Work-Life-Balance
Ausweitung der Arbeitszone
Für dieses Lebensgefühl hat Puma-Chef Jochen Zeitz (43) die passende Kollektion auf den Markt gebracht. Das Outfit bündelt die rastlose Existenz zwischen Konferenztisch und Cocktailglas in einer Mischung aus Freizeitdress und kühler Eleganz. "96 hours" steht für die Länge einer interkontinentalen Geschäftsreise - es ist die Uniform des globalen Vielarbeiters, für den Arbeit Zuhause ist und Zuhause Arbeit.
Zeitz ("Ich bin praktisch immer erreichbar, das halte ich für selbstverständlich") glaubt fest daran. In Armani-Jeans, dem modischen Hemd über brauner Haut sieht er aus, als flöge er gleich nach Ostafrika in sein Haus zum Ausspannen. Tatsächlich warten eine Videokonferenz über Ausrüsterverträge, ein Mediaplaner-Treffen und etliche Telefonate mit Geschäftsführern auf ihn.
Seine Mails beantwortet er fast alle selbst ("Ich mag keine vollen In-Boxen"), er checkt sie ständig ab, morgens um sechs, am Wochenende, im Urlaub; die "Out of Office"-Benachrichtigung verwendet er nie: "Ich habe keine Off-Zeit; ich werde nervös, wenn nichts zu tun ist." Seine Antworten ("OK") sind für ihre Prägnanz berüchtigt, Zeitverschwendung kann er nicht leiden, Zeitz ist ein Effizienzjunkie. Schlechte Nachrichten prallen an seiner Konzentration ab: "Ich überlege sofort, was ich ändern kann."
Beim Training im Fitnessstudio, eingerichtet im ehemaligen Vorstandstrakt zwischen schweren Mahagoniwänden, kommen ihm Ideen für neue Projekte, beim Joggen bespricht er sich mit Kollegen. Als Zeitz die Geschäfte einige Jahre von Boston aus lenkte, erzählen Mitarbeiter ehrfürchtig, habe er die Arbeitszeiten beider Kontinente quasi kombiniert: "Wer morgens um 9 aus Herzogenaurach eine Mail an ihn schrieb, hatte ein paar Minuten später die Antwort."
Trotzdem, sagt der Puma-Chef, "bin ich nur an wenigen Tagen abends richtig geschafft". Zeitz' Antrieb ist die Dynamik seines rasant wachsenden Unternehmens, "die Freude am Gestalten".
Stress ist Reaktion auf Bedrohnungen
Ihre grosse Verantwortung ist für Extremjobber keine Last, sondern Lust. Als Generalbevollmächtigter der Fraport AG , zuständig für Sicherheit, Flug- und Terminalbetrieb, muss sich etwa Volker Zintel (60) jeden Tag um die Quadratur des Kreises kümmern: Möglichst schnelle, komplikationsarme Abfertigung, gleichzeitig maximale Sicherheit.
Aber wer Zintel in blauen Nadelstreifen, mit weißem Bürstenhaarschnitt und zackigem Schritt über den Flughafen eilen sieht, der merkt: Dem Mann macht das Spaß. Obwohl ihn die Umsetzung der EU-Richtlinien für Flüssigkeiten im Flugzeug fast wahnsinnig macht, die Lufthansa wieder über Verzögerungen nörgelt und der 35 Jahre alte Terminal 1 beste Chancen hätte im Wettbewerb "Deutschland sucht die Superbaustelle".
Zintel war lange Polizist, danach Bürgermeister einer hessischen Kleinstadt. Als Manager mit 14-Stunden-Tag und permanent piependem Blackberry nutzt er die Tricks aus beiden Welten: Den polizeilichen Sinn für Ordnung und klare Kante ("Abends muss der Schreibtisch möglichst leer sein") und die verbindliche Menschenfischerei des Politikers: "In dieser Querschnittsfunktion geht nichts über Organigramme, nur über Menschen und persönliche Kontakte."
Vielleicht ist es gut, meint der Sicherheitschef, dass er seinen bislang stressigsten Job erst im reiferen Alter angetreten hat. "Je wilder es zugeht, etwa bei der Rückkehr der Tsunami-Opfer vor zwei Jahren, desto ruhiger werde ich."
Stress ist eine archaische Reaktion auf Bedrohungen, die übergeordnete Gehirnfunktionen (Planen, Organisieren) ausschaltet und alles aufs Überleben ausrichtet. In der Steinzeit war das sinnvoll; doch wenn wir heute bei der achten Entscheidung zum fünften Mal unterbrochen werden, während wir nach der zehnten fehlenden Information suchen, dann brauchen wir die übergeordneten Hirnfunktionen dringender denn je.
Wenn Extremjobber ihre Arbeit nicht als Belastung, sondern als Privileg empfinden, wenn sie unter Stress so angespannt sind wie Lehrer in den Sommerferien - dann tun sie instinktiv genau das Richtige und bleiben gelassen. Was sie wiederum geschickter agieren lässt - eine Spirale von Motivation und Erfolg.
Nur leider: "Lernen kann man das nur bis zu einem gewissen Punkt", sagt der Mediziner Ciré. Man kann sein Zeit-Management verbessern oder sich zwingen, öfter ruhig zu bleiben. Der Rest ist schlicht eine Typfrage. Wie Zintel sagt: "Ich hab' immer schon am liebsten unter Druck gearbeitet."