E-Commerce-Trends

So sieht der Online-Handel 2020 aus

Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Kein Online-Handel ohne Mobile Apps

Wer über Trends im E-Commerce spricht, kommt auch heute nicht um Mobile Apps herum. Allein 2018 lag die Zahl der weltweiten AppDownloads bei 194 Milliarden (plus 9 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Shopping Apps gehören in die Top Ten der beliebtesten Apps - sowohl im AppStore von Apple als auch im Google Play Store. Viele andere Apps bieten ebenfalls bezahlte Produkte und Services an, etwa durch In-App-Käufe. Die Kundenzufriedenheit ist ständig gestiegen, auch weil sichere Payment-Systeme und biometrische Sicherheitsprüfungen erfolgreich integriert wurden.

70 Prozent des Internet-Traffics findet heute auf mobilen Endgeräten statt - Einkäufe allerdings laufen meist noch über den klassischen PC, wenngleich sich auch hier die Relation allmählich verschiebt. Unternehmen müssen also ihre Kunden auf mobilen Endgeräten erreichen und ihnen dort hochpersonalisierte Nutzererfahrungen bieten. Grundsätzlich ist es für den Handel nicht einfach, kommerziellen Erfolg mit Apps zu erzielen, weil Entwicklung und Instandhaltung teuer sind und zudem Gebühren für App Stores anfallen.

Bei nativen Apps bereiten die ständigen Updates Sorgen, die Synchronisation mit den Online-Angeboten in den Webshops fällt zudem schwer. Deshalb machen "Progressive Web Apps" (PWAs) Boden gut. Sie verknüpfen mobile Website und Native Apps. Unternehmen wie Google, Apple und Microsoft setzen schon seit Jahren auf PWA-Technologie, um Anwendern einheitliche und adaptive Nutzererlebnisse zu ermöglichen - unabhängig vom verwendeten Endgerät.

"Marken müssen den mobilen Web-Traffic positiv sehen, nicht als Kannibalisierung ihrer Mobile-Apps", mahnt Google-Manager Conor McGann. Native Apps seien tief mit den Betriebssystemen iOS oder Android integriert und spielten ihre Vorteile nur dann aus, wenn mit einer sehr hohen Zahl wiederkehrender Nutzer auf diesen Plattformen zu rechnen sei.

Ob Native oder WebApp: Grundsätzlich müssen Apps eine optimale Markenerfahrung transportieren - also benutzerfreundlich sein, personalisierte Inhalte bieten, die Kundenbindung unterstützen sowie ein Höchstmaß an Datenschutz bieten. Wichtig ist, dass es keine Ablenkung, etwa durch aufdringliche Pop-up-Werbung, gibt und höchste Sicherheit insbesondere im Bereich der Zahlungsfunktionen gewährleistet ist. Anwender möchten nur von Menschen oder Unternehmen, beziehungsweise Marken angesprochen werden, denen sie vertrauen. Fehler und Missbrauch werden sofort bestraft. "Marken müssen sich das Recht, als App auf dem Homescreen eines Users zu erscheinen, erst einmal verdienen", sagt McGann.

Vor allem in China haben sich "Super-Apps" durchgesetzt, insbesondere die der großen Internet-Konzerne Tencent und Alibaba. Sie sind Onestopshops für alle möglichen Produkte und Services - vom Einkauf von Produkten über den Geldtransfer bis hin zu Flugbuchungen und Ticket-Reservierungen. Beispiele sind WeChat, Alipay und Meituan - Unternehmen wie Facebook, Line (Südkorea) und Gojek (Indonesien) übernehmen diesen Ansatz nach und nach. In Verbindung mit KI eröffnen Mobile Apps große Chancen im E-Commerce.

Die chinesische Alibaba-Tochter Taobao etwa bietet Kunden an, fotografierte Kleidungsstücke, Möbel oder sonstige Gegenstände hochzuladen, um das entsprechende Produkt oder etwaige Pendants zum Kauf angeboten zu bekommen.

Marktplatz-Pflicht im E-Commerce?

In den vergangenen Wochen war immer wieder zu lesen, dass der deutsche Online-Händler OTTO kurz davorstehe, seinen Marktplatz zu öffnen und andere Händler darin aufzunehmen. Dieser Schritt ist überfällig, andere E-Commerce-Giganten, allen voran Amazon, sind diesen Weg schon vor Jahren gegangen. Im zweiten Quartal 2019 stammten der Studie von divante und KANTAR zufolge 54 Prozent der über Amazon verkauften Produkte von Third-Party-Partnern. Amazon, Ebay und Alibaba verstehen sich als weltweite Online-Marktplätze.

2018 wurden mehr als 50 Prozent aller E-Commerce-Verkäufe über Marktplätze getätigt. In fünf Jahren sollen es zwei Drittel sein. Für Kunden wie Verkäufer ist das der bequemste Weg. Die teuren Innovationen werden von den Marktplatz-Betreibern mit tiefen Taschen und viel Know-how vorangetrieben. Amazon und Aliexpress testen Konzepte und Ideen, etwa eine auf Gesichtserkennung basierende Bezahlung, die Warenlieferung mit Drohnen oder autonomen Transportfahrzeugen oder innovative Verkaufsmodelle, bei denen Online- und Ladenverkauf kombiniert werden.

Alibaba und Amazon sind auch mit realen Supermärkten in der Brick-and-Mortar-Welt unterwegs, um zu lernen. Seit fünf Jahren arbeitet Alibaba unter anderem eng mit der deutschen Metro zusammen, Amazon hat unterdessen erste Filialen seiner GoStores in den USA und UK eröffnet.

Marktplätze bieten verschiedene Vorteile: ein riesiges Sortiment, konkurrenzfähige Preise und - aus Sicht der sich anschließenden Unternehmen - ein sicheres und bequemes Kundenerlebnis, ohne dass sie selbst größere Anstrengungen dafür Unternehmen müssten. Man springt auf den Innovationszug des Betreibers auf und profitiert, je nach Investitionsbereitschaft, von dessen ständig ausgebauten Technologie- und Werbeangeboten.

Allein in den USA sind heute 50 Prozent der Haushalte Mitglieder in Amazons Prime-Programm. Einzelhändler, die sich auf diese Plattform begeben, setzen sich allerdings einer neuen Wettbewerbssituation aus, denn hier sind auch viele OEMs mit eigenen Shops präsent. Hat man sich zuletzt auf den Händler verlassen, wenn es galt die Nachfrage anzuregen, Marketingentscheidungen zu treffen oder den Bestand zu verwalten, können die OEMs das nun selbst tun. Sie rücken näher an den Kunden heran und beziehen dessen Daten.

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