Digitalisierungsnachteile
IT – Klimakiller oder Klimaretter?
Der Klimawandel ist eine reale Bedrohung, daran zweifelt nur noch eine kleine Minderheit. Es gilt, den Ausstoß schädlicher Klimagase zu reduzieren und damit die rasant steigende Erderwärmung zumindest etwas aufzuhalten.
Wie stark diese Themen bereits die politische und inzwischen auch ökonomische Diskussion beherrschen, wurde auf dem diesjährigen World Economic Forum deutlich, das vom 21. bis 24. Januar im schweizerischen Davos stattfand. Der Global Risk Report, den die Veranstalter im Vorfeld der Konferenz veröffentlicht hatten, listete erstmals fünf potenzielle Umweltprobleme als Top-Risiken für die Welt in den kommenden Jahren auf:
Extreme Wetterereignisse (Starkregen, Sturm, Dürre)
Scheitern von Politik und Unternehmen (keine wirksamen Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung)
Umweltkatastrophen (nukleare Störfälle, Öl-Leckagen)
Schwindende Artenvielfalt und kippende Ökosysteme (Insektensterben)
Naturkatastrophen (Erdbeben, Vulkanausbrüche)
Die Ansage der WEF-Verantwortlichen war unmissverständlich: Um gegenzusteuern, "müssen Führungskräfte in der ganzen Welt mit allen Beteiligten der Gesellschaft zusammenarbeiten", sagte Borge Brende, Präsident des Weltwirtschaftsforums, zum Auftakt des diesjährigen Treffens. Das gelte auch für Konzerne und Unternehmen in aller Welt. Der Druck auf die Verantwortlichen seitens Investoren, Gesetzgebern, Kunden und Mitarbeitern, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, nehme zu. "Alle erwarten, dass sich die Wirtschaft ihrer Verantwortung stellt.
Der Appell kam an, beispielsweise bei Microsoft. Die Verantwortlichen des weltgrößten Softwareherstellers haben sich ambitionierte Klimaschutzziele gesteckt. Bis 2030 will Microsoft "CO2-negativ" sein, das heißt mehr schädliches Klimagas aus der Atmosphäre entfernen als selbst produzieren. Bis zum Jahr 2050 will der Konzern sogar sämtliche klimaschädlichen Treibhausgase, die er seit seiner Gründung im Jahr 1975 produziert hat, aus der eigenen Klimabilanz tilgen.
Microsoft pflanzt Bäume
Der Softwarehersteller will außerdem einen Klima-Innovationsfonds in Höhe von einer Milliarde Dollar einrichten, um damit die Entwicklung von Technologien zum Reduzieren, Abscheiden und Beseitigen von CO2 zu fördern. Auch Partner und Kunden will Microsoft bewegen, ihren CO2-Fußabdruck zu verkleinern. So sollen in der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette Emissionen verringert werden, bis etwa 2025 auf nahezu Null. Dabei helfen sollen Aufforstungsprojekte sowie Maßnahmen, um CO2 im Boden zu binden.
Hinter den Plänen stehen CEO Satya Nadella, President Brad Smith, Finanzchefin Amy Hood und Chief Environmental Officer Lucas Joppa. "Die Welt muss CO2-Neutralität erreichen. Diejenigen von uns, die schneller vorangehen können, sollten das auch tun", schrieb Smith in einem Blog-Beitrag. Microsoft wolle seinen CO2-Fußabdruck erst reduzieren und später ganz beseitigen. Schließlich stehe die Welt vor einem drängenden Kohlenstoffproblem.
Das zu lösen wird allerdings nicht einfach, wie auch die Microsoft-Verantwortlichen einräumen müssen. Dazu bedürfe es offensiver Ansätze, neuer Technologien, die es heute noch nicht gibt und einer innovativen öffentlichen Politik. "Dies ist eine gewagte Wette – ein ,Moonshot‘ – für Microsoft", schrieb Smith. "Und es muss auch für die ganze Welt zu einem Moonshot werden."
Mit dem Wasserstoffauto in die Schweiz
Auch andere IT-Anbieter schreiben sich die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz auf die Fahnen. Beispielsweise legte SAP CEO Christian Klein die 430 Kilometer vom Hauptquartier in Walldorf nach Davos publicity-wirksam in einem wasserstoffangetriebenen GLC-F-Cell-SUV von Mercedes Benz zurück. Dort angekommen sprach er in einem Interview mit dem Nachrichtensender "N-tv" davon, Erfahrung sammeln zu wollen. Die neue Mobilität biete Perspektiven, doch es gebe noch "deutliche Limitationen".
Gerade auch die weltweit agierenden Konzerne müssten jetzt verstärkt den Klimaschutz angehen, forderte Klein. SAP selbst habe sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 klimaneutral zu wirtschaften. Außerdem will der deutsche Softwarehersteller seine Kunden mithilfe der eigenen Anwendungen in die Lage versetzen, CO2-Emissionen zu messen und zugleich Wege aufzuzeigen, wie der Ausstoß von Klimagasen verringert werden könnte.
Darüber hinaus engagiert sich SAP in der Global Plastic Action Partnership des WEF. Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 die Verschmutzung der Weltmeere durch Plastikmüll deutlich zu reduzieren. SAP will seinen Kunden dabei helfen, Alternativen zu Einweg-Plastik, neue Kreislaufmodelle für die eigenen Produkte sowie Methoden für die Sammlung und Wiederverwertung zu entwickeln. "Gemeinsam können wir den Übergang zu einer regenerativen Wirtschaft beschleunigen."
Mit der Plastik-Cloud zu weniger Plastik
SAPs Beitrag dazu ist die sogenannte "Plastics Cloud". Unternehmen erhielten damit einen besseren Einblick, woher die für die Herstellung ihrer Produkte verwendeten Materialien stammen. Dies ermögliche eine verantwortungsvollere Produktion unter Berücksichtigung der jeweiligen Recycling-Infrastrukturen und -Vorschriften. Anwender könnten beispielsweise genauer berechnen, welche ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen eine stärkere Nutzung von recycelten Materialien und Verpackungen hat, verspricht der Konzern.
Außerdem ließen sich Abläufe an geänderte Vorschriften und Best Practices anpassen. Die Basis der Plastics Cloud bildet das "SAP Ariba Network", das Verpackungs- und Konsumgüterhersteller mit neuen Anbietern von recyceltem Plastik und alternativen Materialien zusammenbringen soll.
SAP sei Teil einer wachsenden Bewegung, in der Politiker, Nichtregierungsorganisationen, gesellschaftliche Gruppierungen und führende Unternehmen gemeinsam nach Lösungen für eine regenerative Wirtschaft suchen, heißt es in einer offiziellen Mitteilung des Konzerns. Kleins Kollegin auf dem Chefsessel bei SAP flog übrigens klassisch mit dem Jet in Davos ein. Wobei man fairerweise sagen muss, dass Jennifer Morgan aus den USA kam und sich einen mehrwöchigen Segeltörn über den Atlantik verständlicherweise sparen wollte. Andererseits könnte man durchaus die spitzfindige Frage stellen, ob wirklich beide SAP-Chefs vor Ort in der Schweiz anwesend sein mussten.