Moritz Freiherr Knigge im Interview
Wie kündigt man wertschätzend?
Emotionale Situationen
Wie sollen Führungskräfte in einer emotionalen Situation gelassen bleiben? Einerseits stehen Sie unter Druck, andererseits sollen Sie ohne Druck kommunizieren.
Knigge: Ja, das ist schwer. Sie haben ja selbst etwas davon: Es senkt die Reibungsverluste, es senkt den Ärger. Das baut Druck ab. Ein Teilnehmer, es ist schon ein paar Jahre her, kam nach der Veranstaltung mal zu mir und gestand, dass er keine Lust auf mich hatte - der Chef hatte ihn geschickt. Er kam zu der Einsicht, dass Höflichkeit eigentlich keine Zeit kostet, sondern Zeit verschafft. Am Anfang wirkt es vielleicht so, dass alles länger dauern würde, aber es senkt eben die Reibungsverluste.
Was meinen Sie denn mit Reibungsverlusten?
Knigge: Ich meine damit Konflikte, die aus Missverständnissen entstehen. Das sind unvorstellbare Zeitfresser. Es geht ja nicht einzig um den ausgetragenen Konflikt in dem Moment. So ein Konflikt hinterlässt immer auch Wunden: Man denkt darüber nach, man ist darin gefangen. Angst, Wut – man dreht sich einfach. Es kann nicht im Sinne eines Unternehmers sein, Konflikte vorzufinden. Sie sind nicht wirtschaftlich. Man geht übrigens davon aus, dass jeder vierte Angestellte in Deutschland derart schlecht motiviert ist, dass er bewusst destruktiv handelt.
Aus Frust?
Knigge: Ja, in Unternehmen zieht derartiges Verhalten weite Kreise. Oftmals zeigen solche Angestellte gegenüber den übrigen Mitarbeitern besonderen Trotz. Zunächst wird nur darüber geredet. Im Anschluss bleibt aber durchaus die Arbeit liegen, es wird geklaut, es werden Krankmeldungen eingereicht, schlecht über das Unternehmen geredet oder nicht sorgsam mit Kunden umgegangen. Menschen sind zu vielen unvernünftigen Dingen fähig. Auch wenn sie sich wohlfühlen, aber im Besonderen eben dann, wenn sie es nicht sind.
Sie unterstellen Ihnen keine Böswilligkeit?
Knigge: Ich halte Menschen generell nicht für böswillig, sie sind es nur in seltenen Fällen. Vieles, was als intrigant angesehen wird, beruht meiner Ansicht nach auf Missverständnissen ...
... und offensichtlich auch darauf, wie sie wahrgenommen werden.
Knigge: Wahrnehmung ist extrem wichtig. Sie beeinflusst die Kommunikation in hohem Maße: Wie ich andere Menschen wahrnehme und diese mich wahrnehmen, darüber entscheidet sich letztlich, ob Kommunikation gelingt oder eben nicht. Ob man im Gespräch miteinander bleibt oder miteinander kämpft oder die Flucht antritt.
Die Flucht mündet vermutlich in Resignation?
Knigge: Ganz genau, oder auch in Kündigungen. Das ist meiner Meinung nach ein ganz wesentlicher Grund, wieso Unternehmen dieses Thema überhaupt interessiert: Sie können es sich schlicht nicht mehr leisten, dass die guten Mitarbeiter gehen.
Wieso sollten nur die guten Mitarbeiter gehen?
Knigge: Also die wirklich guten Leute wissen, dass sie überall genommen werden. Wenn sie das eigene Unternehmen verlassen, wird es richtig schmerzhaft und auch teuer. Die Leute, denen es egal ist, gehen nicht von alleine - sie sitzen es aus und resignieren.