Deutsche Erdgasförderung
Oligarch sticht Wintershall im Kampf um RWE Dea aus
Ein gutes Jahr hat der RWE-Konzern gebraucht, um seine Öl- und Gasfördertochter RWE Dea in Hamburg zu verkaufen. Den Zuschlag bekommen hat am Ende nicht die BASF-Tochter Wintershall, wie es die meisten Branchenbeobachter vermutet hatten, sondern der steinreiche russische Oligarch Michail Fridman. Das Vermögen des angeblich zweitreichsten Russen wird je nach Quelle auf bis zu 15 Milliarden Dollar taxiert. Seine Holding LetterOne in Luxemburg verfügt nach eigenen Angaben über Mittel von rund 15,6 Milliarden Dollar (11,2 Milliarden Euro), die in Energiegeschäfte und Telekommunikation investiert werden sollen.
So konnte Fridman mit seinen Partnern für die RWE-Tochter mehr als fünf Milliarden Euro auf den Tisch legen und alle Konkurrenten ausstechen. Das Geld stammt aus dem Verkauf des Ölunternehmens TNK-BP an den staatlichen russischen Konzern Rosneft für 55 Milliarden Dollar im Jahr 2012. Fridman hielt die Hälfte von TNK-BP. "Es ging bei Verkauf von RWE Dea vor allem um den Preis", meint der Energieexperte Rainer Wiek vom Energie-Informationsdienst EID. "RWE braucht nichts so dringend wie Geld." Und Fridman hat Geld.
Dafür trennt sich der Essener Konzern von einer zuverlässigen Ertragsquelle. Ungefähr ein Viertel des Umsatzes von rund zwei Milliarden Euro bleibt bei RWE Dea als Gewinn hängen und fließt in die Kassen von RWE. Doch mit dem Verkauf entlastet sich der Konzern, der für das vergangene Jahr erstmals einen Verlust ausweisen musste, auf der Schuldenseite. Bei Aktionären, der Börse und Anlegerschützern fand der Deal deshalb ein positives Echo. RWE-Chef Peter Terium sagte nur einen der Sätze, die bei solchen Gelegenheiten üblich sind: "Diese Vereinbarung ist ein wichtiger Meilenstein in der strategischen Weiterentwicklung von RWE." Doch vielleicht ist das nicht die ganze Wahrheit. "RWE hätte gern ein Förderunternehmen behalten", vermutet Wiek.
Fridman erhält damit nicht nur Zugriff auf Förderrechte, Lizenzen und Partnerschaften in mehreren Ländern Europas und Nordafrikas, in Turkmenistan und der Karibik. Sondern auch auf die deutschen Energieressourcen. RWE Dea fördert einen beträchtlichen Teil des heimischen Öls und vor allem Gas. Einheimisches Öl, das vor allem von der Plattform Mittelplate im schleswig-holsteinischen Wattenmeer kommt, spielt für die Versorgung Deutschlands aber nur eine geringe Rolle. RWE Dea ist mit 50 Prozent an Mittelplate beteiligt und fördert dort jährlich mehr als eine Million Tonnen Öl.
Anders sieht es beim Gas aus, das durch die Krim-Krise ohnehin in den Blickpunkt geraten ist. Deutschland ist stark abhängig von russischen Lieferungen, versorgt sich jedoch immerhin zu zwölf Prozent selbst, im wesentlichen aus niedersächsischen Gasfeldern. An der Förderung dort hat RWE Dea einen Anteil von 16 Prozent und ist damit die Nummer zwei unter den deutschen Gasförderern. Außerdem betreibt das Unternehmen große Gasspeicher.
Künftig gehört RWE Dea nun einem Russen, doch die Holding LetterOne ist nicht der russische Staat oder das Staatsunternehmen Gazprom. Sie gehört privaten russischen Investoren, die vor allem ihre Gewinne im Blick haben.
Gemessen an dem russischen Energiesektor, der jährlich mehr als 350 Milliarden Dollar aus Öl- und Gasexporten erlöst, ist RWE Dea mit einem Umsatz von zwei Milliarden Euro ein kleines Unternehmen. Die Bundesregierung erklärte denn auch umgehend, dass keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit zu erwarten seien. Und eine marktbeherrschende Stellung gewinnt der russische Oligarch damit auch nicht. Er legt mit seinen Investitionen gerade erst los. Die Holding LetterOne wurde erst im vergangenen Jahr gegründet, um die Erlöse aus dem TNK-BP-Verkauf zu reinvestieren. (dpa/rs)