Tim Cook in Augsburg
Ritterschlag für schwäbischen Mittelständler Seele
Zum schwäbischen Fassaden- und Glasspezialisten Seele gibt es bislang keinen Wikipedia-Eintrag, der Taxifahrer muss sich auf dem Weg ins Industriegebiet Gersthofen nördlich von Augsburg durchfragen. Selbst in der Region weiß kaum jemand, dass das Unternehmen in der Kleinstadt nördlich von Augsburg etliche atemberaubende Architekturprojekte ermöglicht hat. Dazu gehören zum Beispiel der 185 Meter hohe Doppelturm der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, das Nationalstadion in Peking - aber auch das markante Würfeldesign des AppleApple Stores an der 5th Avenue in New York. Alles zu Apple auf CIO.de
Lange Zeit durfte Seele über den berühmten Kunden Apple nicht reden. Doch das ist nun anderes: Nach dem Besuch von Apple-Chef Tim Cook in der Fabrikhalle der Seele-Tochterfirma Sedak wird der "Hidden Champion" Seele, der bis dahin kaum bekannte Weltmeister der Glasbautechnik, stärker ins Rampenlicht rücken. Der Store auf der 5th Avenue in New York sei einer der herausragenden Läden von Apple weltweit, sagte Cook. Ohne Seele hätte Apple ihn nicht so bauen können.
"Ihr seid die Besten der Welt", rief Cook am Montag den Sedak-Beschäftigten zu, die sich vor einem 14 Meter langen und 3,20 Meter hohen Glassegment versammelt hatten. Die gigantische Fassadenscheibe ist die letzte Lieferung der Schwaben für den futuristischen Apple Campus 2, die neue Apple-Firmenzentrale im kalifornischen Cupertino.
Here’s the last of 2400 giant panels for Apple Campus 2. Thanks to the innovative glass makers at seele in Augsburg! pic.twitter.com/bZVe3dIGL0
— Tim Cook (@tim_cook) 23. Februar 2015
Die Seele-Tochter Sedak, die 2007 für eine eigenständige Glasfertigung gegründet wurde, produzierte über 800 dieser Scheiben. Auch die Vordachscheiben kommen aus Gersthofen. Und die eigentliche Fassade inklusive der Metallkonstruktion stammt ebenfalls aus Schwaben. Rund 50 Kilometer Luftlinie von Gersthofen entfernt sitzt der Spezialist Josef Gartner GmbH in Gundelfingen, der die Seele-Scheiben in die Campus-Fassade integriert und einbaut.
Vertrauensvolle Partnerschaft
Firmengründer Gerhard Seele (59) schätzt an der Zusammenarbeit mit Apple, dass beide Unternehmen trotz der räumlichen Entfernung und der unterschiedlichen Größe zu einer vertrauensvollen Partnerschaft gefunden hätten. Nelli Diller, Geschäftsführerin der Seele GmbH sagt, die Architekten und Designer von Apple hätten klare Visionen und einen hohen Anspruch an Perfektion. "Wir fordern uns gegenseitig und treiben uns immer wieder an, die Grenzen des Machbaren auszuloten und aufs Neue zu überschreiten."
Tim Cook sagt in Gersthofen, sein Vorgänger Steve Jobs habe die letzten Jahre seines Lebens damit verbracht, mit viel Energie ein Konzept für den Campus 2 zu entwerfen. "Wir haben nicht nur in den USA, sondern weltweit nach jemandem gesucht, der Steves Vorstellungen umsetzen kann und wir sind hier gelandet, weil das niemand sonst so gut kann."
Um den Auftrag von Apple bewältigen zu können, musste Seele über den Tellerrand der traditionellen Glasindustrie hinausschauen. So lieferte im Oktober 2012 ein Tieflader einen 220 Tonnen schweren und 17 Meter langen Autoklav nach Gersthofen. Ein Autoklav ist ein gasdicht verschließbarer Druckbehälter, der eigentlich in der Luft- und Raumfahrtindustrie eingesetzt wird. Bei Seele wird der Autoklav wie ein gigantischer Backofen zur Bearbeitung der Gläser verwendet.
Die Zusammenarbeit mit Apple, aber auch Projekte wie die Flughäfen in Hongkong (Cep Lap Kok), München (Terminal 2) und Berlin (BER), der ICE-Bahnhof am Flughafen Köln/Bonn, die Seattle Central Library haben Seele seit der Gründung 1984 ein stetes Wachstum beschert. Der Mittelständler beschäftigt derzeit rund 1000 Menschen und macht einen Jahresumsatz von rund 200 Millionen Euro. Nach der Fertigstellung der Scheiben für den Apple Campus 2 haben die Gertshofener schon den nächsten Meilenstein vor Augen: Das System "iconic skin SCF" soll ermöglichen, dass individuell gestaltete Fassaden mit optimalen Dämmungswerten viel einfacher herstellt werden können als bislang. (dpa/mb)