Nürnberger Versicherung
Kfz-Kunden gezielt binden
"Das war in dem Projekt nachher ein Problem", erzählt Knocke. "In England wird zum Beispiel nicht das Auto versichert, sondern die Person. Wenn Sie eine Person versichern, können Sie natürlich ein sehr viel detaillierteres Risiko-Profil erstellen." In Deutschland scheitert dieser Traum eines jeden Versicherungsmathematikers schlicht am Gegenstand der Versicherung. Anderseits liegen hierzulande historische Daten vor, die wiederum den englischen Kollegen verborgen bleiben, da in Großbritannien alle Kfz-Versicherungen am Ende eines Jahres automatisch auslaufen.
Die Nürnberger mussten das Datenmodell also an den deutschen Markt anpassen und verstärkt mit Fahrzeugdaten arbeiten. Doch auch die geben Auskunft: Bei Autos mit einer hohen Kilometerleistung storniert der Fahrer zum Beispiel seltener als bei Autos, die wenig gefahren werden. "Vielleicht, weil die Versicherungsprämie im Vergleich zum Rest der Kfz-Ausgaben nicht mehr so entscheidend ist", mutmaßt Knocke. Auch der Fahrzeugtyp birgt Information: BMW-X5-Fahrer zeigen sich überraschenderweise genauso beständig wie Corolla-Piloten. "Beim X5 ist die Diebstahlsrate so hoch, dass die Versicherer die nicht mehr gern nehmen", sagt Knocke. Also bleiben die Fahrer lieber bei ihren alten Versicherungen - und die Versicherungen bleiben bei ihren alten Kunden: "Wenn der X5-Fahrer ein Unternehmer ist, dann wollen Sie den nicht gern gehen lassen", sagt Knocke mit Blick auf mögliche andere Versicherungen, die mehr Rendite versprechen.
Unfallversicherungen gehören dazu. Dieser lukrative Bereich des Geschäfts steht denn auch im Mittelpunkt der derzeitigen Aktivitäten. In Juni starten die Nürnberger ihre Suche nach den Storno-Kandidaten in diesem Bereich. Ziel dieses Projektes ist es denn auch herauszufinden, welche Kunden Telefon-affin sind und welche negativ oder gar nicht auf Anrufe reagieren. Bei den Kfz-Stornierern konnte man hierzu bereits erste Erkenntnisse gewinnen: "Reine Call-CenterAktionen haben im Segment der Hoch-Storno-Gefährdeten wenig gebracht", sagt Knocke. "Die höchste Wirkung erzielen Sie im Zusammenspiel von Mailings und persönlichen Besuchen."
Letzteres setzt allerdings voraus, dass auch die Agenten vor Ort Bescheid wissen. Das ist zurzeit noch nicht der Fall. "Die statistischen Verfahren und Systeme sind von einem hohen Reifegrad", sagt Knocke. "Das Problem besteht in der Umsetzung und in der Schulung bei der Nutzung der Daten." Die 130 Mitarbeiter im hauseigenen Call-Center sind mit ihrer selbstgestrickten CRM-Lösung noch nicht angebunden. Von den 30000 Agenten außerhalb Nürnbergs hat noch keiner die Ampel gesehen, die anzeigt, ob ein Kunde zu den fünf Prozent der hoch Gefährdeten gehört, zu den 70 Prozent mit mittlerer Storno-Wahrscheinlichkeit oder zu den 25 Prozent im grünen Bereich. "Dieser Teil ist noch nicht umgesetzt", gesteht Knocke, der den Agenten lieber über Mitarbeiter in Nürnberg mitteilen lässt, wer in die Risikogruppe fällt. Eine reine IT-Lösung würde in diesem Kreis der Nutzer nur auf Ablehnung stoßen, befürchtet er.