Talent-Management
Wo steckt der Nachwuchs?
Nicht alle Recruiting-Experten sehen Assessments als geeignetes Instrument an, um die passenden Mitarbeiter zu identifizieren. Magnus Graf Lambsdorff hält es für gut möglich, dass Bewerber in einer simulierten Situation versagen, in der Praxis aber überzeugen - oder umgekehrt. Deshalb setzt der Berater von Egon Zehnder International auf sogenannte verhaltensbasierte und situationsspezifische Interviews. Zehnder, das immer dann in die Unternehmen gerufen wird, wenn es um die externe Bewertung von Führungskräften geht, pirscht sich auf zwei Wegen an den Kandidaten heran. "Wir bitten eine Führungskraft, uns eine strategisch anspruchsvolle Situation aus ihrer Praxis zu erläutern", sagt Graf Lambsdorff, "und fragen sie, wie sie diese gemeistert und wen sie eingebunden hat."
Externe Einschätzung für Kandidaten
Anhand des Kompetenzmodells erstellt der Zehnder-Berater dann eine Bewertung, die er anschließend - "und das ist entscheidend", so Graf Lambsdorff - mit weiteren Referenzen abgleicht. Sprich: Graf Lambsdorff stellt etwa Kunden die gleichen Fragen und bekommt - vielleicht - die gleichen Antworten. Damit ist der Fall dann klar. Der Personalberater rät Unternehmen dazu, diese externe Sicht auf den künftigen Manager mit einzubeziehen, "um sich ein möglichst umfassendes Bild vom Profil des Kandidaten zu machen". Graf Lambsdorff: "Das ist gängige Praxis in den DAX-Unternehmen und börsennotierten Konzernen." Auch Henkel zieht für das Assessments externe Berater hinzu, deren Namen das Unternehmen jedoch nicht nennen möchte.
Das Haupt-Plus der externen Manager-Bewertung liegt nach Graf Lambsdorff vor allem in der erhöhten Transparenz über die Fähigkeiten der Mitarbeiter und darin, dass sich das Unternehmen einen möglichst objektiven Eindruck über die Fähigkeiten der Mitarbeiter verschafft hat. Das verhindere die Dominanz von Seilschaften, bemerkt der Zehnder-Berater. Und es verhindert somit auch jene Egoismen der Abteilungs-Fürsten, die die besten Leute in ihrer Abteilung halten wollen. Auch Detecon-Beraterin Schiedeck kennt die Motive zu Genüge, die eine faire Karriere innerhalb eines Unternehmens zunichte machen. "Gerade in hierarchisch geprägten Strukturen ist es oft so, dass das Top-Management darauf achtet, dass der Nachwuchs nicht die eigene Position gefährdet, statt mit gezielter Nachfolgeplanung die Potenziale der Mitarbeiter weiterzuentwickeln". Das ist, so die Detecon-Studie, typisch für die "Verhaltenskultur" in den Unternehmen. Im Gegensatz zur "Wertekultur" ist dann etwa ein offenes Feedback - wie es übrigens bei Henkel ausdrücklich gefördert wird - nicht möglich.
Auch Forrester-Mann Peters kennt die Situation: Das Unternehmen ist ein Sanierungsfall. Der Vorstand holt einen neuen CIO von außen. Unter ihm befindet sich eine Schicht von Managern alten Schlages, die nicht innovativ sind und sich nur noch in die Rente retten wollen. Peters: "Die CIOs sind gezwungen, in die zweite Reihe zu gucken" - und dort jene Talente ans Licht zu befördern, die das Unternehmen jahrelang nicht erkannt hat oder nicht erkennen wollte.