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Chipfabriken lassen sich nicht aus dem Boden stampfen

19.09.2021
Chips müssen schnell sein. Sie herzustellen, ist allerdings ein langwieriges Geschäft. Und der Aufbau von Kapazitäten ist aufwendig. Auch deswegen lässt sich der Chipmangel nicht schnell beseitigen.
Infineon hat im österreichischen Villach jetzt seine neueste Chipfabrik eröffnet. Das könnte gegen den aktuellen Chipmanagel in Europa helfen - ist aber keine Reaktion darauf. Die braucht wegen der Komplexität des Geschäfts länger. Ein Blick auf die Infineon-Baustelle in Villach im Mai 2020.
Infineon hat im österreichischen Villach jetzt seine neueste Chipfabrik eröffnet. Das könnte gegen den aktuellen Chipmanagel in Europa helfen - ist aber keine Reaktion darauf. Die braucht wegen der Komplexität des Geschäfts länger. Ein Blick auf die Infineon-Baustelle in Villach im Mai 2020.
Foto: Infineon

Seit Monaten bremst der Chipmangel weltweit das Wirtschaftswachstum. Kaum eine IndustrieIndustrie, in der die Bauteile nicht gebraucht werden. Und immer wieder stehen Bänder still, weil Teile fehlen. Firmen kämpfen darum, die begehrten Halbleiter in ausreichenden Mengen kaufen zu können. Wer keine langlaufenden Verträge hat, muss teils hohe Preise zahlen. Auf einen gut bezahlten Mangel reagiert der Markt normalerweise mit einem Ausbau der Produktion. Dass das nicht so einfach ist, lässt sich am Beispiel von Infineons neuester Chipfabrik zeigen. Top-Firmen der Branche Industrie

Der Dax-Konzern aus Neubiberg bei München eröffnete im österreichischen Villach jetzt offiziell sein neuestes Werk. Der Bau ist gut gelaufen, war sogar ein paar Monate schneller als ursprünglich geplant. Dass das Werk mitten im Chipmangel zu produzieren beginnt, ist für InfineonInfineon ein Glücksfall. Denn als Anfang 2018 die Entscheidung zu dem Bau fiel, war die aktuelle Entwicklung alles andere als absehbar. Im Mai 2019 begannen die Bauarbeiten, die Produktion startete bereits Anfang August dieses Jahres - und in diesen Tagen kommen nun die ersten Chips aus der Fertigung. Top-500-Firmenprofil für Infineon

Chipfabrik in Villach kostet 1,6 Milliarden Euro

Gut dreieinhalb Jahre liegen dazwischen. Dabei gelten Chipfabriken als sogenannte Fast-Track-Projekte, wie Andreas Wittmann, der Projektleiter für den Bau in Villach, betont. Aufgrund des sehr hohen Kapitaleinsatzes muss dabei der Bau besonders schnell umgesetzt werden. Die Fabrik in Villach kostet 1,6 Milliarden Euro. Doch bis die Fabrik ihre volle Kapazität erreicht, wird es ebenfalls noch einige Jahre dauern. Dass Fabriken graduell hochgefahren werden, sei in der Halbleiterbranche üblich, erklärt Wittmann.

Halbleiter entstehen in Reinräumen, so wie diesem in der Infineon-Chipfabrik in Villach. Dort dürfen maximal 1.000 Partikel in 28 Litern Luft sein.
Halbleiter entstehen in Reinräumen, so wie diesem in der Infineon-Chipfabrik in Villach. Dort dürfen maximal 1.000 Partikel in 28 Litern Luft sein.
Foto: Infineon

Schon der Bau ist allerdings nicht banal, denn eine Chipfabrik stellt hohe Anforderungen an die Räume. Weil ein Staubkorn im Vergleich zu den Strukturen auf einem Chip riesig ist, würde es ihn unbrauchbar machen. Daher entstehen Halbleiter in Reinräumen. 1.000 Partikel dürfen dort in 28 Litern Luft sein. Das ist ein Hundertstel dessen, was in reiner Gebirgsluft ist, wie Thomas Reisinger, Vorstandsmitglied bei Infineon Österreich, sagt. Permanent fließt gefilterte Luft in den Räumen durch Lochdecken von oben nach unten. Auch Wasser, Gase und Chemikalien, die eingesetzt werden, müssen hochrein sein.

Hohe Anforderungen an das Gebäude

Weil die Strukturen so winzig sind, darf in der Fabrik zudem nichts wackeln. Maschinen sind daher schwingungsfrei aufgestellt, Wasserleitungen werden so montiert, dass sie Vibrationen nicht übertragen. Und vor allem gibt es sehr viel Beton - der Inhalt von 7.800 großen Mischlastern wurde verbaut. Die Decken sind 1,20 Meter dick, denn die Masse dämpft Schwingungen.

Beim Bau einer Chipfabrik geht es aufgrund der Spezialanforderungen prozesses auch darum, Spezialfirmen, Material und Technik zu bekommen - die nicht immer vor Ort sein können, betont Thomas Reisinger, Vorstandsmitglied Infineon Österreich.
Beim Bau einer Chipfabrik geht es aufgrund der Spezialanforderungen prozesses auch darum, Spezialfirmen, Material und Technik zu bekommen - die nicht immer vor Ort sein können, betont Thomas Reisinger, Vorstandsmitglied Infineon Österreich.
Foto: Infineon

Die Herausforderung sei am Ende aber nicht ein einzelnes System, sondern, alle internen und externen Partner zu synchronisieren, sagt Wittmann. Dabei geht es während des Bauprozesses auch darum, Spezialfirmen, Material und Technik zu bekommen. "Das können ihnen nicht ausschließlich örtliche Anbieter machen", betont Reisinger. Dass die Produktion von Chips inzwischen vor allem in Südostasien erfolgt, macht die Aufgabe nicht leichter: Denn auch viele Spezialisten für Bau und Ausrüstung sitzen inzwischen dort und nicht in Mitteleuropa, wie er erklärt.

Spezialisten für Bau und Ausrüstung fehlen in Europa

Infineon hatte mit seinem Timing beim Bau der Fabrik nicht nur Glück, weil sie zum richtigen Zeitpunkt fertig ist, sondern weil sie trotz aller Herausforderungen durch Corona gut zu bauen war: "Wenn sie heute eine Fabrik neu bauen, wo alle damit anfangen, wäre es sehr viel schwieriger, sich die Ressourcen zu sichern", sagt Wittmann. "Das würde den Bau sicher verzögern."

Aber selbst wenn die Fabrik steht, dauert es noch, bis die Chips im Markt ankommen. Zwei bis drei Monate beträgt die typische Durchlaufzeit eines Chips in der Villacher Fabrik, wie Reisinger sagt. Bis zu 1.200 Arbeitsschritte sind nötig. Und dann ist er immer noch nicht fertig. Bis zum fertigen Chip oder Leistungshalbleiter sind weitere ein bis zwei Monate an anderen Infineon-Standorten nötig.

Kein Wunder also, dass der Chipmangel die Industrie wohl noch einige Zeit behindern dürfte. Bis ins nächste Jahr auf jeden Fall, war zuletzt aus der Autoindustrie zu hören. Vielleicht auch noch länger. (dpa/pma)

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