Interview mit Robert Kierse
"Es geht nicht um die Spracherkennung alleine"
Herr Kierse, das Institut für Röntgendiagnostik am Klinikum Neuperlach der Städtischen Kliniken München hat im Januar 2007 Spracherkennung eingeführt. Was war die Motivation für diesen Schritt?
Robert Kierse: Die Radiologien der Städtischen Kliniken München beschäftigen rund achtzig Radiologen, die an vier Standorten etwa 360.000 Untersuchungen im Jahr durchführen und befunden. Ich kann vor allem für das Klinikum Neuperlach sprechen, aber an den anderen Standorten dürfte vieles ähnlich gewesen sein: Die Durchlaufzeiten der Dokumente waren einfach nicht befriedigend. Es hat vorher etwa ein bis zwei Tage gedauert, bis der anfordernde Kliniker den vom Radiologen freigegebenen Befund in den Händen gehalten hatte. Das war zu lang. Hinzu kam, dass wir im Jahr 2006 in der Situation waren, ohnehin ein neues RIS/PACS anschaffen zu müssen. Die Spracherkennung haben wir dann als Teil eines Pakets verhandelt, was finanziell sehr günstig für uns war.
Wie haben sich die Prozesse durch Einführung der Spracherkennung verändert?
Robert Kierse: Wir sind sehr viel schneller geworden. Die Befunde erreichen den Kliniker jetzt relativ rasch nach der Untersuchung. Der ganze Prozess der Dokumentenerstellung mit Diktat auf Band, Transkription im Schreibbüro, Korrektur etc. konnte von sieben Schritten auf nur drei Schritte reduziert werden. Heute ruft der Radiologe die Spracherkennung SpeechMagic im RIS auf, diktiert den Befund und gibt ihn frei, fertig. Lediglich bei Assistenzärzten ist noch eine Extraschleife zum Facharzt nötig.
War die Akzeptanz der Ärzte von Anfang an hoch?
Robert Kierse: Wir haben uns für eine sanfte Einführung der Spracherkennung entschieden und damit gute Erfahrungen gemacht. In den ersten Wochen stand den Nutzern ausschließlich die Funktion des digitalen Diktats zur Verfügung, bei dem der diktierte Text wie gehabt von einer Sekretärin oder Schreibkraft eingegeben wurde. Diese Phase haben wir eingefügt, damit sich das Personal an das digitale Diktiergerät und die neue Nutzeroberfläche gewöhnen konnte. Nach etwa anderthalb Monaten haben wir dann die Offline-Spracherkennung freigeschaltet, bei der die Korrekturen durch das Schreibbüro gemacht werden. Noch einmal sechs Wochen später kam die Online-Spracherkennung hinzu, für die keine Schreibkraft mehr nötig ist.
Wurden die Ärzte zum Umstieg gezwungen?
Robert Kierse: Nein, wir haben keinerlei Druck ausgeübt. Es war eher so, dass in einer Art evolutionärem Prozess immer mehr Kollegen die Korrekturen selbst gemacht haben. Heute werden bei uns in Neuperlach 90 Prozent aller radiologischen Dokumente mit Online-Spracherkennung erstellt, die übrigen zehn Prozent mit Offline-Spracherkennung. Entsprechend konnten wir die Zahl der Schreibkräfte von vier auf eine reduzieren, sozialverträglich natürlich, also ohne Entlassungen.