Emanzipation

Der neue Typ Mann

29.09.2014
Von Daniel Rettig

Finanziell kein Problem

Finanziell ist das für die Familie kein Problem. Denn Buechlers Frau ist seit mehr als sieben Jahren Finanzchefin in der deutschen Niederlassung eines US-Konzerns: "Für sie war es nie ein Thema, ihren Beruf aufzugeben oder in Teilzeit zu arbeiten. Deshalb kommt diese Aufteilung unserer Vorstellung eines gemeinsamen Familienlebens sehr entgegen."

Klar, als Buechler diese Entscheidung traf, war er gewissermaßen ein Exot. Auch heute nehmen seine meisten männlichen Kollegen in der Regel nur zwei oder drei Monate Elternzeit. Doch inzwischen findet Buechler Vorbilder an den höchsten Stellen: Im Januar kündigte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel an, sich künftig den Mittwochnachmittag freizunehmen, um seine Tochter Marie aus dem Kindergarten in Goslar abzuholen. Mitte Dezember erklärte Jörg Asmussen, dass er als Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank zurücktreten werde - weil er sich seinen "beiden sehr jungen Kindern" widmen wolle. Auch der britische Prinz William nahm nach der Geburt seines Sohnes George erst mal zwei Wochen Urlaub von seinem Job als Helikopter-Pilot bei der Luftwaffe - als erstes Mitglied der Königsfamilie überhaupt.

Natürlich wird Bundesminister und SPD-Chef Gabriel den Mittwochstermin ab und an mal schwänzen. Ex-Banker Asmussen wird auch in seiner neuen Position als Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium nicht nur Zeit für seine Kinder haben. Doch Fakt ist: Es ist inzwischen gesellschaftlich akzeptiert, dass Männer Frau und Kinder auch offiziell vor Geld und Karriere stellen - ohne dafür kübelweise Spott und Häme zu ernten oder gleich als Schwächling und Verlierer dazustehen. Er darf die sprichwörtliche zweite Geige spielen, während sie das Orchester anführt und finanziell über die Runden bringt.

Natürlich funktioniert kein Kulturwandel über Nacht. Noch 2006 bezeichnete der damalige CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer die geplante Einführung der Elternzeit als "Wickelvolontariat". Wie hartnäckig solche Macho-Attitüden sind, musste kürzlich auch der "Spiegel"-Chefredakteur Wolfgang Büchner erfahren. Als er vor Dienstantritt tatsächlich vier Wochen Elternzeit nahm, lästerte ein Redakteur in der "Berliner Zeitung", natürlich anonym: "Wir sind doch nicht bei 'Frau im Spiegel'."

Wenn Volker Baisch solche Sprüche hört, weiß er, dass er seinerzeit die richtige Entscheidung getroffen hat.

2001 war er Führungskraft in einer Bildungseinrichtung, als seine erste Tochter Marla zur Welt kam. Baischs Frau arbeitete damals als selbstständige Unternehmensberaterin. Als Marla ein Jahr alt war, nahm er ein Jahr Elternzeit, seine Frau ging Vollzeit arbeiten. Im Alltag spürte Baisch häufig beinahe mitleidige Blicke, egal, ob im Wartezimmer beim Kinderarzt oder beim Einkaufen an der Supermarktkasse. Außerdem stellte er fest, dass es kaum Anlaufstellen für junge Väter gab. Deshalb gründete er eine solche Anlaufstelle selber - in einer Kneipe in Hamburg.

2002 entstand daraus zunächst der Verein Väter e. V. Der wollte Männern Informationen rund um Geburt, Kindererziehung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bieten. Während seiner Elternzeit merkte Baisch, dass er nicht mehr in seine Position zurückkehren wollte. Stattdessen widmete er sich seinem Projekt. Gewann die Hertie-Stiftung und den Hamburger Senat als Partner, machte sich nach der Elternzeit selbstständig. Und aus dieser Idee entstand ein soziales Geschäftsmodell.

Derzeit hat Baisch so viel zu tun wie nie: "Die junge Generation von Familienvätern hat andere Vorstellungen. Sie wollen eben nicht nur ein Kind zur Welt bringen, sondern auch Zeit für das Kind haben." Deshalb berät Baisch Unternehmen, veranstaltet Seminare und Workshops. Alles mit dem Ziel, auch jungen Vätern die Vereinbarkeit von Job und Familie zu erleichtern.

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