E-Government-Services
Warum der Online-Kontakt zum Bürger abbricht
Marc Reinhardt leitet als Executive Vice President bei Capgemini die Markteineit des Öffentlichen Bereichs und ist somit verantwortlich für die Kunden in den Bereichen öffentliche Verwaltung und Sozialversicherung in Deutschland. Er ist Mitglied des Präsidiums der Initiative D21 sowie Mitglied im Nationalen IT-Gipfel der Bundesregierung.
Auch bei einfachen Services werden z.T. hohe Anforderungen an die Authentifizierung gestellt. Bürger und Verwaltungsdienstleistungen werden in vielen Fällen schematisch behandelt, ungeachtet dessen, ob es hohe oder niedrige Risiken gibt. So sind manche Services komplizierter als sie es sein müssten.
Hemmschwellen identifizieren und reduzieren
Hinzu kommt der Zeitaufwand für den Anwender: Für elektronisch beantragte Dokumente brauchen einzelne Ämter bis zu acht Wochen (dies ist keine Bearbeitungszeit, sondern vielmehr Wartezeit, die der Antrag im Amt liegt). Sofern man die Dokumente vor Ort beantragt, wird der Vorgang direkt durchgeführt.
Im Hinblick auf die Infrastruktur gibt es für Deutschland noch Nachholbedarf. Standards auf Basis neuester technologischer Entwicklungen einzurichten und aufrechtzuerhalten ist sehr aufwendig. Auch ist beispielsweise die eID, die Online-Ausweisfunktion des neuen Personalausweises, noch nicht sonderlich weit verbreitet. Nur wenige Bürger haben diese Funktion überhaupt aktiviert, vielen ist sie noch nicht einmal bekannt. Sicherheitsbedenken und die erforderlichen Lesegeräte sind weitere Hemmschwellen.
Kunden zur Wiederkehr animieren
Wie aus einem einfachen Online-Produkt ein Erfolgsmodell wird, beschreibt der amerikanische Buchautor und Philosoph Nir Eyal in seinem Buch "Hooked": Eine Internetseite muss einen Mehrwert für den Nutzer schaffen und ihn zur Wiederkehr animieren. Dafür müssen Angebote einfach, haptisch und Prozesse selbsterklärend und an menschlichen Bedürfnissen orientiert sein. Die Erwartung des Kunden muss erfüllt sein, bevor er überhaupt merkt, dass er sie hat. Gleich darauf muss eine variable Belohnung erfolgen, damit der Kunde wiederkommt.
Die richtige Psychologie dahinter verhilft zum Erfolg. Facebook macht es vor. Eines kann sich dieöffentliche Verwaltungöffentliche Verwaltung dabei abschauen: die Kundenorientierung. So lässt sich Eyals Hakenmodell auch auf das Lebenslagenkonzept anwenden: Eine einfache und schnelle Wohnsitzummeldung kann dazu führen, dass der Bürger den Kontakt zur Verwaltung eher wieder aufnimmt, als das Lebenslagenkonzept annimmt. Alles zu Public IT auf CIO.de
Wo Kunden den Kontakt abbrechen
Der Bürger kann den elektronischen Kontakt zur Verwaltung an vielen Stellen abbrechen. An welchen Stellen dies geschieht, haben Capgemini und die Initiative D21 im Rahmen der Fokusgruppe "Akzeptanz und Nutzung von E-Government" beim nationalen IT-Gipfel erarbeitet. Zunächst muss ein grundsätzlicher Bedarf nach Online-Verwaltungsdienstleistungen bestehen, dann muss das E-Government-Angebot bekannt sein. Initialaufwand und Nutzen des Online-Dienstes müssen deutlich erlebbar sein und der Bürger muss schließlich mit dem Ablauf zufrieden sein, damit er ein weiteres Mal den Online-Service nutzt (Abb.1).
Um das volle Potenzial einer digitalen Verwaltung auszuschöpfen, müssen die vielen einzelnen Initiativen des öffentlichen Sektors gebündelt und Online-Angebote deutlich stärker personalisiert werden. Aktuell ist nur ein Bruchteil der Internetseiten öffentlicher Einrichtungen in Deutschland mobilfähig. Dabei zeigen einzelne Beispiele, dass die Anzahl der Nutzer stark wächst, sobald eine Website auch für mobile Endgeräte optimiert ist.
Isolierte Leuchtturm-Projekte
Ein wesentlicher Grund für den Rückstand im E-Government liegt auch darin, dass es nur aus isolierten Leuchttürmen besteht, und nicht flächendeckend verfügbar ist. Bislang hing es zu oft an einzelnen Vorkämpfern, gute Lösungen auch gegen Widerstände durchzusetzen. Diese Einzelleistungen gilt es zu systematisieren, auch, indem der Transfer zwischen einzelnen Akteuren erleichtert wird.
Der Kostendruck auf die öffentlichen Haushalte und steigende Anforderungen der Bürger an E-Government-Services haben einen Teil der europäischen Regierungen gezwungen, gänzlich auf digitale Dienste umzustellen. In Großbritannien sind digitale Services verpflichtend eingeführt worden. Und so ist aus dem E-Government Benchmark ein Benchlearning-Prozess geworden, bei dem einzelne Länder Best Practices abschauen können. Was weitere europäische Länder besser machen und was die deutsche Verwaltung von den europäischen Partnern lernen kann, lesen Sie in Teil III der Reihe zum E-Government-Benchmark.
Den vollständigen E-Government Benchmark 2016 finden Sie hier.