Public IT


Entscheidung erst Ende 2014

Zukunft von Toll Collect bleibt unklar

Johannes Klostermeier ist freier Journalist aus Berlin. Zu seinen Spezialgebieten zählen unter anderem die Bereiche Public IT, Telekommunikation und Social Media.
Für eine Neuausschreibung des Mautsystems scheint die Frist inzwischen viel zu kurz. Im Mai soll das Schiedsgericht wegen einer Milliardenforderung des Bundes tagen.

Ist es politische Absicht, oder werden wichtige Termine für Ausschreibungen einfach verschlafen? Das fragen sich Beobachter auch beim Thema Toll Collect. Im August 2015 läuft der Mautvertrag aus, der Bund kann den Vertrag verlängern, das Unternehmen selbst übernehmen oder ein neues Maut-System ausschreiben. Doch Ausschreibungen kosten Zeit. Und nun ist es schon Mai 2014.

Im Gespräch mit der "Berliner Zeitung" und dem "Kölner Stadtanzeiger" hat der Vize-Fraktionschef der SPD, Sören Bartol, versucht, den neuen Verkehrsminister Alexander Dobrindt unter Druck zu setzen. Dobrindt müsse endlich beim Thema Maut handeln, sagte er dort.

Wolle man die Maut auf alle Bundesfernstraßen ausdehnen, stiege die Länge der mautpflichtigen Straßen von jetzt rund 13.000 auf dann 40.000 Kilometer. Dies sei aber im Vertrag nicht abgedeckt. Rund zwei Milliarden Euro erhofft sich der Bund an Einnahmen für den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur.

SPD: Bund soll Toll Collect vorübergehend übernehmen

Bartol schlägt deswegen vor, dass der Bund das Maut-Betreiberunternehmen Toll Collect vorübergehend selbst übernimmt. Das wäre die so genannte "Call-Option" im Vertrag.

Im August 2015 läuft der Mautvertrag aus. Bis Ende 2014 will Alexander Dobrindt entscheiden, wie es weiter geht.
Im August 2015 läuft der Mautvertrag aus. Bis Ende 2014 will Alexander Dobrindt entscheiden, wie es weiter geht.
Foto: Toll Collect

"Eine Vertragsverlängerung löst hingegen kein Problem", sagte Bartol. Und weiter moniert auch er: "Experten sagen uns außerdem, dass eine Neuausschreibung des Systems auch nicht mehr in Frage kommt, weil die Zeit schlicht nicht mehr ausreicht. Das müsste europaweit ausgeschrieben werden, was bis zu vier Jahre dauert."

Toll Collect und Verkehrsministerium sagen nicht viel

Bei Toll Collect will man sich dazu nicht äußern und verweist auf Anfrage an das Bundesverkehrsministerium. Dort heißt es, Minister Alexander Dobrindt habe sich dazu in einem Interview mit der FAZ geäußert. Mehr sei dazu derzeit nicht zu sagen.

Der Minister sagte dort: "Wir prüfen zurzeit, ob wir Toll Collect übernehmen, den Vertrag mit dem Unternehmen verlängern oder ob wir das ganze System neu ausschreiben sollen. Eine Entscheidung wird im Laufe dieses Jahres fallen."

Alles solle "nach fachlichen Kriterien" entschieden werden. Es ginge darum, wie der Bund die Lkw-Maut künftig am besten und sichersten einnehmen könne. Und, fügt Dobrindt vielsagend hinzu: " Es gibt viele Interessenten für dieses in der Tat gute Geschäftsmodell."

Das Schiedsgerichtsverfahren überschattet alles

Doch was die Entscheidung zusätzlich verkompliziert, ist das immer noch nicht entschiedene Schiedsgerichtsverfahren. Der Bund will von den Konsortialpartnern des Mautsystems Toll Collect, Deutsche Telekom (45 Prozent) und Daimler Financial Services (45 Prozent) sowie Cofiroute (10 Prozent), rund sieben Milliarden Euro Schadensersatz und Vertragsstrafe inklusive Zinsen haben.

Die Vertragsstrafen beruhen auf angeblichen Verletzungen des Betreibervertrags - fehlende Zustimmung zu Unterauftragnehmerverträgen, verspätete Bereitstellung der On-Board-Units und Kontrolleinrichtungen. Schon seit 2005 hofft die Bundesregierung auf einen Urteilsspruch gegen die Konsortialpartner.

Verfahren sollte schon im September stattfinden

Wir erinnern uns: Am 31. August 2003 sollte ja das das neue Mautsystem eigentlich in Betrieb gehen, doch technische Pannen, Lieferschwierigkeiten, Größenwahn und missglücktes ProjektmanagementProjektmanagement machten den Projektstart zur immer wieder verschobenen Lachnummer. Das "CIO Magazin" berichtete. Erst am 1. Januar 2006 wurde das Mauterhebungssystem dann mit allen Funktionen installiert und lief. Alles zu Projektmanagement auf CIO.de

Ein Ende des Schiedsgerichtsverfahrens schien bereits im Juli 2013 absehbar. Treffen wollte man sich ab dem 30. September 2013 in München, genauer Ort und genauer Zeitpunkt waren geheim. Sechs Tage lang sollte verhandelt werden.

Ab 19. Mai 2014 wird weiter verhandelt, heißt es

Nun steht ein neuer Termin fest. Im Mai 2014, in der Kalenderwoche 21, die am 19. Mai 2014 beginnt, wolle man sich wieder zusammensetzen, verrät ein Sprecher von Daimler Financial Services. Doch alles Weitere sei vertraulich. Auch der Sprecher der Deutschen Telekom möchte dazu nicht mehr sagen.

Bald sollen auch alle Bundesfernstraßen mautpflichtig werden. Doch das sieht der Vertrag nicht vor.
Bald sollen auch alle Bundesfernstraßen mautpflichtig werden. Doch das sieht der Vertrag nicht vor.
Foto: Toll Collect GmbH

Eingeladen hat wieder der ehemalige Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht München, Wolfgang Nitsche, der das Amt des Vorsitzenden des Schiedsgerichtes Anfang 2013 vom ehemaligen Bundesrichter Günter Hirsch übernommen hat. Dieser gab das Amt aus gesundheitlichen Gründen auf. Nitsche ist schon lange nicht mehr am Oberlandesgericht München, deswegen kann der Sprecher des Gerichts auch keine Auskünfte zu ihm geben. Unklar bleibt, wie man ihn erreicht, um ihn zum Stand des Verfahrens zu befragen.

Medien kritisieren die "Schattengerichtsbarkeit"

Die "Wirtschaftswoche" hat im Mai 2013 zur "Schattengerichtsbarkeit" durch Schiedsgerichte einen kritischen Artikel veröffentlicht. Dort heißt es unter der Überschrift "Justitia verzieht sich ins Hinterzimmer": "Kein Medienrummel, absolute Diskretion, schnelle Verfahren - immer mehr Unternehmen lösen ihre Streitereien jenseits des Gesetzes." Doch die geheimen Urteile hätten ihren Preis.

"Es gibt keine Zuschauer und keine öffentliche Debatte, eine Kontrolle durch die höhere Instanz wie vor Gericht entfällt." Mangels Kenntnis der Schiedssprüche könne niemand sicher sagen, ob in diesen privaten Verfahren das öffentliche Interesse gewahrt werde. So zitiert die Zeitschrift Moritz Renner, Professor für transnationales Wirtschaftsrecht an der Universität Bremen.

Koordinator der immer beliebter werdenden Schiedsgerichte ist die "Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit" (DIS) in Köln, ein Verein, der getragen wird von Industrie- und Handelskammern, Unternehmen und Juristen. Dort vermittelt die Telefonzentrale gerne an den zuständigen Rechtsanwalt des Schiedsgerichtsverfahrens weiter, wenn man denn die Verfahrensnummer kennt. Doch eine Anfrage an den Sprecher der Deutschen Telekom dazu blieb bislang unbeantwortet.

"Anwälte verdienen richtig viel Geld"

Bartol von der SPD meint dazu im Interview der "Berliner Zeitung" nur: "Das derzeit laufende Schiedsgerichtsverfahren dient im Moment vor allem dazu, dass einige Anwälte in diesem Land richtig viel Geld verdienen." Es sollte jetzt endlich zum Abschluss gebracht werden. Mehr ist dem wohl nicht hinzufügen.

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