Emanzipation

Der neue Typ Mann

29.09.2014
Von Daniel Rettig

Familienväter unterstützen

"Nicht selten ist dafür ein Kulturwandel erforderlich", sagt Baisch. Der lasse sich nicht verordnen, sondern müsse vorgelebt werden - und zwar angefangen bei der obersten Führungsebene. Sie sollten täglich klarmachen, dass sie Familienväter dabei unterstützen, Job und Familie zu vereinbaren - ohne berufliche Nachteile zu erleiden. Und davon, da ist Baisch sicher, würden die Arbeitgeber selbst profitieren.

Nun gibt es durchaus Menschen, die die neue Rollenverteilung problematisch sehen. Manche glauben, dass das Ego eines Mannes leidet, wenn seine Frau beruflich erfolgreicher ist. Denn Männer, so die Annahme, seien stärker auf Konkurrenz aus und fühlten sich bei einem Erfolg der Partnerin bedroht. Außerdem definierten sie sich vor allem über Dominanz und Überlegenheit. Dementsprechend leide ihr Selbstbild unter einer starken Frau.

Aber wie ist das in der Realität? Kommen die Männer mit ihrer Rolle tatsächlich nicht klar? Lassen sich Paare vielleicht sogar häufiger scheiden, wenn die Frau der Hauptverdiener ist?

Diesen Fragen widmeten sich die Soziologinnen Shireen Kanji von der Universität von Leicester und Pia Schober vom Wirtschaftsforschungsinstitut DIW in Berlin. Für ihre Studie analysierten sie die Lebenssituation von knapp 4000 britischen Paaren, die ab dem Jahr 2000 an einer repräsentativen Langzeituntersuchung teilgenommen hatten. Das Ergebnis war eindeutig: Eine Frau als Hauptverdienerin gefährdete die Beziehung keineswegs. Bei jenen Paaren war das Trennungsrisiko nicht größer als bei traditionellen Konstellationen.

Mehr noch: Zwischen dem vierten und siebten Lebensjahr des Kindes war das Risiko einer Trennung sogar geringer, wenn die Frau wesentlich mehr verdiente als der Mann. "Die Vermutung, dass das höhere Gehalt der Frau die Beziehung gefährdet, ist zumindest in Großbritannien haltlos", resümierten Kanji und Schober.

Auch Christoph Landwehrs hat kein Problem damit, weniger zu verdienen als seine Frau. Der 60-Jährige verließ im Juni 2010 nach elf Jahren seinen gut bezahlten Job als Prokurist und Personalleiter beim Callcenter-Anbieter Jäger + Schmitter Dialog in Köln - und machte sich selbstständig.

Schon immer hatte Landwehrs ein Faible für leckeres Essen und guten Wein. Seit den Neunzigerjahren hatte er Weinseminare besucht, diverse Zertifikate und Diplome erworben. Irgendwann fragten seine Kollegen, ob er nicht Weinverkostungen anbieten wolle. Das kam gut an, die Interessenten wurden mehr. Und irgendwann dachte Landwehrs: jetzt oder nie.

Er bietet private Verkostungen, verkauft Wein, schult Servicekräfte für Restaurants, berät den Fachhandel. Derzeit verdient er meist weniger als die Hälfte im Vergleich zu seiner früheren Position. Doch er klingt mindestens doppelt so glücklich, auch wenn er genauso viel arbeitet. "Ich gehe viel freier mit meiner Zeit um und gehe meiner Leidenschaft nach, ohne primär auf das Geld achten zu müssen." Und das kann er sich auch deshalb leisten, weil seine Partnerin eine hohe Position bei einem Versicherungskonzern hat: "Ich wusste also, dass ich finanziell kein allzu großes Risiko eingehe. Andernfalls hätte ich mir den Schritt nicht zugetraut."

Andreas Lutz kennt solche Fälle gut. Der Gründerberater hilft seit 2003 Menschen dabei, sich selbstständig zu machen. Deshalb weiß er, dass die neue Rollenverteilung viele Existenzgründungen erst ermöglicht. "Wenn auf dem Ehemann nicht die Verantwortung liegt, Partnerin und Familie ernähren zu müssen, reduziert das den Erfolgsdruck", sagt Lutz. Männer seien heute weniger auf die klassische Ernährerrolle fixiert. "Deshalb wächst für sie der Spielraum, eigene Träume zu verwirklichen."

Landwehrs hat seine Entscheidung keine Sekunde bereut. Die neue Rollenverteilung hat ihn dazu angestachelt, mit dem neuen Unternehmen schnell erfolgreich zu sein. Denn seine Frau soll gar nicht erst denken, dass er zu Hause faulenzt.

"Heute kann ich sagen: Neben der Heirat meiner Frau war der Schritt in die Selbstständigkeit die beste Entscheidung meines Lebens."

(Quelle: Wirtschaftswoche)

Zur Startseite