Public IT


München und Berlin vorn

Rankings der besten Hightech-Städte

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.
Köln ist deutsche Digitalisierungshauptstadt, und zehn andere Städte sind es auch. Rankings von HWWI, PwC, Sportfolio, Google und A.T. Kearney betrachten unterschiedliche Faktoren.
  • Nirgendwo gibt es mehr Hightech-Firmen als in Berlin
  • Der hochtechnologisierte Mittelstand dominiert im Schwabenland
  • Schwerin, Koblenz und Landau sind digitale Vorreiter in ihrer Region
  • PwC sieht Nachholbedarf bei der Breitbandversorgung

Keine Sorge: Jetzt, wo das Jahr adventlich auszuklingen beginnt, soll es auch hier versöhnlich zugehen. Weil das bei einer Ranking-Vogelschau nicht in Gänze möglich ist, kommt die böseste Gemeinheit kurz und schmerzlos sofort: Die "worst region" hierzulande ist der Raum Cottbus, Finsterwalde, Forst in der Lausitz, Spremberg - also da, wo die Postleitzahl mit 03 anfängt. Die zweite Ausgabe des deutschen Hightech-Atlas von Spotfolio.com lässt daran keinen Zweifel. Nur 61 Hightech-Firmen gibt es dort. 99 sind es demgegenüber in der zweitschlechtesten Postleitzahlen-Leitregion, der Nummer 17 um Neubrandenburg, Greifswald, Neustrelitz und Usedom.

61 Firmen in Cottbus, 1579 in Berlins Innenstadt

Der Champion - die Berliner Innenstadt - hat laut Atlas hauptstadtwürdige 1579 Hochtechnologiefirmen. Auf 967 kommt der Hamburger Norden und Nordwesten, ergänzt um Norderstedt, Ahrensburg und Wedel. Mit 862 Firmen erreicht den dritten Platz München mit seiner Mitte und seinem Nordwesten; gefolgt sogleich vom eigenen Umland in Norden und Osten, zu dem in dieser Auswertung auch Ingolstadt zählt.

Ärgern darf man sich in Cottbus und Umgebung über den Spotfolio-Befund sicherlich. Zum Glück der Lausitz findet der Hightech-Atlas medial kein so lautes Echo wie das Städte-Ranking des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Instituts (HWWI) und der Hamburger Privatbank Berenberg, das die 30 größten Städte der Bundesrepublik hinsichtlich Standortfaktoren und somit Zukunftsfähigkeit bewertet. In Chemnitz erregte der letzte Platz in der Rangliste durchaus Unmut - und Widerspruch.

Kritik an Rankings

"Die Entwicklung der Stadt in den letzten Jahren nehme ich, im Gegensatz zu der aktuellen Studie, als sehr positiv wahr", zitiert die Freie Presse Tino Petsch, Gründer und Vorstand des Weltmarktführers für Lasermikrobearbeitungs-Anlagen 3D-Micromac. "Städte-Rankings wie das von HWWI/Berenberg haben keinen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit von Siemens in Chemnitz", beruhigt in eben jener Zeitung Elke Fuchs von Siemens, das erst im August 2014 ein neues Werkes für Kombinationstechnik mit 700 Arbeitsplätzen im Stadtteil Röhrsdorf eröffnete. Kritiker monierten unter anderem, dass sich der seit kurzem in Chemnitz zu beobachtende Umschwung bei der Bevölkerungsentwicklung in der Studie nicht ausreichend niederschlug.

Nun sind Städte-Rankings sicherlich nicht irrelevant für die Geschäftstätigkeit diverser Unternehmen, die aktuell Standort-Entscheidungen zu treffen haben. Vor allem dann, wenn sie IT-Bezug haben, dürften sie von grundsätzlichem Interesse für IT-Profis, IT-Firmen und - weil die IT bekanntlich immer wichtiger wird - Unternehmen aller möglichen Couleur sein.

Weil es aber inzwischen so viele Vergleichsstudien gibt und die digitale Welt sowieso in ständigem Fluss ist, muss man bei der Einordnung der süffigen Ergebnisse genau hinsehen - und sich Sollbruchstellen bewusst machen. Nur dann lohnt sich ein Blick auf diverse Rankings, die in den vergangenen Monaten erschienen sind.

Der Hightech-Atlas

Was genau steckt also hinter dem erwähnte Hightech-Atlas? Grundlage dafür ist die Plattform spotfolio.com, die Daten des Bundesanzeigers (ein Bekanntmachungsorgan der Bundesbehörden) verwendet und um Daten aus weiteren Quellen ergänzt. "Die Daten werden durch den Einsatz semantischer Crawler und verschiedener Aktualisierungsdienste stets up to date gehalten", heißt es in der Studie. Der Atlas liefert somit einen schlichten Überblick über die gezählten Unternehmen aus Bereichen wie Biotechnologie, Mikro- und Nanotechnologie, MedTech, FinTech oder auch Big DataBig Data. Mitte Juni wurden 55.590 Hightech-Unternehmen bundesweit gezählt. Aufgedröselt werden diese im Atlas nach Postleitzahl-Regionen. Alles zu Big Data auf CIO.de

Die Nase klar vorne hat hier also die vom scheinbar unendlichen Flughafenbau und anderen Desastern gebeutelte Bundeshauptstadt, die sich gleichzeitig für ihre boomende Gründerszene gerne selbst bauchpinselt. Sie tut das mit einigem Recht, wie der Atlas durchaus eindrucksvoll belegt. 461 kleinste und 1082 kleine Hightech-Firmen stellen eine stattliche Dimension dar; unerreicht sind zudem erkleckliche 321 Firmen, die Risikokapital im Rücken haben - alleine in der Innenstadt. Da kann sonst nirgendwo mitgehalten werden im Lande.

Große Unternehmen in Essen und Düsseldorf

Bei anderer Betrachtung aber sehr wohl, denn über die Platzierung entscheidet eben nur die schiere Gesamtzahl an Hightech-Unternehmen. Mittelgroße Firmen hat Berlins Innenstadt 29, was in diversen anderen Regionen überboten wird. Über 40 Hochtechnologie-Mittelständler gibt es sogar in den Postleitzahlgebieten 72 (Tübingen, Reutlingen, Sigmaringen, Freudenstadt, Balingen, Nürtingen) und 73 (Göppingen, Esslingen, Schwäbisch Gmünd, Aalen).

Jede der in den Top20 gelisteten Regionen hat zudem mehr große Firmen zu bieten als die Berliner City mit ihren sieben Stück. Im nördlichen und östlichen Münchner Umland und im Großraum Essen sind es mehr als 25, die Region um Düsseldorf hat 24.

Zur Startseite