Digitalisierung
IT Governance für die bimodale IT
Thomas Weilhart ist Senior Manager bei kobaltblau Management Consultants GmbH. Er begleitet Unternehmen in Digitalisierungsprojekten und berät in Fragen zu IT-Governance und IT-Organisation. Davor war er zehn Jahre in leitenden Positionen im IT-Management führender Industrieunternehmen.
Die bimodale IT, auch als "IT der zwei Geschwindigkeiten" bezeichnet, wird seit geraumer Zeit in Veröffentlichungen beschrieben und in der Praxis in einer zunehmenden Zahl an Firmen umgesetzt. Der Kern dieser neuen Art von IT ist der Aufbau und die Verwaltung von kundenorientierten IT-Systemen in einer sogenannten vertikalen IT, die neben der klassischen Corporate IT existiert.
Dieser Teil der IT hat somit (End-)Kundenkontakt und ist damit den Leistungsprozessen und nicht den Supportprozessen zuzuordnen.
Die aktuellen Veröffentlichungen beziehen sich bisher nur auf einen kleinen Teil der IT Governance, die IT-Organisation, und drehen sich um die Frage, wie viel organisatorische Unabhängigkeit dieser Teil der IT haben muss. Die Autoren sind sich einig, dass es Änderungsbedarf an den bestehenden IT-Governance-Strukturen gibt, um den kundenorientierten Teil der IT (Vertical IT) zielgerichtet zu unterstützen. Es werden aber keine Aussagen gemacht, an welchen Stellen und wie weit diese Abweichungen gehen können, sollen oder müssen.
Das "House of IT Governance"
IT Governance besteht im Sinne dieser Überlegungen aus folgenden Bereichen und ist als House of IT Governance visualisiert:
Zu den Bestandteilen dieses Hauses gehören:
die IT-Organisation als Basis
das IT-Service-Management
das IT-Projektmanagement
Informationssicherheit
IT-Strategie & IT-Architektur
Effizienz & Controlling
Sieht man sich die Bestandteile der IT Governance an, so wird klar, dass es nur in einigen Teilen Abweichungen geben darf, und dass in anderen Bereichen die bestehenden Vorgaben, Methoden und Prozesse für beide Teile der IT gelten müssen. Dabei ist die Grundvorgabe für alle Überlegungen, nur dort von den bestehenden Methoden, Tools und Prozessen abzuweichen, wo es tatsächlich nötig ist, entweder um dem abweichenden Geschäftsauftrag der Vertical IT Rechnung zu tragen, oder um die kulturellen und organisatorischen Besonderheiten gegenüber der klassischen IT zu unterstützen. Heißt das nun, dass die Vertical IT als eine eigene organisatorische Einheit im Organigramm verankert werden muss?
Eigenständigkeit der Vertical IT kann IT Governance gefährden
Es kann in manchen Fällen durchaus Sinn machen, die digitalen Kundensysteme aus einer eigenen organisatorischen Einheit betreuen zu lassen. Im Wesentlichen um das Geschäft, ähnlich einem Inkubator bei Startups, auf eine möglichst freie und eigenständige Art und Weise aufzubauen. Die Gefahr dabei ist aber, dass diese Freiheit zu weit interpretiert und gelebt wird, und damit auch die gesetzlich oder regulatorisch notwendige Governance nicht mehr adäquat umgesetzt werden kann.
Im entgegengesetzten Fall, also der Abbildung der Vertical IT innerhalb der bestehenden IT-Organisation, kann es dagegen passieren, dass die eigentlich akzeptierten Abweichungen zu den Standard-IT-Governance-Verfahren nicht genutzt werden, weil die internen Beharrungskräfte zu groß sind.