Cloud Computing


Microsoft auf Irrwegen

Windows aus der Cloud - im Ernst?

Preston Gralla ist Redakteur bei Computerworld, Blogger bei ITworld und Autor von mehr als 45 Büchern, darunter "NOOK Tablet:The Missing Manual" (O'Reilly 2012) und "How the Internet Works" (Que, 2006).

Bugs, Pannen und eine hohe Komplexität

Es gibt jedoch Hürden, die der Verwirklichung dieses Ziels im Wege stehen, und sie haben alle mit der Natur der Cloud und der Geschichte von Windows zu tun. Anders als Google ChromeOS wurde Windows nicht von Grund auf für die Cloud entwickelt, was bedeutet, dass es als Cloud-Dienst wohl nie so reibungslos laufen wird, wie ein ChromeOS-Gerät.

Der Cloud-Lösungsarchitekt Vladislav Bilay hat das gegenüber Lifewire so formuliert: "Chrome wurde als webzentriertes Betriebssystem mit dem Fokus auf Cloud-basierte Anwendungen und Dienste entwickelt. Es legt den Schwerpunkt auf Einfachheit, Geschwindigkeit und Sicherheit für Benutzer, die hauptsächlich online arbeiten und zusammenarbeiten. Windows dagegen hat eine lange Geschichte als vielseitiges und robustes Desktop-Betriebssystem, das eine breite Palette von Anwendungen bietet, Offline-Funktionen bereitstellt und kompatibel mit älterer Software sein muss."

Mit anderen Worten: Eine Cloud-basierte Version von Windows dürfte fehlerhaft und sperrig werden - noch mehr als heute schon. Darüber hinaus zeichnet sich ein noch größeres Problem ab: Wie sollen durchschnittliche Windows-Nutzer ohne technischen Hintergrund mit einem Cloud-basierten System fertig werden, wenn einmal etwas nicht funktioniert? Und seien wir ehrlich: Jeder Windows-Nutzer weiß, dass mit diesem Betriebssystem immer etwas schief geht.

Ein Windows ohne Fehler? Schwer vorstellbar

Ich benutze PCs und Windows schon seit Jahrzehnten und behaupte, ich kenne mich ziemlich gut damit aus. Und doch stoße auch ich immer wieder auf ärgerliche Probleme und Fehler, die sich erst nach einigem Aufwand beheben lassen. Eine Cloud-basierte Version von Windows würde eine Vervielfachung dieses Problems bedeuten.

Ich habe mir vor einem Jahr einen Laptop gekauft, der sich aus unerklärlichen Gründen nach einiger Zeit nicht mehr in einige WLANs einwählen wollte, in andere dagegen schon. Stundenlang musste ich mit dem technischen Support des Herstellers telefonieren (wenn ich überhaupt durchkam), und noch mehr Zeit habe ich mit Versuchen verbracht, das Problem selbst zu beheben. Bis jetzt ist keine Lösung in Sicht.

Bei einer Cloud-basierten Version von Windows dürften all die grundlosen Verlangsamungen, Netzwerkstörungen und sonstigen PC-Probleme, die wir alle kennen, definitiv nicht mehr auftauchen. Sonst wäre der Rechner sofort unbrauchbar. Unternehmen haben wenigstens IT-Support-Mitarbeiter oder einen externen Helpdesk, um solche Probleme zu lösen. Gelingt das nicht, ersetzt die IT-Abteilung den problematischen PC einfach durch einen neuen. Private Benutzer kennen einen solchen Luxus nicht.

Mir kann niemand erzählen, dass die jahrzehntelang gewachsenen Probleme mit Windows von einem Tag auf den anderen verschwinden werden, nur weil das System nun in der Cloud läuft. Wenn sie aber bleiben, kann ich mir kaum vorstellen, dass irgendjemand mehr als 100 Dollar pro Jahr an Microsoft zahlen wird, um ein Produkt zu kaufen, das schlechter ist als das, das er heute praktisch umsonst bekommt. Dennoch scheint dies die Richtung zu sein, in die Microsoft gehen möchte. (hv)

Dieser Kommentar ist zuerst bei unseren US-Kollegen von computerworld.com erschienen.

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