Nützliche Nähe

Die neue Offenheit der Top-Manager

18.11.2014
Von Kristin Schmidt, Martin Seiwert und Lin Freitag

Allianz mit der Öffentlichkeit

Statt sich hinter den von ihnen gemanagten Unternehmen zu verstecken oder ihre Rolle ausschließlich über fachliche Kompetenz und Vorträge über Zahlen und StrategienStrategien zu definieren, lassen Politiker, Unternehmer und Top-Manager heute immer wieder gezielte Einblicke in ihr Privatleben zu, gehen immer wieder gezielt Allianzen mit der Öffentlichkeit ein. Alles zu Strategien auf CIO.de

Nicht nur amerikanische, auch deutsche Manager und Politiker beginnen, die Öffentlichkeitskarte offensiver zu spielen. Vorbei die Zeiten, in denen persönliche Bekenntnisse, wie das von Klaus Wowereit zu seiner sexuellen Orientierung, wochenlang für Wirbel sorgten. "Ich bin schwul - und das ist auch gut so", hatte der heutige Regierende Bürgermeister von Berlin 2001 bei seiner Nominierung für den anstehenden Wahlkampf bekannt.

"Diese Personen sind gewohnt, Entscheidungen zu treffen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, beruflich wie privat", sagt der Düsseldorfer Psychoanalytiker Georg Fischer. "Indem sie scheinbar höchst Intimes öffentlich machen, sprechen sie sich Mut zu, feuern sich an - wie in einem Akt der Selbstvergewisserung."

So wie Wolfgang Bosbach: Der CDU-Bundestagsabgeordnete ist unheilbar an Prostatakrebs erkrankt, lässt sich seit Jahren in Talkshows und Interviews zu seiner Krankheit befragen. Im Frühjahr ist seine Biografie mit dem passenden Titel "Jetzt erst recht!" erschienen.

"Ein Akt der Erlösung"

Ein treffendes Motto auch für Lord John Browne: Zwar wurde der damalige BP-Chef 2007 zu seinem Coming-out gezwungen, heute aber spricht er ganz offen über seine sexuelle Orientierung. "Ich rate jedem homosexuellen Manager, sich zu outen - je früher, desto besser", sagte der 66-Jährige in einem Interview mit der WirtschaftsWoche. Es sei für ihn immer anstrengender geworden, ein Doppelleben zu führen. Keine Frage, dass sich eine solche Lebenslüge negativ auf Leistungsfähigkeit und zwischenmenschliches Verhalten auswirkt. "Die Wahrheit auszusprechen ist für manche ein Akt der Erlösung", sagt Fischer, "nachdem sie sich jahrelang vor dem Damoklesschwert der Enthüllung gefürchtet haben." Denn im Zeitalter der sozialen MedienMedien sei die Gefahr größer denn je, dass jemand anders ausplaudert, was man selbst eigentlich geheim halten wollte. Top-Firmen der Branche Medien

Doch während die einen es für dringend notwendig erachten, über Privates zu sprechen, weil die psychologische Belastung zu groß, die wirtschaftlichen Risiken zu hoch oder die Gerüchte zu abstrus werden, nutzen die anderen persönliche Geschichten, um an ihrem Profil zu feilen.

"Manche Manager reden in einer gewissen Plapperhaftigkeit über ihre Gefühle", sagt Sprenger. "Der schweigsame Chef ist out."

ThyssenKrupp-CEO Heinrich Hiesinger etwa erzählt gerne von seiner Kindheit auf dem Bauernhof seiner Eltern, wie er Traktoren zerlegt hat und schon früh bei der Arbeit auf dem Hof half. Das wirkt nicht nur bodenständig, sondern signalisiert: Da ist jemand von klein auf gewohnt, Verantwortung zu übernehmen - mutmaßlich nicht die schlechteste Voraussetzung für den Vorstandsvorsitzenden eines Konzerns.

Jeder dritte Top-Manager läuft Marathon

Auch ihre sportlichen Aktivitäten diskutieren Unternehmenslenker gerne in der Öffentlichkeit: Gefühlt läuft jeder dritte Top-Manager in seiner Freizeit Marathon. Denn das macht der Wirtschaftselite augenscheinlich nicht nur Spaß, sondern gilt auch als Beleg für Durchhaltevermögen. Oder für kalkulierbare Risikobereitschaft, wenn man, wie Airbus-Chef Tom Enders, nicht damit hinterm Berg hält, dass man sich regelmäßig mit einem Fallschirm auf dem Rücken in die Tiefe stürzt.

"In der Passgenauigkeit liegt die Kunst der Kommunikation", sagt Berater Dopheide. "Diese privaten Anekdoten müssen erstens zur Persönlichkeit des Managers, zweitens zu seiner Funktion und drittens zum Unternehmen passen."

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