Telekom-Geschäftsführer Geschäftskunden Hagen Rickmann im Interview
Digitalisierungsinnovationen kommen von Start-ups
Die Telekom als Integrator
Die Telekom hat im Large-Enterprise-Segment ebenso Kunden wie im Mittelstand - warum übernehmen Sie nicht die Rolle als Integrator und bringen beide Seiten zusammen?
Hagen Rickmann: Das tun wir bereits an vielen Stellen und auf verschiedene Weise. Aus vielen IT-Lösungen, die wir einst für unsere Großkunden entwickelt haben, sind inzwischen Standards geworden, die wir kleineren und mittelständischen Unternehmen anbieten. Ohne diese Standardisierung könnte der Mittelstand gar nicht im vollen Umfang an der Digitalisierung teilhaben. Wir selbst arbeiten als Großunternehmen heute mit vielen Partnern aus dem Mittelstand und der Startup-Szene zusammen.
Sei es durch Investitionen oder durch Programme wie DT Capital Partners, mit dem wir Startups fördern und das wir in letzter Zeit stark erweitert haben. Dahinter steckt eine klare Strategie: Wir können und wollen nicht alles selbst machen. Darüber hinaus bringen wir die Unternehmen an einen Tisch - beispielsweise bei Dialogrunden, Kaminabenden oder großen Veranstaltungen - oder über unser Kundenprogramm "Telekom Dialog". Dieses fördert den Meinungsaustausch und die Mitgestaltung. Unser oberstes Ziel ist dabei, den Kunden zuhören.
Welche Dienste kauft der Mittelstand eigentlich bei Ihnen ein?
Hagen Rickmann: Als Anbieter von Mobilfunk und Festnetz ist die Telekom vielen Mittelständlern ja ein fester Begriff. Dieses Angebot spielt natürlich auch heute noch eine große Rolle. Das IT-Know-how hat der Mittelstand lange nicht bei uns gesehen. Das ändert sich. Wir bieten ein großes Portfolio an IT-Lösungen an, mit denen Unternehmen verschiedene Handlungsfelder optimieren können: von Webshops für kleine Geschäfte, die mit dem digitalen Vertriebskanal ihren Absatz steigern bis hin zu M2M-Lösungen für große Logistikfirmen wie die Hamburger Reederei Deutsche Afrika Linien. Die Reederei überwacht per M2M ihre Container, um so ihren Kunden noch einen besseren Service zu bieten. Gerade im Mittelstand können wir neben unseren innovativen Cloud-Lösungen zudem mit unseren guten Sicherheits- und Datenschutzstandards überzeugen.
Einer Ihrer Wettbewerber versucht zu punkten, indem er besonders die Startup-Szene mit Rechenzeit-Credits, Online-Trainings oder Venture-Capital-Kontakten adressiert? Wie sprechen Sie diese Zielgruppe an?
Hagen Rickmann: Startups sind für uns ein absolut notwendiger, und immer wichtig werdender Faktor in der deutschen und europäischen Wirtschaft. Wir als Telekom leben unsere Verantwortung, die Startup-Szene aktiv zu unterstützen. Diese Unterstützung reicht vom frühen Support in unseren eigenen Inkubatoren wie Hubraum in Berlin und Krakau, über das Funding von Startups bis hin zum Zugang zu relevanten Kundengruppen in der Wirtschaft.
Im Geschäftskunden-Segment nehmen wir diese Verantwortung auch sehr ernst: Zum einen bieten wir Startups und Existenzgründern ein sehr attraktives, kostengünstiges Portfolio mit einer "Digitalisierungserstausstattung" an. Zum anderen haben wir für Tech-Startups mit der Open Telekom Cloud ein gegenüber Amazon wettbewerbsfähiges, dynamisches Cloud-Angebot. Spezielle Partner-Programme und Angebote sind aktuell in der Ausarbeitung. Zum anderen arbeiten wir mit Startups zusammen, um mit ihnen gemeinsam attraktive Kundenangebote an den Markt zu bringen. Je nach Reifegrad können dies Entwicklungskooperationen sein, oder wir integrieren Startup-Produkte in unsere Angebote als Bundle, um den Startups den Zugang zum Mittelstand und den Kleinstunternehmen zu ermöglichen.
Brückenbauer Telekom
Die Telekom als Brückenbauer - das ist ein interessanter Ansatz. Können Sie an einem Beispiel konkretisieren, wie die Zusammenarbeit aussieht?
Hagen Rickmann: Wir sind das Verbindungsstück zwischen der deutschen Wirtschaft, insbesondere dem Mittelstand und dem hochinnovativen, dynamischen Segment der Startups. Beide Gruppen können stark voneinander profitieren und benötigen einander. Unternehmen brauchen kleine, flexible Anwendungen, die sie in der Digitalisierung voranbringen. Startups benötigen den kleinen und großen Mittelstand als Kundengruppe. Doch häufig sprechen beide Gruppen nicht die gleiche Sprache.
Mittelständler haben Probleme, die Startups richtig zu adressieren, oder deren Lösungen lassen sich nicht 1:1 in die Infrastruktur integrieren. Und Startups haben Lösungen, die für den durchschnittlichen Business-Kunden noch nicht relevant sind. Genau hier kommt die Telekom ins Spiel. Wir verstehen beide Welten und übersetzen die Sprache, die Anwendungsszenarien und letztlich auch die Technologie.
Ein konkretes Beispiel dafür ist beispielsweise unsere Partnerschaft mit NavVis, einem hochinnovativen Münchner Unternehmen aus dem Bereich der Indoor-Navigation. Wir arbeiten gemeinsam an einem Angebot für Mittelstandskunden. Dieses Segment kann NavVis auf Grund seiner Größe selber noch gar nicht adressieren. Unsere Hosting-Leistung und Service-Infrastruktur ergänzt das NavVis-Angebot so zu einem reifen Marktprodukt.
Weitere Beispiele sind Projekte zur bedarfsgerechten Gründung. Wir vernetzen Kunden, die ein bestimmtes Problem haben mit Gründern, die dieses Problem lösen können. Eine klassische Win-Win-Win-Situation. Das Start-up hat gleich einen ersten Kunden zum Proof-of-Concept, der Kunde hat ein Problem gelöst, und wir können unseren Kunden auf Basis unserer Technologie und Infrastruktur neue Produkte anbieten.
Themenwechsel, oft werden die deutschen IT-Verantwortlichen wegen ihren Befürchtungen in Sachen Compliance und Security als German Ängstler verspottet. Zu Recht, oder wie sehen Sie die Lage?
Hagen Rickmann: Wer darüber spottet, dass die deutschen Unternehmen Compliance und Security sehr ernst nehmen, verkennt die aktuelle Lage. Mitte April hat Symantec den Internet Security Threat Report 2015 veröffentlicht. Laut dieser Studie sind vergangenes Jahr mehr als eine halbe Milliarde Datensätze mit persönlichen Daten gestohlen worden oder verloren gegangen. 2015 kursierten mehr als 430 Millionen Schadprogramme im Netz. Dies entspricht gegenüber 2014 einem Anstieg um mehr als ein Drittel. Angesichts solcher Zahlen halte ich Spott für mehr als unangebracht.
Ganz im Gegenteil: Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass Unternehmen das Risiko, Opfer einer Cyberattacke zu werden, eher noch auf die leichte Schulter nehmen und sich zu wenig beziehungsweise falsch schützen. Das liegt auch daran, dass die Abwehr von Angriffen inzwischen sehr viel Know-how erfordert. Dieses Spezialwissen ist insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen kaum vorhanden. Daher empfehlen wir, IT-Sicherheit auf externe Spezialisten zu verlagern.