Besuch in den neuen EU-Ländern
Im Osten geht die Sonne auf
Lindgrüne Tapeten, dazu farblich abgestimmt der PVC-Belag auf dem Fußboden. Hinter dem laminierten, buchefarbenen Schreibtisch sitzt im besten DDR-Reminiszenz-Ambiente Gundars Andzans, Bereichsleiter OffshoreOffshore Europa, und trinkt seinen Kaffee aus einem Becher mit der Aufschrift "Danzdeel Salzkotten". Ort des Treffens: Lettland, Riga, Kuldigas iela 45. Hier hat der größte lettische IT-Dienstleister Dati Group seinen Sitz, der mehr als die Hälfte des Umsatzes mit deutschen Kunden macht. "Wir haben fabelhafte Referenzen, und wir sind günstiger als Mitbewerber in Deutschland", wirbt Andzans in fließendem Deutsch. Alles zu Offshore auf CIO.de
Durch die zeitliche Nähe zum EU-Beitrittstermin rückte Lettland neben den neun Ländern Litauen, Estland, Ungarn, Slowenien, Slowakei, Tschechei, Polen, Malta und Zypern wieder verstärkt in den Blickwinkel vieler deutscher Unternehmen. Bis auf Malta und Zypern, deren Lohnniveau über dem der anderen Länder liegt, vereint die EU-Neulinge vor allem die niedrigen Personalkosten, verbunden mit wachsender Rechtssicherheit und nahezu westlichem Ausbildungsstandard.
Spitzenreiter Indien, Verfolger Osteuropa
Dabei besitzen osteuropäische Dienstleister im Bereich IT-Outsourcing nicht einmal die besten Karten: Eine Studie des Frankfurter Marktforschungsunternehmens Sereon ergab, dass unter Berücksichtigung mehrerer Faktoren (wie räumliche und kulturelle Nähe, Infrastruktur, FinanzenFinanzen, Ausbildungsstand und Prozessqualität) Indien noch immer Spitzenreiter ist, gefolgt von Osteuropa. Auf den letzten Plätzen landeten China und Weißrussland. Top-Firmen der Branche Finanzen
Bei Dati Group kann dieses Ergebnis niemand verstehen. Schließlich ist Hamburg per Direktflug gerade einmal 150 Flugminuten entfernt, Frankfurt zwei Stunden und München ebenso lang. "Fliegen Sie mal nach Indien, um Ihr neues Team kennen zu lernen oder Probleme schnell zu besprechen - dann wissen Sie, was Sie sicher nicht häufig machen werden", sagt der Dati-Bereichsleiter. Das sei einer der drei großen Vorteile, die Lettland neben dem Preisvorteil biete: räumliche, sprachliche und kulturelle Nähe zu Deutschland. Unterstützung erhält er von Ulrich Schäfer, Berater beim Marktforschungsunternehmen Metagroup: "Die osteuropäischen IT-Profis sind nicht nur hervorragend qualifiziert, sie sind darüber hinaus in ihrer Mentalität den Deutschen wesentlich näher als die Kollegen aus weiter entfernten Ländern.
Tatsächlich strahlt schon die 770 000-Einwohner-Stadt Riga, die eine wechselvolle Geschichte mit deutscher, schwedischer und letztlich knapp 50-jähriger russischer Besetzung hinter sich hat, eher hanseatische Atmosphäre aus. Die Altstadt besteht zu einem Drittel aus schön gestalteten Jugendstilgebäuden, die fast alle bereits renoviert sind, und wird - Hamburg oder Dresden ähnlich - durch den breiten Fluss Daugava vom Rest der Hauptstadt getrennt. Das Publikum wirkt international, die Mittags-Rush-Hour ähnelt der in vielen anderen europäischen Städten. Auffallend viele junge Leute säumen die Straßen - schließlich liegt die Universität mitten im Stadtzentrum.