Strategien


Gefühl des Fleißes geben

Paradox: Mehr Arbeit macht produktiver

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.
Gegen Schluderei und Aufschieberitis helfen, wenn noch mehr Aufgaben vergeben werden. Dahinter stecken psychologische Gründe, schreiben US-Forscher in einer Studie.
Weitere Aufgaben können helfen, lustlose Mitarbeiter in Schwung zu bringen. Übertreiben sollte man es damit aber auch nicht.
Weitere Aufgaben können helfen, lustlose Mitarbeiter in Schwung zu bringen. Übertreiben sollte man es damit aber auch nicht.
Foto: mauritius images

Eigentlich müsste es ja ganz einfach mit der Produktivitäts-Optimierung. Schließlich leben wir in der Ära des Zeitmanagements und der gut besuchten Kurse zu diesem Thema. Und wir leben außerdem im Zeitalter der TabletsTablets und SmartphonesSmartphones mit ihren so praktischen Apps, die einen an zu erledigende Aufgaben erinnern - ans Joggen etwa oder eben auch an noch abzuliefernde Arbeiten. Alles zu Smartphones auf CIO.de Alles zu Tablets auf CIO.de

Doch offenbar schaffen diese Innovationen selbst in den USA, wo die Zeitmanagement-Seminare und die Erinnerungs-Apps besondere Konjunktur haben, die Probleme nicht aus der Welt. Dass nämlich Aufgaben aufgeschoben werden und Mitarbeiter nicht fristgerecht liefern.

Die Gründe dafür wurzeln offenbar im Psychologischen. Sie muten zum Teil trivial, zum Teil kompliziert an - und der produktive Umgang mit dem janusköpfigen Phänomen erfordert ein gesundes Maß an Fingerspitzengefühl.

Manager sollen Produktivität der Mitarbeiter erhöhen

In einer aktuellen Studie widmen sich Forscher von gleich vier US-amerikanischen Hochschulen den von Mitarbeitern verursachten Verzögerungen. Das Autorenquartett - Andrew T. Stephen von der University of Pittsburgh, Keith Wilcox von der Columbia Business School, Juliano Laran von der University of Miami und Peter Pal Zubcsek von der University of Florida - adressieren sehr wohl Manager, die die Produktivität in ihren Abteilungen verbessern wollen. Der Titel der Studie suggeriert, dass es dafür ein überraschendes Patentrezept geben könnte: "How Being Busy Overcomes Procrastination and Enhances Productivity".

Damit ist zwar ein den alltäglichen Vorstellungen widersprechender Ausgangspunkt der Überlegungen in der Studie genannt, aber eben kein allgemein gültiges Patentrezept. Eine größere Fülle an Aufgaben kann die Produktivität verbessern anstatt sie weiter zu verschlechtern, wie man zu vermuten geneigt ist.

So lautet eine Leitthese im Ideengerüst der vier Wissenschaftler, das sie anhand eines umfangreichen Datenmaterials verifizieren konnte. Selbst wertete das Quartett rund 600.000 Tasks einer Software App aus, die den Usern bei Erledigen ihrer Arbeit helfen soll. Ergänzend wurde eine Handvoll weiterer Studien zum Thema ausgewertet.

Aufschieben von Aufgaben

Die Studie führt ziemlich direkt ins Seelenleben der Mitarbeiter und ins Zusammenspiel mit ihrer Produktivität. Sehr häufig gibt es demnach ein Aufschieben von Aufgaben und einen Mitarbeitertypus - "procrastinator" - der besonders dazu neigt. Oft falsch ist die Annahme, dass man hinter ihren Zielen herhinkenden Mitarbeiten keine weiteren Aufträge aufhalsen dürfe. Laut Studie ist bis zu einem gewissen Grad genau das Gegenteil richtig.

Das Verschleppen von Aufgaben und Nichteinhalten von Fristen wirkt sich demnach vor allem dann negativ aus, wenn die Betroffenen eben nicht zu viel zu tun haben. In solchen Fällen schieben Mitarbeiter Dinge auf und fühlen sich hinterher schlecht, weil sie dafür nicht wirklich einen guten Grund haben. Die miserable Gefühlslage führt aber wiederum dazu, dass die Dinge einfach weiter liegen bleiben.

Das gute Gefühl, fleißig zu sein

Erstaunlicherweise ist die Gemengelage ganz anders, wenn objektiv eine Arbeitsüberlastung vorliegt. Laut Studie verhält es dann nämlich so: Die Betroffenen haben tatsächlich mehr zu tun, als sie schaffen können, und das ist ihnen auch bewusst. Sie fühlen sich grundsätzlich gut, weil sie sich - anders als die "procrastinators" - selbst für fleißig halten. Und deshalb nehmen sie es sich auch nicht besonders zu Herzen, wenn sie hin und wieder einen Teil ihrer Arbeit nicht so schnell wie eigentlich nötig erledigen. Im guten Gefühl, dass das ob ihres geleisteten Pensums schlichtweg zwangsläufig manchmal vorkommt, arbeiten sie unbeeindruckt weiter. Und das äußerst produktiv.

Vorsicht vor Überlastung

In einem ersten Schritt folgern die Autoren daraus, dass die Vergabe von weiteren Aufgaben trotz unerledigter Arbeiten an sich hilfreich ist. Das gilt ebenso für konkrete Abgabefristen, die die Neigung zum Hinauszögern oftmals wirksam eindämmen. Wäre das alles, könnten Führungskräfte relativ simpel die Produktivität in ihren Abteilungen erhöhen.

So einfach ist es aber in Wirklichkeit nicht. Denn die gegenteiligen Effekte können sich ebenfalls einstellen. Dass Mitarbeiter tatsächlich überfordert werden, wenn sie noch mehr Aufgaben gleichzeitig erfüllen sollen, und deshalb weniger schaffen. Oder auch, dass der ein oder andere von der fixen Terminfrist eingeschüchtert wird, negative Gefühle entwickelt und unproduktiver als bisher arbeitet.

Klugheit der Führungskräfte gefragt

Der Kern eines erfolgreichen Produktivitätsmanagements liegt den Ergebnissen der Studie zufolge vor allem darin, mit Klugheit und auch kleinen Kniffen den Mitarbeitern das gute Gefühl der Leistungsfähigkeit und des eigenen Fleißes zu verschaffen. Es sei vor allem das Attribut des Fleißes, dass die mit verpassten Deadlines verbundenen negativen Gefühle reduziert, so die Autoren.

"Ein einfacher Weg, um Menschen produktiver zu machen, ist es, sie an alle Aufgaben zu erinnern, die sie erledigen müssen", heißt es in der Studie. An sämtliche dieser Aufgaben zu denken, sollte die Selbstwahrnehmung fördern, fleißig zu sein. "Dadurch sollten sich die Leute besser fühlen, weil es Gründe dafür gibt, dass bestimmte Fristen nicht eingehalten werden oder manche Ziele verfehlt werden." Dieses positive Gefühl trägt laut Studie dazu bei, dass Mitarbeiter ihre Arbeit nicht liegen lassen, sondern am Ball bleiben.

"Außerdem kann es ein einfaches und effektives Mittel gegen chronische Verschleppung und die Müdigkeit, Arbeiten abzuschließen, sich beschäftigt zu halten", erläutern die Autoren weiter. Im Büro bedeute das, dass Chefs gut beraten sein können, wenn sie mehr Arbeit statt weniger vergeben. "Dabei gibt es aber Grenzen", warnen die Wissenschaftler - wegen der schon angeführten Überforderung jener Mitarbeiter, die bereits am Anschlag schaffen. Deshalb sollte dieses Instrument laut Studie nur ausbalanciert eingesetzt werden.

Einige Motivationstricks

Aus diesem Kontext leiten die Autoren Motivationstricks ab, die Führungskräfte zu Verbesserung der Produktivität ausprobieren können. Etwa das Einzelgespräch über die Vielzahl zu erledigender Aufgaben, um das Gefühl des Beschäftigtseins zu vermitteln. Sinnvoll könne es auch sein, größere Arbeiten in mehrere kleine Aufgaben zu zerlegen. Das mag das so wichtige Gefühl der eigenen Produktivität erhöhen, ohne dass die Arbeitslast für die Mitarbeiter tatsächlich erhöht wird.

Hilfreich ist womöglich auch, den internen Wettbewerb zu schüren. Die Autoren empfehlen etwa, Mitarbeiter dafür zu loben, fleißiger als das Personal in anderen Abteilungen zu sein. Das wird gerne gehört und stachelt laut Studie auch den Ehrgeiz der Mitarbeiter an. "Schließlich sollten Unternehmen nach Wegen suchen, wie ihre Mitarbeiter die negativen Emotionen überwinden können, die mit verpassten Fristen einhergehen", lautet das Fazit der Studie.

Zusammenfassung der Studienergebnisse

Eine lesenswerte Zusammenfassung der Studienergebnisse hat der Journalist Matt Palmquist für den Strategieblog von Strategy@ (vormals Booz) verfasst.

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