Gute Manager
Führen heißt Kommunikation auf Augenhöhe
Sie sagen, ein Dialog sei viel schwerer zu führen, als allgemein angenommen. Woran liegt das?
Mirriam Prieß: Haben Sie sich einmal gefragt, was die Grundvoraussetzung ist, um anderen auf Augenhöhe zu begegnen? Es ist die Fähigkeit, sich selbst auf Augenhöhe zu begegnen - und zwar nicht mit den eigenen Stärken, sondern auch den eigenen Schwächen. Die meisten Manager verlieren in dem Moment die Augenhöhe vor sich selbst, in dem sie mit den eigenen Defiziten konfrontiert werden. Dies führt nicht nur dazu, dass sie mit eigenen Schwächen nicht umgehen und ein Bewusstsein dafür entwickeln können, sondern ihnen fehlt dann auch das Verständnis für die Schwächen anderer.
Richtiger Umgang mit den eigenen Schwächen
Die Folge sind Verachtung, Ignoranz oder hilfloses Überreagieren. Und: Je höher die Management-Ebene, desto mehr verurteilen sich die Betroffenen für ihre Schwachpunkte, anstatt selbstbewusst daran zu arbeiten. Je schwächer das Selbstbewusstsein eines Menschen ist, umso bedrohlicher erscheinen ihm die Welten, die sich von seinen eigenen unterscheiden. Deshalb kleben diese Personen an der eigenen Position und ihrer vorgefertigten Meinung. Ohne es zu merken, schwächen sie sich dadurch in ihrem Selbstwert und somit auch in ihrer Dialogfähigkeit. Es gilt also die Regel: Eine Führungskraft ist nur so führungsstark, wie stark sie auch mit den eigenen Schwächen umgeht.
- 1. Keine offene Kommunikation
Es wird zu wenig miteinander geredet. Führungskräfte schieben als Grund oft das Tagesgeschäft und mangelnde Zeit vor. In der Realität ist jedoch oft Unbehagen oder der Mangel an Know-how bezüglich angemessener Gesprächsführung der wahre Grund. - 2. Druck wird an Mitarbeiter weitergeleitet
Der aufgrund der anspruchsvollen Wettbewerbsbedingungen entstehende Druck schlägt ungefiltert auf die Mitarbeiter durch. Anstatt miteinander an Lösungen zu arbeiten, wird gegeneinander gearbeitet. Das fordert von allen Beteiligten sehr viel Kraft. Angemessen ist es, ressourcenschonend mit den Herausforderungen umgehen zu lernen. - 3. Zu wenig Interesse am Menschen
Führungskräfte haben meist sehr wirksame Erfolgsstrategien, die in der Zusammenarbeit mit Menschen oft nicht funktionieren. Sie sind häufig der Auffassung, alles alleine schaffen zu können. Spannungen und nichtkonstruktives Miteinander sind vorprogrammiert. Hieraus können permanente Überlastungsgefühle sowie Unzufriedenheit auf beiden Seiten resultieren, die zu Gesundheitsproblemen und möglicherweise zu innerer Kündigung führen können. Daraus resultierende wirtschaftliche Probleme sind nicht zu unterschätzen. - 4. Nicht offen für Ideen und Optimierungsvorschläge
Wenn Mitarbeiter regelmäßig auf taube Ohren stoßen, machen sie irgendwann zu und bringen sich nicht mehr ein. Resignation und innere Kündigung ist die Folge. - 5. Zu wenig Anerkennung
Regelmäßiges Lob fehlt. Vor allem Leistungsträger sehen keinen Sinn für ihre Anstrengungen, wenn ihre Leistung nicht wertgeschätzt wird. - 6. Meinung wird nicht gehört
Viele Mitarbeiter sind der Auffassung, ihre Meinungen hätten kein Gewicht. Häufig ist mangelnde Wertschätzung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter der Grund. - 7. Kein konstruktives Feedback
Jeder Beschäftigte will einen guten Job machen. Hierfür jedoch benötigt er den Vorgesetzten zur Standortbestimmung. Die dafür auch erforderliche konstruktive Kritik scheut der Vorgesetzte aber zumeist. - 8. Zu wenig Zeit für Mitarbeiter
Da Führungskräfte zu sehr mit ihren eigenen Themen und Arbeitsaufgaben beschäftigt sind, bekommen Mitarbeiter viel zu wenig Rückmeldung zu ihrer eigenen Arbeit. - 9. Persönliche Entwicklung wird nicht gefördert
Wenn sich niemand für den Menschen interessiert und dem Mitarbeiter keine persönlichen Entwicklungsziele in Aussicht gestellt werden, wird der Mensch unzufrieden. Die Folge: Er sucht nach einem passenden Job in einem anderen Unternehmen oder resigniert. Gezielte Förderung vermindert Abwanderungstendenzen erheblich. - 10. Die Aufgabe passt nicht zur Person
Menschen erzielen dann Höchstleistungen, wenn sie das machen können, was ihnen Freude macht. Das Unternehmen muss ein Umfeld aktiv bereit stellen, damit sich die Mitarbeiter entfalten und wohl fühlen können. Auch müssen die Erwartungen an den Mitarbeiter jeder Zeit klar sein.
Was zeichnet eine starke Führungskraft aus?
Mirriam Prieß: Gute Führungskräfte verwechseln Stärke nicht mit Macht. Wer aus einer Stärke heraus führt, der wird seine Mitarbeiter stärken. Wer Macht ausübt, steuert seine Mitarbeiter sukzessive in die Ohnmacht und das Unternehmen in die Lähmung. Über 70 Prozent der Führungskräfte versuchen, die eigene Minderwertigkeit und innere Ohnmacht durch die Macht ihrer Position zu kompensieren, und verwechseln Macht mit Stärke.
Was raten Sie Führungskräften?
Mirriam Prieß: Da Erfolg nur im Miteinander zu erreichen ist, sind natürlich nicht nur dialogfähige Führungskräfte, sondern auch dialogfähige Mitarbeiter gefragt. Es gibt sechs Fragen, die sich jeder stellen sollte, bevor er ein Gespräch beginnt:
Begegne ich mir selbst und dem anderen auf Augenhöhe?
Kann ich den Gesprächspartner in seiner Person wertschätzen - unabhängig, ob er meine Meinung teilt?
Bin ich offen und interessiert an der Meinung des anderen?
Bin ich bereit, ihn verstehen zu wollen und meine Welt zu verlassen?
Bin ich interessiert an einem Wir - oder bedeutet das Gespräch für mich nur, meine Position durchzusetzen?
Bin ich bereit zu erkennen, dass die Dinge anders sind, als ich meine?
Während des Gesprächs gilt es dann zu überprüfen: Kann ich die Position des anderen emotional und rational wiedergeben, als wäre sie meine eigene? Wie gesagt, Dialog heißt nicht gleicher Meinung zu sein, wohl aber offen für die Meinung des anderen. Nur so kann ein starkes Miteinander entstehen.