Strategien


Tektonische Verschiebungen in der Arbeitswelt

Industrie 4.0 - Fertigung fusioniert mit IT

23.08.2013
Von Walter Simon

Von der Wertschöpfungskette 3.0 zum Wertschöpfungsnetz 4.0

Die geschäftlichen Möglichkeiten der Industrie 4.0 liegen aber nicht nur in Produktivitätsfortschritten. Die neue Fertigungsgeneration bietet zudem die Chance für neue Geschäftsmodelle. Schon heute beherbergen viele Industrieunternehmen unter ihrem Dach interne und externe Dienstleister etwa im Marketing, Rechnungswesen, Vertrieb und Personalbereich. Viele Dienstleis-tungen sind um einen Industriearbeitsplatz herum angesiedelt. Besonders im ITK-Bereich wird sich eine Vielzahl neuer Dienstleistungsjobs entwickeln. Hier ist, wie sich seit vielen Jahren abzeichnet, der größte Zuwachs zu erwarten, vor allem im Softwarebereich. Wenn virtuelle und reale Welt immer mehr verschmelzen und Daten immens an Bedeutung gewinnen, könnte die Datenverarbeitung als Sekundärmarkt fast wichtiger werden als der Primärmarkt selbst.

Darüber hinaus bieten sich auch Chancen für vielfältige Dienstleistungen im weiteren Umfeld. Das beschleunigt die Wandlung vom Produkthersteller zum produzierenden Dienstleister. Denkbar wäre etwa, dass Fabriken nicht mehr produktorientiert, etwa als Telefonfabrik, gebaut werden, sondern als Anbieter verwandter Produktionstechnologien, auf die sich entsprechende Werke schnell umrüsten ließen. Das Wissen und Können, über das früher der schwäbische Metallfacharbeiter oder der Solinger Besteckmacher verfügte, geht auf ITK-Fertigungskomponenten über.

Der Ursprung des industriellen 4.0-Sprungs liegt in den Möglichkeiten, die das Internet hard- und softwareseitig bietet. Schließlich stellt das Internet den Auslöser und (An-)treiber des industriellen Fortschritts dar. Alle Beteiligten agieren in einem Netz. Wer indes an einem Tornetz unten zieht, verformt dessen symmetrische Struktur. Jeder Knoten im Netz hängt mit allen anderen Knoten zusammen. Darum entwickelt sich auch die informationstechnische Vernetzung der Unternehmen mit ihren Zulieferern, Kunden und Geschäftspartnern zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Jede Änderung am Produkt oder im Produktionsverlauf zieht damit aber auch aufwendige Tätigkeiten bei allen Partnern nach sich. Ein funktionierendes Netz erfordert den Einsatz abgestimmter beziehungsweise eng verzahnter ITK-Systeme.

Herausforderung: Interoperabilität von Software und Daten

Die beteiligten Unternehmen bewegen sich also in einem Wertschöpfungsnetz. Ein Beispiel aus der Automobilbranche: 250 Systemlieferanten wirken an der 7er-Reihe des BMWBMW mit. Mittlerweile werden 78 Prozent der Wertschöpfung an PKWs von den Zulieferern geleistet und nur 22 Prozent von den Herstellern selbst. Im Rahmen von Industrie 4.0 funktioniert die Zusammenarbeit zwischen der Automotive-Industrie und den Kfz-Herstellern aber nur, wenn die verschiedenen Dateiformate der Lieferanten interoperabel sind. Die Partner eines Wertschöpfungsnetzes müssen sich verständigen und Daten austauschen können. Sie benötigen einheitliche Softwareprogramme oder Systeme, die sich als Simultandolmetscher für die unterschiedlichen Softwaresysteme und Datenformate anbieten. Hier liegt gegenwärtig eines der zu lösenden Hauptprobleme. Top-500-Firmenprofil für BMW

Eingebettete Systeme: Mit Hilfe von eingebetteten Systemen erhalten Produkte die notwendige Intelligenz, um ihre Fertigung selbst zu steuern.
Eingebettete Systeme: Mit Hilfe von eingebetteten Systemen erhalten Produkte die notwendige Intelligenz, um ihre Fertigung selbst zu steuern.
Foto: Walter Simon

Es geht aber nicht nur um die Orchestrierung der Softwareanwendungen. Der Erfolg von Industrie 4.0 steht und fällt mit dem Zusammenwachsen von Maschinenbau, Automatisierung, Elektronik und ITK. Keiner dieser Akteure kann das Thema Industrie 4.0 allein bewältigen. Zu lösen sind darüber hinaus aber noch weitere Probleme, beispielsweise die mangelnde Rechtssicherheit, ausreichende Bandbreiten, die Datensicherheit bei unternehmensübergreifenden Netzen, die Akzeptanz der 4.0-Version industrieller Arbeit und die Qualifikation der beteiligten Mitarbeiter.

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