Strategien


Globale Infrastruktur

Kühne + Nagel migriert auf Open Source

Holger Eriksdotter ist freier Journalist in Hamburg.
Der Logistikkonzern migriert seine AS400-IT-Landschaft und lässt seine X86-Systeme auf Open Source laufen. Dabei stellt sich die Frage nach der richtigen Balance zwischen zentraler und dezentraler IT.
Gerold Nagel, Head of Global Infrastructure, Kühne + Nagel: "Um eine Open-Systems-Landschaft in großem Stil zu betreiben, muss ich massiv in Prozesse, Standardisierung und Virtualisierung investieren."
Gerold Nagel, Head of Global Infrastructure, Kühne + Nagel: "Um eine Open-Systems-Landschaft in großem Stil zu betreiben, muss ich massiv in Prozesse, Standardisierung und Virtualisierung investieren."
Foto: Kühne + Nagel

Die Anforderungen an Logistikunternehmen sind rasant gestiegen. Immer enger geknüpfte Lieferketten erfordern weltumspannende, ausfallsichere IT-Infrastrukturen mit 24/7-Verfügbarkeit. "Wir haben schon in den 90er-Jahren mit der KonsolidierungKonsolidierung unserer IT-Architektur begonnen - damals allerdings noch auf Basis der IBM-AS400-Architektur", sagt Gerold Nagel, Head of Global Infrastructure bei Kühne + Nagel. Alles zu Konsolidierung auf CIO.de

Inzwischen findet die schrittweise Umstellung auf x86-Systeme mit dem Betriebssystem Linux statt. Dabei sind die offenen Systeme anfangs schleichend ins Unternehmen eingezogen. Gleichsam unter dem Radar der zentralen IT-Administration wurden immer mehr kleine Systeme in nicht kritischen Bereichen als lokal installierte Zusatzfunktionen, Support-Systeme oder im Front-Office eingesetzt.

Der strategische Umzug der Kernsysteme auf Open-Systems-Software bedeutet für Kühne + Nagel allerdings einen weitaus größeren Schritt. Denn anders als in den meisten Branchen und Unternehmen üblich, verzichtet das Logistikunternehmen fast vollkommen auf Standardsoftware. Alle Kernapplikationen - von der Finanzbuchhaltung und dem Controlling bis hin zu den Geschäftsbereichen - sind selbst entwickelt. Eben diese Applikationen müssen deshalb in Java komplett neu geschrieben werden.

Fast keine Standardsoftware

Martin Kolbe CIO, Kühne + Nagel: "Wir haben bei der laufenden Neuausrichtung besonderen Wert darauf gelegt, uns nicht von externen Anbietern abhängig zu machen."
Martin Kolbe CIO, Kühne + Nagel: "Wir haben bei der laufenden Neuausrichtung besonderen Wert darauf gelegt, uns nicht von externen Anbietern abhängig zu machen."
Foto: Kühne + Nagel International

Die Abstinenz von Standardapplikationen ist kein Zufall, sondern eine strategische Entscheidung, für die Martin Kolbe, CIO und Mitglied der Geschäftsleitung der Kühne + Nagel International AG, gute Gründe hat: "Für die Kernfunktionen von Logistikunternehmen gibt es kaum Standardlösungen - erst recht nicht für ein so weit verzweigtes und spezialisiertes Geschäft, wie wir es betreiben", sagt der CIO. Sein Unternehmen belegt im See- und Luftfrachtgeschäft weltweit Rang eins und drei der globalen Anbieter.

Zudem ist es ein zentrales Anliegen des CIOs, Abhängigkeiten und Kosten zu vermeiden, die Standardsoftware auch immer mit sich bringe. Denn das spezifische Logistik-Know-how ist zu großen Teilen in die IT-Applikationen des Unternehmens gegossen. Wenn Unternehmen hauptsächlich mit Standardsoftware arbeiteten, liefen sie Gefahr, die Fähigkeit der Eigenentwicklung von Applikationen zu verlieren. "Wir haben aus diesem Grund auch bei der laufenden Neuausrichtung unserer globalen Infrastruktur besonderen Wert darauf gelegt, dass unser Know-how im Hause bleibt und wir uns nicht von externen Anbietern abhängig machen", sagt CIO Kolbe.

Für die Migration der Systeme auf eine offene Architektur gab es mehrere Argumente: Die alten Anwendungen waren weitgehend in RPG (Report Program Generator) geschrieben. Die Programmiersprache ist zwar auf Mainframe- und AS400-Systemen noch recht verbreitet, eignet sich aber kaum mehr für moderne Browser-basierte Anwendungen. Zudem sind Programmierer dafür auf dem Arbeitsmarkt nur sehr schwer zu finden, und auch die begehrten Junginformatiker sind meist wenig begeistert von der Perspektive, sich in eine Programmierumgebung ohne Zukunft einzuarbeiten.

Wichtiger aber noch: "Die Anforderungen haben in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Wir brauchen deshalb gerade für eine international verteilte IT-Landschaft flexiblere, besser modularisierbare und skalierbare Systeme", sagt der Infrastrukturverantwortliche Nagel. Nicht zuletzt eröffnet der Umstieg auf eine offene Architektur eine größere Auswahl an Standardhardware und setzt der Abhängigkeit von einem einzigen Hardwarelieferanten ein Ende. Dennoch verabschiedet er sich nicht ohne Wehmut von der alten AS400-Architektur, deren Stabilität und Leistungsfähigkeit er über die Jahre schätzen gelernt hat.

Zur Startseite