Blick in die digitale Zukunft
Grenze zwischen IT und Business verschwimmt
Abschied von der einen IT
In Wirklichkeit ist die Situation aber noch komplizierter, denn die Unternehmen sind ja nicht unbeschwert unterwegs. Die IT-Verantwortlichen sollen agil und innovativ sein, das Business optimal unterstützen oder, besser noch, seine potenziellen Anforderungen antizipieren. Auf der anderen Seite sind sie weiterhin für elementare Fragen wie Sicherheit, Verfügbarkeit und ComplianceCompliance verantwortlich - daran ändert sich nichts. Würden sie hier nachlässig, bekäme auch das Business die Folgen zu spüren. Alles zu Compliance auf CIO.de
Deshalb wird es künftig in erfolgreichen Unternehmen nicht nur eine, sondern vielleicht zwei, drei oder sogar mehr unterschiedliche Formen von IT geben. Die eine steht nach wie vor unter der Aufsicht des CIO. Sie gründet auf den traditionellen IT-Systemen und -Applikationen: Sicher, hochverfübar und stromlinienförmig ist sie auf die Verarbeitung großer Datenmengen mit hohem Durchsatz und einer nahezu hundertprozentigen Zuverlässigkeit ausgelegt. Risiko ist hier ein Unwort.
Am anderen Ende der Skala finden sich "schnell drehende" Lösungen mit einem gewissen, kalkulierbaren Risikopotenzial. "In der Vergangenheit haben die CIOs immer versucht, Risiken zu vermeiden - das ist der Blick des Ingenieurs", erläutert Dave Aron, Vice President und Fellow bei Gartner. "Künftig muss sich die IT mehr den Blick des Kaufmanns aneignen und entscheiden, welche Risiken sie eingehen kann oder will."
Diese Art von IT ist näher an den Fachbereichen angesiedelt, zum Teil auch personell mit ihnen verwoben. Doch setzt sie nicht einfach nur deren Ideen um, sondern entwickelt mit ihnen gemeinsam neue Geschäftsmodelle. "Alignment war gestern", so die Gartner-Auffassung. Aus der Rolle des Erfüllungsgehilfen müsse die IT hinauswachsen, wenn sie als Partner des Business wahrgenommen werden wolle. Allerdings werde dieser Teil der IT nicht unbedingt vom CIO verantwortet. Gartner plädiert sogar für den Einsatz eines sogenannten Chief Digital Officer - zumindest als Übergangslösung.
Stabil, transformatorisch, agil
Forrester unterscheidet ebenfalls zwischen zwei Arten oder Rollen der IT. Das Beratungsunternehmen schuf dafür die Begriffe "Systems of Record" (eine funktional orientierte und auf operationale Qualität ausgelegte IT) sowie "Systems of Engagement" (für Lösungen, die sich vor allem mit dem externen Markt auseinandersetzen).
Dazwischen hat Forrester noch eine "transformatorische" IT angesiedelt, die für diese innovativen Lösungen eine Architektur und eine Roadmap entwickeln soll. Hier sind die Fähigkeiten und Fertigkeiten von IT-Profis gefragt, aber ergänzt durch eine in IT-Kreisen bislang ungewohnte Flexibilität und Agilität.
VW Käfer mit Rallyestreifen
So viel zur Theorie. Die Ergebnisse der aktuellen Forrester-Umfrage unter Business-Managern legen aber den Verdacht nahe, dass viele Betriebe auf die Digitalisierung noch nicht vorbereitet sind. Fast alle Befragten gehen davon aus, dass sich ihr Geschäft in den kommenden zwölf Monaten fundamental verändern wird. Doch nur drei Viertel haben eine Strategie, wie sie dieser Veränderung begegnen wollen. Und gerade mal ein Drittel ist davon überzeugt, dies sei auch die richtige Strategie. Etwa 85 Prozent befürchten sogar, dafür gar nicht die Kompetenzen im Unternehmen zu haben.
Nigel Fenwick, Vice President und Principal Analyst bei Forrester, glaubt auch nicht, dass die Unternehmen mit einer angeblichen digitalen Strategie wirklich vorbereitet sind. Oft hätten sie nicht erkannt, worum es eigentlich gehe: "Nur weil man auf FacebookFacebook ist und eine App hat, ist das noch keine digitale Strategie. Genauso wenig, wie Rallyestreifen oder ein Spoiler einen VW Käfer zu einem Rennwagen machen." Alles zu Facebook auf CIO.de
Nicht nur für die Consumer-Welt
Dass die digitale Strategie nicht mit der IT-Strategie verwechselt werden dürfe, wirft Gartner-Fellow Aron ein: "IT-Strategie ist eine technische Antwort auf eine Business-Frage, die digitale Strategie hingegen eine Business-Antwort auf eine technische Frage." Aber wer soll diese Frage stellen? - Das sei gar nicht so wichtig, konstatiert der Marktbeobachter. Wichtig sei nur, dass sie überhaupt gestellt und beantwortet werde.
Die bekannten Beispiele für eine gelungene Transformation des Geschäfts kommen zumeist aus der Consumer-Welt. Da ist der ehemalige Fotofilm-Hersteller Cewe, der heute erfolgreich digitale Fotobücher produziert. Oder auch der Sportartikelproduzent Adidas, dessen Laufschuhe mittlerweile Mikrochips enthalten und voll vernetzt sind. Dass Autos "rollende Computer" seien, ist schon eine Binsenweisheit.
Aber es gibt auch Beispiele aus der Business-to-Business-Welt. Gartner-Analyst Aron nennt hier den schwedischen Kugellagerspezialisten SKF. Das 1907 gegründete Unternehmen habe sich vom Zulieferer zum "Knowledge-Engineering-Partner" gemausert.
- Der Arbeitsplatz von morgen
Videokonferenzsysteme, Collaboration-Tools wie WebEx und Enterprise-Social-Media-Tools wie Yammer werden den Arbeitsplatz von morgen prägen. - Komplexe Arbeitsumgebung:
Selbst ein moderner IT-Arbeitsplatz, der fast ausschließlich auf Microsoft-Produkten basiert, setzt sich aus mehr als einem Dutzend unterschiedlicher Komponenten zusammen, inklusive Cloud-Ressourcen (Azure, Skydrive/OneDrive und Office 365) und Collaboration-Plattformen wie Sharepoint und Lync. - Arbeitsumgebung der Zukunft
Der Mitarbeiter und die Anforderungen, die an ihn gestellt werden, bestimmen künftig, wie seine Arbeitsumgebung aussehen wird. Dies gilt auch für die Arbeitszeiten und den Ort, von dem aus ein Beschäftigter berufliche Aufgaben erledigt. - Datenaustausch in deutschen Unternehmen
Laut einer Studie von IDC nutzen Mitarbeiter in deutschen Unternehmen derzeit noch einfache Tools wie E-Mail und USB-Stick, um Dokumente auszutauschen. Collaboration-Plattformen und Cloud-gestützte File-Sharing-Plattformen gewinnen jedoch an Bedeutung. - Zukunftstrend Gamification
Anwendungen mit Spielelementen wie "Ribbon Hero" von Microsoft sollen Mitarbeiter dazu animieren, sich weiterzubilden oder bessere Leistungen zu bringen. - Social Media im Unternehmen
Der indische IT-Konzern TCS setzt im eigenen Haus Knome ein. Die Plattform kombiniert Social-Media-Funktionen mit Community-Features. - das Smartphone in der Fabrik
Smartphones, Tablet-Rechner und digitale Assistenten werden nach Einschätzung deutscher Firmen auch in der in der Fabrikhalle verstärkt zum Einsatz kommen.
Höhere Preise durch besseren Service
Mit Hilfe berührungsloser Sensoren und mobiler Devices überwacht SKF die Installationen seiner Kunden aus der Ferne. Die Massendaten werden in ein Cloud-basierendes System für prognostische Analyse eingespeist und dort ausgewertet. So lassen sich Schwachstellen in der Kundenumgebung und die Wahrscheinlichkeit von Systemausfällen bestimmen. Im Fachjargon heißt das "proaktive Maintenance". Auf diese Weise rechtfertige SKF nicht nur die gegenüber der japanischen Konkurrenz höheren Preise, so Aron. Zudem habe die Kundentreue zugenommen, und die Mund-zu-Mund-Propaganda bringe dem Unternehmen weiteren Zuwachs.
Manchmal liegen solche Ideen quasi auf der Hand, sie haben bislang nur auf die geeignete Technik gewartet. SKF beispielsweise begann seine ersten Versuche bereits mit Einwahlmodems. In anderen Fällen muss sich das betreffende Unternehmen zunächst ein paar Schritte von seinem bisherigen Standpunkt entfernen, um zu sehen, wohin der Weg wohl führen könnte. Der Seitenblick auf andere Branchen ist laut Aron nicht nur erlaubt, sondern häufig auch zielführend.
Governance light
Am Anfang steht dabei aber immer eine Bestandsaufnahme: Was können wir, und wo wollen wir hin? Welches Ökosystem bedienen wir? Wer sind unsere Kunden, und was wollen sie? Wie können wir deren Erfahrungen verbessern? Aber auch: Wie gelingt es uns, auf diese Weise unsere ökonomische Bilanz zu verbessern? Welche Risiken können, wollen, dürfen wir dafür eingehen?
Erst auf Basis dieser Antworten lässt sich eine digitale Strategie entwickeln. Um sie mit Leben zu füllen, haben einige Unternehmen kleine Gremien aus Business- und IT-Spezialisten ins Leben gerufen, die "Digital Acceleration Center", wie sie im Forrester-Umfeld heißen. Manche Firmen ordnen sogar jedem Geschäftsbereich eine eigene Taskforce zu, die sich die Suche nach und die Umsetzung von digitalen Lösungen zur Aufgabe gemacht hat.
Diese Teams sind selten direkt dem CIO unterstellt; es gibt aber, wie Aron es formuliert, eine "dotted line" zur IT-Leitung. Zudem dürfen sie sich häufig Freiheiten herausnehmen, die mit dem herkömmlichen Verständnis von IT-Governance kaum in Einklang zu bringen sind. "Digitalisierung verträgt kein Übermaß an Governance", kommentiert der Gartner-Analyst.