Nicht nur aus China
Plagiate setzen deutschen Firmen zu
Deutschen Firmen machen keineswegs nur Produktfälschungen aus China, sondern auch von einheimischen Wettbewerbern zu schaffen. Jeder fünfte deutsche Maschinenbauer, der im vergangenen Jahr Plagiate eines seiner Produkte auf dem Markt entdeckte, fand eine Fälschung aus Deutschland, wie eine am Dienstag auf der Hannover Messe vorgestellte Studie des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) ergab. Weltweit bedeuten die Fälschungen für die betroffenen Firmen Milliardenschäden.
"Diese Fälscher stehlen zum Beispiel komplexe technische Kniffe, die man den Maschinen von außen gar nicht ansieht", sagte VDMA-Sprecher Holger Paul sagte zu den Plagiaten aus Deutschland. Diese Kniffe hätten die Fälscher unter anderem deshalb gekannt, weil Angestellte die Firmen wechselten. Viele sähen sich aber nicht als Fälscher, sondern einfach als Weiterentwickler, sagte der Technologieprofessor Michael Stephan von der Philipps-Universität Marburg.
Knowhow durch Fälschungen
"Die größte Gefahr für die Industrie sind Fälscher, die langfristig selbst mit eigenen Produktentwicklungen den globalen Wettbewerb bestreiten wollen", sagte Stephan. Diese Firmen erfänden auch eigene nicht-gefälschte Produkte, lernten durch das Fälschen und könnten sich so am Markt etablieren. Die rechtliche Grauzone zwischen Ideenklau und genauem Nachbau sei groß. VDMA-Geschäftsführer Rainer Glatz sagte: "Generell lohnt es sich zu plagiieren, die Gewinnmargen sind riesig und die Strafen gering."
Die meisten Fälscher, die deutsche Produkte, Teile davon oder Techniken nachbauen, kommen laut der VDMA-Studie wie in den Vorjahren aus China. Viele Maschinenbauer fänden etwa Plagiate ihrer Produkte auf der chinesischen Online-Plattform Alibaba.
Manche dieser Erzeugnissee sähen zwar fast so aus wie die Originale, bestünden aber aus billigen Materialien, die schnell kaputt gingen, sagte der Jurist Peter Gretenkord vom Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie. Darunter leide dann die echte Marke. Auch gefährdeten etwa gefälschte Autoteile oder Medikamente Menschenleben.
Plagitate fallen häufig nicht auf
Viele Plagiate fallen den Firmen nach Stephans Angaben nie auf, auch der Zoll finde weniger als ein Prozent aller Fälschungen. Experten schätzen, dass Fälschungen etwa 5 Prozent des weltweiten Handels ausmachen. Dies würde einem Umsatz von 800 Milliarden Euro entsprechen - 65 Milliarden Euro in Deutschland. Die Maschinenbauer hätten im vergangenen Jahr einen Schaden von rund 7,3 Milliarden Euro erlitten, schätzt der VDMA. Und laut Gretenkord wächst der Handel mit gefälschten Produkten.
"Hacker greifen besonders viele deutsche Mittelständler an", sagte der IT-Experte Udo Schneider vom Internetsicherheitsanbieter Trend Micro. "Sie haben tolle Innovation und gleichzeitig schlechte IT-Sicherheit." Gerade kleine und mittlere Unternehmen der Maschinenbaubranche gaben in der VDMA-Umfrage an, dass sie überproportional unter den Fälschungen litten. Allerdings wehren sie sich meist nicht. "Für viele ist es zu kostenintensiv, vor Gericht durchzusetzen, dass es sich um ihre Technik handelt", sagte VDMA-Geschäftsführer Glatz.
Continental-Vorstand Hans-Jürgen Duensing betonte, der Reifenhersteller und Autozulieferer wende enorme Kraft auf, um sich vor Angriffen zu schützen - eine 100-Prozent-Garantie gebe es aber nicht. Es sei ein Wettlauf zwischen Angreifern und Verteidigern. Deutschlands Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär (CSU), kündigte ein Gütesiegel für vertrauenswürdige IT an. Zudem soll das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik mehr Beratungen anbieten.
Wer aber im Urlaub gefälschte Markenklamotten oder -taschen kaufe, helfe den oft teuren Originalmarken, sagte Experte Stephan. "Für Firmen wie Luis Vitton ist das Werbung - und Leute, die sich eine gefälschte Tasche kaufen, könnten sich sowieso keine echte leisten." (dpa/ad)