stehe 24 Stunden zur Verfügung."
Der Niederländer praktiziert, was viele Führungskräfte wollen, aber nicht für möglich halten. Nach einer Untersuchung des Londoner Chartered-Management-Instituts will jeder dritte Brite gern eine VierTage-Woche, eine festgelegte Jahresarbeitszeit oder zwischendurch ein Sabbatical. Doch nur drei bis vier Prozent der befragten Top-Manager halten dieses Szenario für realistisch. Angela Fauth-Herkner, Leiterin der Münchener Arbeitszeitberatung Fauth-Herkner & Partner, weiß aus Umfragen, dass "ein Fünftel der Führungskräfte in bestimmten Lebensphasen gerne weniger arbeiten will. Viele wünschen sich zudem mehr zeitliche und örtliche Flexibilität. Die besten Ideen kommen Mitarbeitern ohnehin außerhalb der Firma." Eine Kombination aus vielen Modellen sei in den Unternehmen anzutreffen, die sie berät - beispielsweise der Autokonzern BMW, die Berlinwasser Holdings AG, die Kreditanstalt für Wiederaufbau oder die Hypovereinsbank.
Bereits vor sieben Jahren startete die Hypo-Vereinsbank in München mit ihrem Arbeitszeitmodell Fit. In einem mit dem Betriebsrat abgestimmten Konzept einigte man sich zunächst für das Filialgeschäft der Bank darauf, 80 bis 120 Plus- und Minusstunden machen zu können. "Wir haben es in Pilotbereichen gemacht, dann multipliziert - und konnten so auf Marktgegebenheiten besser reagieren als vorher, etwa auf die Stoßzeiten zum Monatswechsel", sagt Personalerin Verena Heines-Mothes, die bei der Hypovereinsbank für Worklife Balance und Diversity-Management zuständig ist. Allerdings höre sie den Wunsch nach Sabbaticals heute "wahrscheinlich aufgrund der Wirtschaftssituation" weit weniger als noch vor wenigen Jahren.
Vier-Tage-Woche als Einstiegsforderung
Ansparen von Überstunden auf einem Guthabenkonto oder der unbezahlte Urlaub werde zwar auch für Manager angeboten, doch nutzten gerade im Bereich der Führungskräfte noch wenige die Chance. Anders die IT-Teamleiterin bei der IT-Tochter HVB Systems Anita Ottl (37). Seit zwei Jahren ist die gelernte EDV-Kauffrau und Mutter einer Tochter (9) als Teamleiterin bei HVB Systems verantwortlich für die Produktionssicherung von Handelsapplikationen und war nach der Geburt ihrer Tochter nur vier Tage in der Firma. "Ich habe schon bei der Bewerbung auf die Teamleiterstelle gesagt, dass mein Arbeitsmodell so aussieht und dass ich dies weiter beibehalten möchte", sagt Ottl, die jeden Montag zu Hause bleibt, aber stets per Handy erreichbar bleibt: Ich lasse mich lieber am Montag ein paar Mal anrufen, als am Dienstag einen Scherbenhaufen vorzufinden." Ottl sieht gute Möglichkeiten im Hinblick auf die Work-Life-Balance im Unternehmen. In ihrem Team arbeiten eine Frau und ein Mann unter den zwölf Mitarbeitern Teilzeit. "Insgesamt machen 20 Prozent der Frauen von dieser Möglichkeit gebrauch", so Personalerin Verena Heines-Mothes - über Männer hat sie keine Zahlen parat.