Retail IT


Unternehmen müssen mehr an ihre Kunden denken

„Nirgends wird mehr Geld verschenkt als im E-Commerce“

Riem Sarsam war Redakteurin des CIO-Magazins.

Jost: Wieviel Geld muss man in die Hand nehmen, um diese Chancen wahrzunehmen und wie lange dauert es, bis sich ein Erfolg einstellt?

Fischer: Konzentriert man sich zunächst auf bezahlte Anzeigen in GoogleGoogle & Co. kann man oft schon mit wenigen Euro pro Tag mit einem Besucherzuwachs rechnen. Vorausgesetzt man geht mit dem Budget effizient um. Die Rechnung ist hier noch ganz einfach: Steckt man mehr Geld hinein, kommen mehr Kunden raus. Die Frage der Budgethöhe stellt sich so eigentlich gar nicht. Gewinne ich mit fünf Euro einen neuen Kunden pro Tag, sind es zwei bei zehn Euro. Solange ich mehr als die investierte Summe an einem Neukunden verdiene, stocke ich vernünftigerweise das Budget so lange auf, bis das volle Potenzial abgeschöpft ist. Anders als bei allen anderen Werbeformen muss man hier ja tatsächlich erst bezahlen, wenn auch wirklich Kunden auf die Website kommen, also auf Anzeigen klicken. Allerdings muss man eine nutzerfreundliche Seite für den Erstbesucher vorhalten. Das, was spleenige Agenturen oder selbstdarstellerische Chefs da oft publizieren, ist davon allerdings weit entfernt. Der potenzielle Kunde verschwindet schneller wieder, als er gekommen ist. Leider wird hier teils gar nicht oder teils falsch gemessen. Robuste und aussagekräftige Kennzahlen liegen so gut wie nie vor. Ein reiner Blindflug ist das, was die meisten Unternehmen hier machen. Alles zu Google auf CIO.de

Jost: Was sind denn die Kardinalsünden im E-Commerce?

Fischer: Als größte Sünden identifizieren wir bei unseren Tests und Analysen oft eine nicht intuitiv verständliche Navigation, lieblose Produktbeschreibungen und –bilder sowie komplizierte Bestellprozesse. Das Problem dabei ist, dass die Menschen im Unternehmen sich selbst oft gar nicht mehr vorstellen können, dass ein Außenstehender Produktbezeichnungen oder Fachbegriffe nicht kennt. Hier spielt oft die Betriebsbrille einen Streich. Nicht selten finden wir bei Tests aber auch gravierende Fehler in der Programmierung. Selbst die einfachsten Fehlersimulationen, wie in ein Eingabefeld einen unerwarteten Wert einzugeben, bringen viele Shopsysteme noch immer zum Abbruch. Etwa zehn Prozent erstellen bei einer Stückzahleingabe mit einem Minuszeichen vor der Zahl eine Gutschrift. Oder man drückt unbedarft den Zurück-Knopf im Browser und alle Formulareingaben sind futsch. Wer dann „Diese Seite ist nicht mehr gültig“ zu lesen bekommt – der überlegt sich dreimal, ob er hier einen neuen Anlauf nimmt oder lieber gleich bei der Konkurrenz einkauft. Da geht definitiv Geld verloren.

Jost: Warum nutzen Unternehmen denn dann die sich bietenden Chancen nicht und geben sich mit mäßigen Webseiten und durchschnittlichen Shops zufrieden?

Fischer: Weil sie die vielen, teilweise verzweifelten Menschen, die mit dem Unternehmen Kontakt aufnehmen möchten, nicht sehen. Sie sind allesamt anonyme Aufschläge auf einer Festplatte des Webserver. Aussagekräftige Kennzahlen werden nicht ermittelt und eine Auswertung der Bewegungsmuster der Besucher über die Webseiten unterbleibt bei den meisten Betreibern. Im Vergleich zur Offline-Welt wird das Internetgeschäft oft nur mit dem halben Engagement betrieben. In einem realen Ladengeschäft würden die Werksfeuerwehr, die Beratungsfirma Mac Ypsilon und der Chef höchstpersönlich anrücken, man würde sich auf die Lauer legen und beobachten, warum die Kunden so viele volle Einkaufswägen vor der Kasse stehen lassen. Warum so viele nur den Eingangsbereich betreten und auf dem Absatz wieder kehrt machen. Man würde die Gründe analysieren, abstellen und testen, ob nun wieder jeder neun von zehn etwas kaufen. Im Web wird das komischerweise wortlos akzeptiert. Das ist halt „irgendwie so“. Natürlich wird man keine Umwandlungsraten von 80 Prozent erzielen können. Die Unternehmen müssen ihre Einstellung ändern. Sie müssen umgekehrt denken! 98 Prozent der Besucher kaufen nicht? Woran könnte das liegen? Das Schöne ist ja, dass man viele Fehler, die Menschen vom Kauf abhalten, meist schnell findet.

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