Störsender und Wirtschaftsspione

RFID gefährdet

02.06.2004
Von Detlef Borchers
Der Vormarsch der Radio Frequency Identification (RFID) stockt, weil Datenschützer und Unternehmen selbst zur Vorsicht mahnen. Die Chips zerstören die Privatsphäre und begünstigen Wirtschaftsspione. Deshalb erfreuen sich Störsender immer größerer Beliebtheit.

Der Lebensmittel-Konzern Kraft klebt RFID-Chips auf die Verpackung seines Streichkäses der Marke Philadelphia. In Kleidungsstücken des Mode-Labels Gerry Weber finden sich ebenso Transponder wie in den Verpackungen von Gillette-Rasierern. Wenn die Fußball-WM im Jahre 2006 in Deutschland angepfiffen wird, übermitteln die Eintrittskarten zu den Stadien ihre Seriennummern über die reiskorngroßen Funk-Chips. Nicht zu vergessen die (funktionierende) LKW-Maut in Österreich: Hier melden RFID-Chips in fünf Euro teuren Kästen ihre Kennung, sobald der Lastwagen unter einer Mautbrücke durchfährt. Schließlich noch Spanien: Hier haben Clubs in Barcelona begonnen, ihrer Clientel RFID-Chips der Firma Verichip unter die Haut zu spritzen, die dann die Getränkeabrechnung übernehmen.

Als CIO im Oktober 2001 das erste Mal über die Transponder-Technik berichtete, wurden auf diese Weise nur norwegische Lachse markiert oder Hunde gekennzeichnet, die auf die Britischen Inseln einreisen sollten. Mittlerweile verbreitet sich RFID so rasant, dass Datenschützern schwindlig wird. Als Anfang vergangenen Monats eine Fachtagung des Handelsblatts zum Thema stattfand, riefen der Chaos Computer Club (CCC) und die Bürgerrechtler des Vereins FoeBuD zu einer Kundgebung gegen den unkontrollierten RFID-Einsatz auf. Zeitgleich zur Demo wollten die Teilnehmer der Tagung zum "Future Store" der Warenhauskette Metro in Rheinberg aufbrechen. Dort wird die RFID-Technik seit etwa einem Jahr getestet. Der CCC fordert, die Tests vorerst einzustellen.

Neben der Metro hat auf der Tagung auch Volkswagen Erfahrungen zum Thema Transponder beigetragen. Allein für den Golf A5 sind 10000 Mehrwegbehälter im Einsatz, die zwischen drei verschiedenen Werken und den Zulieferern zirkulieren und mittels RFID-Technik gesteuert werden. Auf den Gabelstaplern installierte Lesegeräte melden fortlaufend, welcher Behälter in die Produktion oder auf den Leergutsammelplatz gefahren wird. Neben den passiven Transpondern an den Paletten sind bei VW über 14000 aktive Transponder im Einsatz, die in die fertigen Fahrzeuge gehängt werden. Kommt ein Wagen zur Auslieferung, so erhält ein Suchtaxi die Chip-Seriennummer und fährt durch die Stellplatzreihen, bis der Wagen gefunden ist.

Bücher entleihen in Sekundenschnelle

Effektives Stellplatzmanagement steht auch bei der Hauptbücherei Wien im Vordergrund, wo sämtliche Entleihmedien (Bücher, Videos, DVDs) mit Transpondern ausgestattet wurden. Neben der schnellen Verbuchung beim Entleihen und bei der Rückgabe (48 Sekunden gegenüber 1 Minute 58 Sekunden) erfolgt die Vorsortierung nach der Rückgabe automatisch, können vom Besucher im Freihandbestand falsch zurückgestellte Bücher schnell geortet werden. Was in diesem Szenario fehlt, ist eine Kopplung der Besucherausweise mit ihren Transpondern an Lesegeräte, die die Besucherströme verfolgen und melden, wer Bücher wo falsch zurückstellt.

Genau diese Komponente ist es, die bei den Testläufen des Metro-Konzerns für Proteste gesorgt hat. Neben der Auszeichnung einzelner Waren mit den teuren Chips enthält auch die Kundenkarte des Future-Stores eine RFID-Kennung, die an der Kasse ausgelesen wird. Auf diese Weise, so die offizielle Begründung in der ersten Testphase, solle sichergestellt werden, dass die Altersbeschränkungen beim Kauf von DVDs und CDs Beachtung finden. Auch das intelligente Regal, das eigentlich nur dann automatisch einen Bestellvorgang im Verteilerlager auslösen soll, wenn ein Produkt zur Neige geht, geriet in diesem Zusammenhang in die Kritik: Die englische Ladenkette Tesco experimentierte mit einem Kamerasystem, das Bilder schoss, wenn ein Kunde teure, mit RFID versehene Gillette-Rasierklingen in den Einkaufswagen legte. Diese Bilder wurden zur Ladenkasse geschickt, um den etwaigen Diebstahl der Klingen aufzudecken.

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