IT-Transformation

Der CIO als Change-Architekt

Stephanie Overby schreibt unter anderem für die US-Schwesterpublikation CIO.com.
Vier CIOs berichten, wie sie ihre IT-Organisationen verändert haben, um den Weg für die Business-Transformation ihrer Unternehmen zu ebnen.
Mit agilen, zukunftsgerichteten IT-Strategien legen CIOs das Fundament für erfolgreiche Transformationen im Business.
Mit agilen, zukunftsgerichteten IT-Strategien legen CIOs das Fundament für erfolgreiche Transformationen im Business.
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Bei Change-Initiativen gibt es einen Unterschied zwischen dem Reagieren auf Störungen und der Fähigkeit, sich proaktiv neu zu erfinden, um IT-gestützt die digitale Transformation voranzutreiben. Letzteres ist nicht nur eine technologiegestützte Antwort auf neue Umstände, sondern eine Strategie, um den Wandel voranzutreiben. Das beginnt meist mit der IT-Organisation selbst. Dazu braucht es IT-Führungskräfte, die so einen Wandel von Menschen, Prozessen und Technologien steuern können.

Im Folgenden berichten vier IT-Chefs, die mehrjährige Change-Maßnahmen leiten, von ihren Erfahrungen, Herausforderungen, den Früchten ihrer Bemühungen.

Vom Auftragsnehmer zum Wachstums-Partner

Jeanine L. Charlton ist seit 2018 Chief Technology and Digital Officer bei Merchant's Fleet, Anbieter von Lösungen für Flottenmanagement. Bei ihrem Antritt wuchs das Unternehmen schnell. Die IT konnte mit ihrem Wasserfall-Ansatz damit nicht mehr Schritt halten.

Als erstes entwickelte Charlton eine neues IT-Organisationsmodell, um den Wandel zu einer agilen Struktur einzuleiten. Statt sich auf Technologie zu konzentrieren, sollte die IT sich mit den wichtigsten Stakeholdern abstimmen. Es galt, den Geschäftspartnern die Rolle zu erklären, die sie spielen müssten. In vierteljährlichen Foren erklärte die Digitalchefin agileagile Arbeitsweisen und die Rolle, die das Business dabei spielt. Alles zu Agile auf CIO.de

Charlton setzte Produktverantwortliche in den Geschäftsbereichen ein und baute ein neues Governance-Modell samt Business Investment Council auf. Charlton überarbeitete auch das IT-Service-Portfolio und verlagerte es ins Ausland. Damit sparte das Unternehmen Geld und bekam die Möglichkeit, besser zu skalieren.

Phase zwei konzentrierte sich darauf, den digitalen Wandel zu beschleunigen, um mit dem raschen Umsatzwachstum des Unternehmens Schritt zu halten. Charlton erstellte gemeinsam mit Führungskräften aus dem Business einen Dreijahresplan. Darauf aufbauend habe sich Merchant's Fleet von einem reinen Flottenmanager zu einem Flottentechnologieunternehmen entwickelt und mehrere neue Geschäftsfelder entschlossen.

"Wir sind ein 60 Jahre altes Unternehmen in Privatbesitz, aber wir waren bereit, mutige Schritte zu machen und uns wie ein Startup zu verhalten", sagt Charleston. Dadurch hätte Merchant's Fleet während der Coronapandemie ihr Wachstum beschleunigen können, während die meisten Marktbegleiter Investitionen gestoppt und stagniert hätten.

Lessons Learned: "Als technische Führungskraft sehen Sie alles im gesamten Unternehmen. Sie sind der Klebstoff, der alles zusammenbringt", sagt Charlton. IT-Leiter sollten ihre Macht nicht unterschätzen und sich für die Veränderungen einzusetzen, die sie für möglich halten. "Engagiert euch, lasst eure Stimme hören und die Ergebnisse anschließend für sich selbst sprechen", rät sie.

Experience als Maßstab

Als Finanzdienstleister S&P Global 2016 seine neue Marke vorstellte, sollte die IT-Organisation eine führende Rolle übernehmen. Das Unternehmen bietet digitale Ratingdienstleistungen, Preisinformationsdienste im Handel, Marktdaten für Geldanlagen und Aktienindizes an. Laut Swamy Kocherlakota, Executive Vice President und CIO von S&P Global, hat der Konzern parallel zur Technologie auch seine Unternehmenskultur verändert.

Die IT stellte auf agile Entwicklung und einen DevOps-Ansatz um. Eine groß angelegte Migration in die Cloud, die Integration von maschinellem Lernen, künstlicher Intelligenz und Robotic Process Automation in bestehende Arbeitsabläufe machte die Organisation effizienter. Das legte den Grundstein für die Architekturstrategie "Cloud-first, Automation-first" und war die Basis für neue Technologien rund um den digitalen Arbeitsplatz.

"Entscheidend ist, dass wir unsere Mitarbeiter auf dieser Reise mitgenommen haben", sagt Kocherlakota. Alle Mitarbeiter sollten selbst Technologen werden, damit sie im Tandem mit der Technologie die größte Wirkung erzielen konnten. Die Lösung: Im "EssentialTECH"-Programm kann die gesamte Belegschaft - nicht nur die IT - in Kursen ihre technologischen Kenntnisse und Fähigkeiten ausbauen.

Heute befinden sich etwa 84 Prozent der Workloads von S&P Global in der Cloud. So können Produkte und Services schneller eingeführt werden und die Latenzzeiten für Kunden sind kürzer. Zudem hat das Unternehmen das Kundenerlebnis verbessert durch eine flexible Vertriebsstrategie und die Transformation der Geschäftstechnologie. Mit den Tools für den digitalen Arbeitsplatz konnten die Mitarbeiter laut dem CIO während der Coronapandemie nahtlos remote oder hybrid arbeiten.

"Zusammengenommen haben wir die Erfahrung für all diese Stakeholder-Gruppen verbessert - das ultimative Ziel der Transformation", resümiert Kocherlakota. Die Messlatte für Erfolg macht er daran fest, wie einfach und effizient jeder Nutzer mit der Technologie und den Angeboten interagiert.

Durch die Veränderungen in der IT wird das Unternehmen laut dem CIO künftig in der Lage sein, schnell erfolgreich zu sein oder sich schnell von Fehlschlägen zu erholen und anzupassen. "Wir müssen wendig bleiben und gleichzeitig unser Produktivitätsniveau in Zeiten des internen Changes und äußeren Veränderungen aufrechterhalten," so Kocherlakota.

Lessons Learned: Für Kocherlakota bringt eine Strategie nichts, wenn es bei der Umsetzung hapert. "Klarheit bei der Messung der Diskrepanzen zwischen dem, was versprochen wurde, und dessen Umsetzung ist der Schlüssel", sagt Kocherlakota. Für jede Initiative habe sein Team Aktivitäten sowie Früh- und Spätindikatoren definiert.

Zudem könne man sich die Energie seiner Mitarbeiter zunutze machen. "Ich denke, dass Techniker oft die interne Kultur als Herausforderung anführen," so der CIO. Gleichzeitig in Zweck und Kultur zu investieren sowie sich auf agile Prozesse und die Weiterbildung der Belegschaft zu konzentrieren, habe geholfen, Technologie als Grundlage für das Business zu etablieren.

Mehr als nur ein Enabler

In den letzten zwei Jahren hat sich der Modekonzern Tapestry auf die Fahnen geschrieben, kundenorientierter, datengesteuerter und reaktionsschneller zu werden. Die IT-Organisation ist in allen drei Bereichen erfolgsentscheidend laut Ashish Parmar, der in den ersten Wochen der COVID-19-Pandemie das Amt des CIO übernahm.

Dazu nutzt sein Team den grundlegenden digitalen Kern und baut neue Fähigkeiten auf, um bessere Erkenntnisse zu gewinnen, informierte Maßnahmen zu ergreifen und eine Plattform aufzubauen. "Technologie ist das Herzstück dieser Reise, nicht nur als Enabler, sondern als eine wichtige Grundkomponente, um die Schlüsselfähigkeiten freizusetzen, die wir brauchen, um für unsere Mitarbeiter, Marken und Stakeholder zu arbeiten," sagt der CIO.

Um das zu erreichen, entwickelte die IT-Abteilung vier Betriebsprinzipien:

  • alles im kommerziellen Kontextes betrachten und sich auf die Ausführung konzentrieren;

  • mit der nötigen Geschwindigkeit arbeiten, um die Zeit bis zur Wertschöpfung für wichtige Ergebnisse zu verkürzen;

  • sich auf die Bereiche konzentrieren, die den größten Wert für das Unternehmen und seine Kunden generieren und in diesen Bereichen Bestleistungen erbringen;

  • eine Kultur der Kommunikation, Zusammenarbeit und gemeinsamen Ergebnisse mit dem Unternehmen schaffen.

"Eine unserer größten Herausforderungen in den letzten zwei Jahren war es, unseren Teams dabei zu helfen, mit Unsicherheiten und schwankenden Nachfragen umzugehen", sagt Parmar. Während sich die Geschäftsziele weiterentwickeln, konzentriere er sich ständig darauf, Vertrauen zu den Teams aufzubauen und neue Beziehungen zu unseren internen Partnern zu knüpfen.

Die Tapestry-IT ist zu einem Cloud-first-Ansatz und einer Multi-Cloud-Strategie übergegangen. Das Ziel ist mehr Flexibilität und Skalierbarkeit zu erreichen. Außerdem sollen Anwendungen verschlankt, On-Premises-Rechenzentren abgeschaltet, Innovationen schneller realisiert und das Kundenerlebnis verbessert werden.

Das Unternehmen führte auch eine neue Daten- und Analyseplattform ein. Laut dem CIO war sie die Grundlage für vier Millionen neuen Kunden und ein dreistelliges digitales Wachstum im Geschäftsjahr 2021.

Während die Technologie von grundlegender Bedeutung ist, seien die Menschen der wahre Kraftmultiplikator. Parmar: "Wie viele andere Unternehmen mussten auch unsere Teams agil sein und die Art der Zusammenarbeit verändern. Dank der Stärke unserer Kerninfrastruktur und starker Partnerschaften mit den Geschäftsteams waren wir in der Lage, schnell umzuschwenken und die Fähigkeiten zu nutzen, die wir brauchen, um in diesem herausfordernden Umfeld erfolgreich zu sein."

Lessons Learned: CIOs müssen ihren Teams ermöglichen, ohne Sorgen Risiken einzugehen und aus Fehlern zu lernen. "InnovationInnovation kommt nicht ohne Risiko", sagt Parmar. Man müsse in Kauf nehmen, dass Versuche scheitern, könne das jedoch nutzen, um zu wachsen. "Es liegt in unserer Verantwortung, unser Team bei diesen Fehlschlägen zu coachen und ihnen dabei zu helfen, daraus zu lernen," resümiert der CIO. Alles zu Innovation auf CIO.de

Dorthin gehen, wo die Arbeit ist

Energieanbieter Ameren versorgt 2,4 Millionen Kunden mit Strom, 900.000 mit Erdgas und betreibt Millionen vernetzter Geräte. Als Chief Digital Information Officer leitet Bhavani Amirthalingam seit 2018 die DigitalisierungDigitalisierung des Unternehmens. Ziel ist, den Kundenservice zu verbessern und das Netz stabiler zu machen. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Die Kunden stehen laut der IT-Chefin im Mittelpunkt der Geschäftsstrategie. Verändern sich ihre Erwartungen, muss sich auch das digitale Geschäftsmodell des Unternehmens weiterentwickeln. Ein wichtiger Teil der IT-Strategie dreht sich darum, die digitale Kundenerfahrung nahtlos, sicher und individuell zu gestalten. Dazu gehört es, intelligente Zähler einzurichten und den Energieverbrauch zu überwachen. Zudem gilt es, Kunden über den Kanal ihrer Wahl anzusprechen, Interaktionen im Internet und auf mobilen Geräten reibungslos zu gestalten sowie interaktive Sprachsteuerung zu verbessern. 2021 waren 79 Prozent der Kundenkontakte bei Ameren digital.

Das Netz ist laut Amirthalingam das Zentrum der Wertschöpfung für die Kunden. "Der Aufbau einer Kommunikationsinfrastruktur, von AnalyticsAnalytics und Automatisierung für ein intelligentes, vernetztes, zuverlässiges und sicheres Versorgungsnetzes hat höchste Priorität", sagt sie. Wegen wachsender erneuerbarer Energiequellen und der Notwendigkeit, den Energiefluss in beide Richtungen zu erleichtern, braucht es Technologien, um verteilte Energieressourcen zu verwalten. Alles zu Analytics auf CIO.de

Auch die Belegschaft ist ein wichtiger Schwerpunkt. Sie sollte die passende Technologie zur Hand haben, um jederzeit, überall und auf jedem Gerät in den Büros, im Außendienst und in den Energiezentren arbeiten zu können. Dazu mussten viele Back-Office-Funktionen, Prozesse und Systeme in allen Geschäftsbereichen überdacht werden.

"Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, dorthin zu gehen, wo die Arbeit getan wird, und den Kunden in den Mittelpunkt jeder Transformation zu stellen", sagt Amirthalingam. Mit diesem Ansatz konnte ihr Team die Business-Anforderungen verstehen und gleichzeitig die Kollegen mit auf die Reise nehmen.

Lessons Learned: Funktionsübergreifende Teams, die Geschäftsbereiche und Kundengruppen umfassen, treiben die digitale Transformation voran. Amirthalingam schätzt leistungsstarke, selbstgesteuerte Teams, die proaktiv arbeiten. "Es ist wichtig, eine Mentalität der kontinuierlichen Innovation und Verbesserung in die Transformation einzubringen", sagt sie.

Offenheit sei ebenfalls eine Tugend. "Das 'Wow' von gestern ist heute die Norm", sagt Amirthalingam. Es sei wichtig, neugierig, mutig und offen Probleme anzugehen, um auf neue Lösungen zu kommen.

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