Strategien


Softwareentwicklung

Kein Programm läuft so rund wie das andere

Heinrich Seeger arbeitet als IT-Fachjournalist und Medienberater in Hamburg. Er hat über 30 Jahre IT-journalistische Erfahrung, unter anderem als Gründungs-Chefredakteur des CIO Magazins. Er entwickelt und moderiert neben seiner journalistischen Arbeit Programme für Konferenzen und Kongresse in den Themenbereichen Enterprise IT und Mobile Development, darunter IT-Strategietage, Open Source Meets Business, droidcon und VDZ Tech Summit. Zudem gehört er als beratendes Mitglied dem IT Executive Club an, einer Community von IT-Entscheidern in der Metropolregion Hamburg.

Benjamin Poensgen, Geschäftsführer des Wiesbadener Analysespezialisten Quantimetrics, stimmt einerseits den Skeptikern zu: „Benchmarking an sich ist nicht strategisch, sondern taktisch.“ Andererseits könne es die Erreichung strategischer Ziele wie Kosten-, Produkt- und Qualitätsführerschaft sichern. „Jeder strategisch denkende Manager tut deshalb gut daran, sich mit Benchmarking zu beschäftigen", plädiert Poensgen.

Weit verbreitet in der Anwendungsentwicklung ist zu diesem Zweck die „Function-Point-Analyse“ (FPA). Mit diesem Verfahren wird bereits seit den achtziger Jahren der Funktionsumfang von Software aus Benutzersicht gemessen; die International Function Point User Group (www.ifpug.org) pflegt sogar einen international akzeptierten Standard dafür: IFPUG 4.1. Die Zahl der Function Points liefert das Basismaß für die Produktivität und Qualität einer Anwendung; gemessen werden Anzahl und Umfang fachlicher Funktionen. „Eine Software, die viel bietet, wird mit mehr Function Points bewertet“, fasst Poensgen, dessen Unternehmen Quantimetrics auf FPA setzt, den Ansatz bündig zusammen.

Die Methode wird typischerweise, aber nicht ausschließlich für Benchmarks eingesetzt. Darüber hinaus lassen sich mit Function Points Größe und Komplexität einer Anwendung messen, was vorab Schlüsse auf den zu erwartenden Aufwand bei der Wartung zulässt – allerdings nur im Vergleich mit anderen Anwendungen. Beim Verhandeln von Service-Level-Agreements kann die Methode als Grundlage für die Messung der Leistungen dienen. In der Softwarebeschaffung ermöglichen Function Points Preisvergleiche – sei es, um unterschiedliche Angebote miteinander zu vergleichen oder die Grundlage für eine Make-or-Buy-Entscheidung zu liefern. In jedem Fall erforderlich: eine Referenzdatenbank mit abgeschlossenen Projekten, um Vergleiche anstellen zu können.

Commerzbank nutzt Referenzdatenbank

Die Commerzbank etwa stellt in der zentralen Anwendungsentwicklung Vergleiche mit Projekten an, die in einer selbst aufgebauten Referenzdatenbank gespeichert sind. Der Zweck: bei neuen Anwendungen und Erweiterungen vorhandener Applikationen Verbesserungspotenzial aufdecken, etwa was die Wartungskosten angeht. Das ist nicht trivial und schon gar nicht kostenneutral. „Die Bewertung eines Softwaresystems kann nicht vollständig automatisiert werden. Zur Messung durch einen Function-Point-Spezialisten gibt es keine Alternative“, räumt Quantimetrics-Chef Poensgen ein. Und wenn ein Unternehmen nicht möchte, dass externe Fachleute den Entwicklern über die Schulter schauen, die Zählungen und Auswertungen also intern durchführen will, dann muss es dazu, wie die Commerzbank, eine eigene Infrastruktur etablieren: Neun Function-Point-Experten stehen beim viertgrößten deutschen Finanzinstitut auf der Payroll.

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