Strategien


Logistik

Automatisierung und Gamification bei Lkw Walter

Evi Schneider beschäftigte sich schon im Studium der Phonetik und Psycholinguistik an der LMU mit den Einflüssen von Kommunikation. Heute setzt sie diese Theorien als leidenschaftliche Marketeer in der IT-Branche, mit Fokus auf Account Based Marketing, in die Praxis um. Vor ihrer Position als Senior Global Campaigns Manager EMEA baute sie das Marketing für die CEMEA-Region von Confluent auf und war davor im Marketing bei ownCloud und SugarCRM beschäftigt.
Leo Hintersteiner ist CIO des Logistikunternehmens Walter Group.
Lkw Walter hat seine Geschäftsprozesse revolutioniert, indem es eine event-getriebenen Architektur implementiert hat und Daten-Streaming einsetzt.
LKW Walter ist ein österreichisches Transportunternehmen, beschäftigt 1.650 Menschen und erwirtschaftete 2022/2023 2,79 Milliarden Euro.
LKW Walter ist ein österreichisches Transportunternehmen, beschäftigt 1.650 Menschen und erwirtschaftete 2022/2023 2,79 Milliarden Euro.
Foto: Bjoern Wylezich - shutterstock.com

Die Wissenschaft geht aktuell davon aus, dass es ungefähr 100 Tage dauert, bis man eine neue Gewohnheit, eine neue Fähigkeit oder eine Routine für sich selbst etabliert hat. Genau diese Erkenntnis macht sich die unter Entwicklerinnen und Entwicklern bekannte Challenge "100 Days Of Code" zu Nutzen. Seit 2016 vereinigen sich unter diesem Hashtag Tausende von Lernbegeisterten, die sich einer neuen Coding-Challenge stellen wollen. In den Sozialen Netzwerken gab es allein 2023 hunderte Posts zu diesem Thema.

100 Days Of Code ist eine Challenge, die Entwicklern hilft, mit einem selbstgesteuerten Lernpfad selbstständig Programmiergewohnheiten aufzubauen. Dazu zählen zum Beispiel auch SkillsSkills zur Open-Source-Lösung Apache Kafkafür Daten-Streaming. Alles zu Skills auf CIO.de

Für mehr spannende Hintergründe, Deep Dives und Strategien aus der CIO-Community, abonnieren Sie unsere Newsletter.

Skillsets in neuen innovativen Technologien aufzubauen ist für Unternehmen jeder Größe ein wettbewerbsentscheidender Vorteil. Dessen ist sich auch Lkw Walter bewusst, seines Zeichens einer der führenden Spediteure in Europa. Vor 100 Jahren schickten sie den ersten LKW beladen auf die Reise. Heute führt Lkw Walter jährlich mehr als 1,5 Millionen Transporte durch und täglich organisiert das Unternehmen mehr als 7.000 Komplettladungen (FTL) auf der Straße und im kombinierten Verkehr.

Aufgrund der sinkenden Margen auf dem Transportmarkt setzt Lkw Walter auf Automatisierung. Viele klassische Routineprozesse der Logistik, zum Beispiel den Lkw-Fahrer anzurufen und zu fragen, wo er ist, oder dem Kunden telefonisch mitzuteilen, dass der Lkw zu spät kommt, sind durch digitale Prozesse ersetzt worden. Auch die Bearbeitung von Ausschreibungen und Transportanfragen, die Mitarbeiter zuvor viel Zeit gekostet haben, wurden weitgehend automatisiert und die Einführung einer event-getriebenen Architektur war ein essenzieller Bestandteil dieses Veränderungsprozesses.

Der Wechsel zum event-getriebenen Unternehmen

LKW Walter hatte die gleiche Herausforderung wie viele Unternehmen: Sowohl das Business als auch die IT-Abteilungen mussten gleichermaßen begeistert werden vom neuen Paradigma der event-getriebenen Architektur. Dessen hatte sich die IT-Führungsriege verschrieben hatte und die digitalen Vorreiter im Betrieb warm ihm schon lange zugetan.

Kunden fordern mehr Transparenz und mehr Informationen als jemals zuvor, auch wenn es um den Status einer Lieferung geht. Die "Amazon Experience" verlangt, dass jede Änderung im Lieferprozess, jedes Event, direkt an den Kunden weitergegeben wird. Also müssen alle Bereiche des Unternehmens verstehen, dass man von nun an in "Events" denkt und handelt.

Was ist ein "Event" in der Logistikbranche?

Ein Event stellt eine unveränderliche Tatsache über etwas dar, das passiert ist. Beispiele für Events können Bestellungen, Zahlungen, Aktivitäten oder Messungen sein. Events können sowohl von außen, etwa durch Benutzereingaben oder Sensorwerte, als auch vom System selbst ausgelöst werden.

Woher kommen diese Events, vor allem im Beispiel der Logistik? Dazu zählen klassische Transaktionen wie Anfragen, Auftragseingänge etc., aber auch Bewegungen der Lkws und Trailer. Hierbei sprechen wir bereits von IoT-Devices (Telematik-Boxen die GPS-Signale senden).

Prozesse beziehen sich auf zukünftige Aktionen, daher waren "Predictive Events" von Nöten, eine mittlerweile zentrale Komponente in der Software-Landschaft von Lkw Walter. Das Ziel im Jahr 2017 war es, mit Hilfe von Event-Streaming Ereignisse in verketteten Modulen auszulösen und manuelle Eingriffe zu reduzieren.

Frei nach der Devise: "Wir bauen nun intelligente Systeme, aber wäre es nicht ideal, wenn alle unsere Module, von Pricing bis zur Verrechnung einander triggern würden?" Das produktive Deployment von Apache Kafka war eines der ersten produktiven Cluster in ganz Österreich.

Business begeistern: On-Site Abendveranstaltungen bringen das Management zusammen

Die richtige Vision kann nicht entstehen, wenn die Business-Seite die Möglichkeiten neuer Paradigmen nicht versteht. Daher war es wichtig, diesen Teil des Unternehmens von Anfang an mit auf die Reise zu nehmen.

Hierzu wurde ein mehrstufiges Enablement-Programm gemeinsam mit dem Beratungshaus BearingPoint ins Leben gerufen, welches über fünf Monate die 380 Führungskräfte jeder Ebene abholte. Auch hier setzte man auf die 100-Tage-Veränderungsregel.

Unter anderem wurden hierzu drei Abendtermine mit jeweils 100 Personen aus dem Management in Wien und Kufstein aufgesetzt, welche nicht nur einen Impulsvortrag zum Thema "Data in Motion", sondern auch eine Keynote von einem externen Sprecher beinhalteten.

Beim abschließenden Networking wurden die Inhalte direkt gemeinsam diskutiert und teilweise auch schon konkrete nächste Schritte eingeleitet. In darauf aufbauenden Workshops wurde die Theorie Schritt für Schritt in die Praxis umgesetzt.

Am Ende war allen klar: Echtzeitdaten sind meist besser als langsame und statische Daten. Event-getriebene Architekturen führen zu reaktionsschnelleren und automatisierten Geschäftsprozessen. Logistik, Versand und TransportTransport können ohne Echtzeitinformationen und damit verbundene Entscheidungen, Empfehlungen und Warnungen keine effizienten und innovativen Geschäftsmodelle aufbauen. Top-Firmen der Branche Transport

Die Entwicklungsteams begeistern: #TheWalterCode

Nicht nur das Management muss verstehen, wie man in Events denkt. Der Paradigmenwechsel war auch für die Technikerinnen und Techniker bei Lkw Walter eine Herausforderung. Wie bei jedem größeren Technologieprojekt war es notwendig, den nötigen Fokus und Antrieb zu schaffen.

Lkw Walter nutzte hierfür das bewährte Format "100 Days of Code", welches von der Confluent-Community bereits 2021 in "100 Days of Kafka" umgestaltet wurde. Passend zum Brand wurde #TheWalterCode aus der Taufe gehoben, um den Wiedererkennungswert intern und extern zu steigern und eine "Grundadaption" der Thematik zu fördern.

Manche nennen es eine Herausforderung. Andere nennen es eine Community. Wie auch immer man es nennt, 100 Days Of Code ist als gamifizierte Lernerfahrung ausgelegt, die Entwicklerteams hilft, starke Programmiergewohnheiten zu entwickeln, während man innerhalb einer Gemeinschaft sich gegenseitig unterstützen kann.

Innerhalb von Lkw Walter bildete man fünf Teams, bestehend aus drei bis vier Enterwicklern, welche alle die gleiche Problemstellung der "stillstehenden Transportressourcen" zu lösen hatten. Durch die aufeinander aufbauenden Module der 100 Days of Code konnte man über verschiedene Funktionalitäten von Apache Kafka diese Herausforderung lösen.

Der Input für die Berechnungen wurde in Form von Kafka-Topics zur Verfügung gestellt. Jedes Team erhielt zur Lösung der Problemstellung außerdem einen Promocode für Confluent Cloud sowie ein eigenes Bitbucket-Projekt, das nur vom Team und der Jury einsehbar war. Die entwickelte Lösung muss pro Team lauffähig sein. In welcher Art die Lösung ausgeführt oder deployed wurde, war den Teams selbst überlassen.

Die Lösungen der einzelnen Teams wurden zu jedem Review von einer Jury bewertet. Pro Review Session wurden unterschiedliche Schwerpunkte gelegt, die jeweils zum Ende der vorangehenden Review Session bekanntgegeben wurden.

Die Jury setzt sich aus dem Walter-Group- und dem Confluent-Team zusammen, wobei die Jury-Mitglieder je Review-Termin entsprechend der Schwerpunkte des Reviews anwesend sein werden. Pro Review-Session gab es einen einheitlichen Bewertungsbogen, nach dem die einzelnen Teams objektiv verglichen wurden.

Die Bewertungen sollten aber nicht nur als Maßstab für die Gewinner der Hauptpreise herangezogen werden (eine Reise nach Frankfurt zur Data in Motion Tour, inklusive feierlicher Siegerehrung und finaler Präsentation des Siegerprojekt), sondern auch für entsprechendes technisches Feedback sorgen und die Möglichkeit bieten, von den anwesenden Experten Verbesserungsvorschläge und Ideen zu erhalten.

Einige Beispiele im laufenden Business, die aus diesem Wandel hervorgehen, sind die folgenden:

Events sind in diesem Fall Ereignisse wie die Ankunft eines Lkw an einer bestimmten Stelle, die voraussichtliche Ankunftszeit oder der Eingang eines Auftrags. Der jeweilige Standort der Trailer und Ladungen wird mittels GPS-Sensoren erfasst. Um die Datenstro¨me der GPS-Sensoren in Echtzeit zusammenzufu¨hren, setzt Lkw Walter auf eine Daten-Streaming-Plattform, basierend auf Apache Kafka. Das Besondere dabei: Kafka versetzt andere Anwendungen in die Lage, diese Events zu interpretieren und selbststa¨ndige Entscheidungen zu treffen.

"Viele unserer Module triggern sich gegenseitig", sagt Vincent Beaufils, Chief Digital Officer bei Lkw Walter. "Das Tool ersetzt damit mehr und mehr die klassische Computer-Mensch-Interaktion." Die Transportpartner fragen Informationen u¨ber Ladungen ereignisgesteuert im Internet selbst ab. Kundenanfragen zum Transport werden ohne menschliche Einwirkung in Echtzeit kommuniziert, zum Beispiel die Ankunftszeit eines Lkw, damit der Kunde die Rampen vorbereiten kann. Beim Pricing ist die menschliche Interaktion sehr stark reduziert worden.

Fazit

Was haben wir aus #thewaltercode und den Business-Workshops gelernt? Auch wenn die Motivation groß war: Weder die Vorbereitung einer 100-Days-of-Code-Challenge noch ein unternehmensweiter Paradigmenwechsel passiert über Nacht.

Zweiteres geht es auch ziemlich sicher über die 100 Tage hinaus. Sowohl Teams als auch Führungsriege müssen sich die Zeit dafür explizit nehmen. In diesem Fall war die Challenge mit so viel Spaß verbunden, dass die cross-funktionalen Teams gerne zusammenkamen.

Cross-funktional war auch ein weiterer Schlüssel zum Erfolg, denn die bunt gemischten Teams bereicherten sich mit ihren unterschiedlichen Blickwinkeln und Technologieschwerpunkten. Am Ende waren sich alle einig: Die 100-Days-of-Code-Challenge war ein guter Einstieg - aber noch besser mit einem Business-Case-Spin. Die Challenge hatte innerhalb von Lkw Walter für viel Interesse gesorgt und an einem überarbeiteten Konzept zur Zusammenführung von Business und Development wird bereits getüftelt. (jd)

Zur Startseite